Review Body Count – Body Count

Mit drei Alben innerhalb von sechs Jahren – „Manslaughter“, „Bloodlust“ und „Carnivore“ – waren die zwischenzeitlich aufgelösten BODY COUNT zuletzt so fleißig wie seit ihren frühen Jahren nicht mehr. In Zeiten, in denen das ohnehin angespannte gesellschaftliche Klima in den USA weiterhin von rassistisch motivierten Morden an Afroamerikaner*innen wie George Floyd oder Breonna Taylor durch Polizisten zusätzlich angeheizt wird, dürfte jede anklagende Stimme auch bitter nötig sein. In der Tat hat die amerikanische Öffentlichkeit mit Rapper, Schauspieler und BC-Frontmann Ice-T hat einen prominenten Fürsprecher von Racial Equality, der mit losem Mundwerk und ohne ein Blatt vor ebenjenes zu nehmen soziale Missstände anprangert. Das tat er lange vor Aufkommen der Black-Lives-Matter-Bewegung: Neben seiner schon in den 1980ern begonnenen Rap-Laufbahn gründete der ursprünglich an der Ostküste geborene Ice-T zusammen mit ehemaligen Schulfreunden BODY COUNT bereits 1990 in Los Angeles, um der gemeinsamen Leidenschaft für Rockmusik nachzugehen.

Dass sie dabei nicht in erster Linie schnelle Autos und hübsche Frauen besingen wollten wie viele ihrer Genrekollegen in den Jahren zuvor, schien angesichts des Herkunftsorts der Musiker naheliegend: Banden- und Drogenkriminalität, Gewalt und Tod standen in South Central LA auf der Tagesordnung. Das Debütalbum entstand zudem vor der Kulisse des Falles Rodney King, eines Afroamerikaners, der bei einer Verkehrskontrolle von mehreren Polizisten brutal verprügelt wurde. Als ebenjene am Ende des Gerichtsprozesses freigesprochen wurden, kam es im April 1992, nur einen knappen Monat nach der Veröffentlichung von „Body Count“, zu sozialen Unruhen – den LA Riots. Auf den Fall Bezug nimmt die Band im finalen Album-Track „Cop Killer“, um den sich wenige Wochen nach Release der Platte eine Kontroverse entspann. Von Seiten diverser Polizeivereinigungen und der Politik kam es zu Boykottaufrufen und Appellen an das Label, die Platte aufgrund der anstößigen Inhalte zurückzuziehen. Schließlich sei sie der geeignete Soundtrack, um die Proteste noch mehr anzuheizen. Den Druck vom Kessel nahm Ice-T schließlich selbst – nach eigenen Angaben, um das Album nicht bloß auf diesen Skandal reduziert zu sehen: Er ersetzte den Song (und dessen Intro) für künftige Auflagen durch eine überarbeitete Version eines Solo-Tracks von 1989 mit dem Titel „Freedom Of Speech“, eine Zusammenarbeit mit Jello Biafra, während die Figur auf dem Cover-Artwork nunmehr ein „Body-Count“- anstelle eines „Cop-Killer“-Brusttattoos trug.

Wenngleich „Cop Killer“ mit seinem provokanten bis platten Protestsongcharakter auch heute noch ein Kultlied ist, kann man Ice-T die Entscheidung nicht übelnehmen – schließlich hat „Body Count“ weit mehr zu bieten als nur Gewaltfantasien über Gesetzeshüter, die auf dem rechten Auge blind, aber eben nicht farbenblind sind: Allein schon der Titeltrack ist ein Crossover-Klassiker, der die Missstände im Heimatstadteil der Band anprangert, deren Wut in der wiederholten Textzeile „Tell us what to do … fuck you!“ ausbricht. Unerwartet zahm wird die Gruppe hingegen in der Ballade „The Winner Loses“, die Drogenmissbrauch und -tod im Freundeskreis thematisiert. Dem zugrunde liegenden Übel all dieser Zustände, dem weitverbreiteten Rassismus in der US-Gesellschaft, widmen sich BODY COUNT gleich in mehreren Tracks: mal humorvoll und stumpf in „KKK Bitch“ als Liebhaber der Töchter von Ku-Klux-Klan-Mitgliedern; mal sarkastisch in der Debüt-Single „There Goes The Neighborhood“ aus der Perspektive rassistischer Musikfans, die behaupten, dass Rock nur etwas für Weiße sei; mal in Form der hasserfüllten Mutter in „Momma’s Gotta Die Tonight“, die Menschen anderer Hautfarbe verabscheut – und deswegen letzten Endes kurzerhand vom lyrischen Ich getötet wird.

In ihren mit comicartiger Übertreibung dargebotenen Texten behandeln BODY COUNT aber nicht nur ernste Themen, sondern auch gruselige bis alberne Geschichten, etwa von der Begegnung mit einer Voodoo-Zauberin („Voodoo“) oder … unheilbringenden sprechenden Genitalien („Evil Dick“). Kurze Interludes und Intros sorgen zwischen den Tracks für zusätzliche Abwechslung. Ebenso abwechslungsreich sind die Songs musikalisch gestaltet, decken von schleppendem über Mid- bis hin zu Uptempo alle Geschwindkeitsbereiche ab und verweilen nur in manchen Stücken von Anfang bis Ende in einem davon. Gewürzt werden sie mit Solo-Einlagen des Drummers Beatmaster „V“ und immer wieder des Leadgitarristen und Songwriters Ernie C. Das stilistisch prominenteste Merkmal an „Body Count“ ist jedoch die Mischung aus Rap-/Hip-Hop-Trademarks einerseits sowie Rock-/Metal-/Hardcore-Elementen andererseits, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zwar nicht mehr gänzlich neu war, aber doch lange vor Limp Bizkit, Korn und anderen späteren Nu-Metal-Größen stattfand. Insofern trifft auf BODY COUNT durchaus der Status von Crossover- oder auch Rap-Metal-Vorreitern zu.

Ihr selbstbetitelter Full-Length-Einstand mag nicht die druckvolle Produktion des Debüts der Kollegen von Rage Against The Machine aus demselben Jahr oder die Funk-Schlagseite der Frühwerke von Faith No More haben. Dem wissen Ice-T & Co. mit einer großen Portion Biss und purer Aggression allerdings gekonnt etwas entgegenzusetzen. „Body Count“ ist ein schlagkräftiges Zeitdokument aus der US-Subkultur der frühen Neunziger und dabei doch ein zeitloses Protestalbum voll plumper Wut und scharfem bis pubertärem Humor, das sich niemand entgehen lassen sollte, der im Metal gern über Genregrenzen hinausblickt.

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Wertung: 8 / 10

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