Review Bohren & Der Club Of Gore – Patchouli Blue

Gerade im Metal glauben viele Menschen, die Kunst läge darin, besonders schnell zu spielen. Dass dem zumindest im Jazz nicht so ist, stellen die deutschen Doom-Jazzer BOHREN & DER CLUB OF GORE regelmäßig unter Beweis. Sechs Jahre nach der Veröffentlichung ihres Albums „Piano Nights“ legt die bereits 1988 in Mülheim an der Ruhr gegründete Band nach: Wie gewohnt nicht mit vielen, dafür aber ausdrucksstarken Tönen. Und wie gewohnt mit einem sehr speziellen Sinn für Artwork-Ästhetik.

Nach dem verstört dreinblickenden Klavierspieler bei „Piano Nights“ überraschen BOHREN & DER CLUB OF GORE diesmal mit einem grell-bunten, leicht abgeschmackt psychedelischen Artwork. Auch hier ist der Zusammenhang mit dem Albumtitel („Patchouli Blue“) offensichtlich, war der würzige Duft des Patchouli-Öls – gewonnen aus der asiatischen Pflanze Pogostemon cablin – in den 60er- und 70er-Jahren doch eine beliebte Insignie der Hippie-Bewegung. Durch etwas willkürlich einkopierte Schädel werden die Blumen, Muster und fröhlichen Farben mit dem Photoshop-Holzhammer ins Morbide gezwungen. Mehr als die Summe der Bestandteile ergibt sich daraus jedoch nicht.

Zum Glück sind BOHREN & DER CLUB OF GORE aber kein Künstlerkollektiv für bildende Kunst, sondern ein Doom-Jazz-Ensemble. Und als solches macht der nach dem Ausstieg von Schlagzeuger Thorsten Benning zum Trio reduzierten Truppe so schnell niemand etwas vor: Becken, die gefühlt im Halbminutenabstand ein Besen touchiert, Bass-Töne, die in ihrer ganzen Reinheit ungestört verklingen, ein Saxophon, das uns das Leid der ganzen Welt zu klagen scheint und Klangflächen auf verschiedensten Tasteninstrumenten bilden auch auf „Patchouli Blue“ die Basis für den Soundtrack zum Kontinentalplattendrift: Alles daran ist gewaltig, aber eben sehr langsam.

Business as usual also? Nicht ganz. Wer sich „Patchouli Blue“ mit dem Bestreben zu Gemüte führt, Unterschiede zu früheren Werken von BOHREN & DER CLUB OF GORE aufzutun, wird schnell fündig. So sind etwa die einzelnen Nummern mit Spielzeiten zwischen drei (!) und neun Minuten für BOHREN-Verhältnisse fast unerhört kurz. Verglichen mit „Piano Nights“ und wohl sehr zur Freude aller langjährigen Fans klingen die Songs insgesamt wieder wuchtiger – nicht zuletzt, weil auch Kontrabass und Saxophon wieder mehr im Mittelpunkt stehen. Auf der anderen Seite lassen sich auf „Patchouli Blue“ auch gänzlich neue Elemente entdecken – etwa der Moog in „Vergessen & vorbei“, einem Stück, das durch seinen elektronischen Beat und einem gewissen Synth-Pop-Feeling gleich in mehrerlei Hinsicht mit den BOHREN-Konventionen bricht.

Am Ende sind alle elf Nummern unverkennbar als BOHREN & DER CLUB OF GORE zu identifizieren. Und das nicht nur anhand ihrer herrlichen Namen wie „Total falsch“, „Verwirrung am Strand“ oder „Sollen es doch alle wissen“. Sondern weil BOHREN & DER CLUB OF GORE mit „Patchouli Blue“ nach erschreckend langen sechs Jahren ein Album vorlegen, das einerseits wieder typischer klingt als „Piano Nights“, andererseits vielseitiger als alle anderen bisherigen Alben. So dürfte „Patchouli Blue“ BOHREN-Fans einmal mehr in melancholisch-meditative Verzückung versetzen und Geschwindigkeitsfanatiker in den Wahnsinn treiben. Genau, wie man es sich von einem BOHREN-Album eben erwartet. Nur noch besser.

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Wertung: 9.5 / 10

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