Was soll man noch zu BOB DYLAN schreiben, das nicht schon irgendwo festgehalten wurde? Seinen Stellenwert in der Musikgeschichte, die große Qualität seiner bisherigen 35. Alben, die Kontroverse um seine im Laufe der Jahre immer stärker Richtung Pirat tendierende Stimme bei Livekonzerten – all das wurde schon tausend Mal erwähnt. Nach so vielen Jahren und seinem Austesten unterschiedlichster Musikstile wundert es nicht, dass DYLANs 36. Studioalbum „Shadows In The Night“ eine Neubearbeitung von Songs aus der Big-Band-Ära der 50er und 60er Jahre darstellt, welche von BOB DYLAN und seiner fünfköpfigen Band auf ihren minimalen Kern reduziert wurden. Das Ergebnis ist ein stimmiges, ruhiges und sehr intimes Album, welches allerdings gerade aufgrund seines Minimalismus über seine gesamte Spielzeit betrachtet recht gleichförmig klingt.
Direkt im Opener „I’m A Fool To Want You“ wird die Stimmung für die folgenden 35 Minuten vorgegeben: Slide Gitarre, ein leise vor sich hinbrummelnder Bass, verhalltes Gitarrenpicking und BOB DYLANS leicht näselnde Stimme, wobei sich dieser auf „Shadows In The Night“ so sehr wie noch nie als Crooner versucht. Dass das Album komplett live eingespielt wurde, ohne Overdubs auskommt und zu großen Teilen direkt bei den Aufnahmen abgemischt wurde, gibt dem ganzen Album eine sehr direkte, sehr persönliche Note. Manche Songs, wie der bereits erwähnte Opener oder „Autumn Leaves“, besitzen eine schwermütige Grundstimmung, während andere Nummern sehr entspannt und positiv arrangiert sind, wie beispielsweise „Stay With Me“ oder „Some Enchanted Evening“. Durch den prominenten Einsatz von Bläsern in „Lucky Old Sun“ hebt sich dieser Song besonders hervor und kann ohne Probleme neben der ebenfalls hervorragenden Version des Songs von Johnny Cash bestehen – dass die Originale der hier vertretenen Nummern ausnahmslos großartig sind, versteht sich von selbst.
Zwar ist die Stimmung, welche BOB DYLAN mit seiner Band auf „Shadows In The Night“ transportiert, durchweg beeindruckend und die behutsamen Arrangements, welche den Kern der ansonsten doch recht pompösen Lieder offen legen (nicht umsonst bezeichnet DYLAN sein Vorgehen auf diesem Album selbst als ‚Uncovering‘) sind überzeugend. Gerade aufgrund der stilistisch eingeschränkten Songauswahl und den damit einhergehenden ähnlichen Songstrukturen schafft es „Shadows In The Night“ nicht als Ganzes zu begeistern und man erwischt sich beim Hören immer wieder dabei, ein wenig abzudriften oder das Gefühl zu besitzen, den Song doch eigentlich gerade eben schon einmal gehört zu haben. BOB DYLAN, was auch immer man von seiner Singstimme halten mag, macht seine Sache als Crooner gut – allerdings ist die Stimme oft recht dünn und brüchig, was der ruhigen Stimmung des Albums gut zu Gesicht steht, man sich als Hörer aber dennoch oft eine intensivere, dreckigere Darbietung wünschen würde.
Insgesamt ist „Shadows In The Night“ ein schönes Album, welches sich ohne Probleme in den Katalog von BOB DYLAN einfügt, dem ein wenig mehr Abwechslung allerdings gut zu Gesicht gestanden hätte.
Wertung: 7 / 10