Blutengel.
Das ist Traurigkeit, Melancholie, Herzschmerz und Todessehnsucht. Das mag zunächst mal mehr als klischeehaft für ein Gothicalbum erscheinen, trifft aber trotzdem wie die Rasierklinge den gepflegt blassen Puls. Wer also die Schnauze voll hat von derlei Kitsch und sich grad auf der Sonnenseite des Lebens befindet, der möge hier aufhören zu lesen und sein verfluchtes, glückliches Leben genießen – oder so…
„Angel Dust“ wurde 2002 über SPV veröffentlicht und umgarnt jede gequälte Seele mit Musik von exquisiter Traurigkeit und Morbidität. Chris Pohl, übrigens auch der Kopf hinter Bands wie Terminal Choice und Tumor, bedient sich hier der typischen Elemente für ein Album der „schwarzen Szene“. Der Hörer bekommt langsam gespielten Elektropop mit leidendem, sowohl männlichem als auch weiblichem Gesang. Harte EBM Klänge werden niemals angeschlagen, man muss also nicht besorgt sein, dass man plötzlich von stampfenden Bässen aus seiner Nachdenklichkeit gerissen wird. Thematisch wird – wie schon erwähnt – die gesamte Palette des Gothicspektrums abgedeckt: Sehnsucht, Einsamkeit und Liebeskummer, Todeswunsch, Schmerz und Verzweiflung.
Eingeleitet wird das Album vom dreigeteilten Titelstück „Angel Dust“, das rein instrumental daher kommt und vor allem dazu dient, die geeignete Stimmung zu transportieren. Der erste „richtige“ Song „Stranded“ ist dann bereits ein Highlight des Albums und löst garantiert Sehnsüchte nach einem geliebten Menschen aus. Weiter geht es mit den ebenfalls herausragenden Stücken „Vampire Romance I“ und „The End Of Love“. Letzteres beschäftigt sich mit dem Freitod – wohl einer Frau – und wird aus der Perspektive ihres Liebhabers beschrieben, welcher ihr die Hand hält, während sie ihren letzten Weg geht. Ein Album, dass schon zu Beginn mit soviel Stimmung aufwartet, kann fast gar nicht mehr schlecht werden. Tatsächlich befinden sich neben „Wonderland“ und dem exzellenten „Night Of Sin“ noch eine ganze Reihe weiterer Songs auf dem Album, welche zum Träumen einladen. Meistens wird dabei auf Englisch als Sprache zurückgegriffen, streckenweise gibt es jedoch auch deutsche Lyrics. Und zwischendurch immer wieder eines der instrumentalen „Angel Dust“ -Teile.
Natürlich bleibt es bei 16 Tracks nicht aus, dass sich auch die ein oder andere durchschnittliche Nummer auf der CD befinden, die Balance geht jedoch eindeutig in Richtung der guten Songs. Wer jedoch mit dem Hauptthema und der Stimmung der CD rein gar nichts anfangen kann, dem hilft dies natürlich wenig. Allerdings dürften die wenigsten so sorgenfrei sein, als dass es nicht die ein oder andere Gelegenheit gäbe, „Angel Dust“ abzuspielen.
Wer sich bis hierhin noch nicht von diesem bewusst überspitzt-dramatischem Review hat abschrecken lassen, für den dürfte „Angel Dust“ wohl grade richtig kommen. Das Album ist bestimmt nicht dafür geeignet, eure Sorgen und Nöte ertragbarer zu machen. Im Gegenteil, wenn man die Kopfhörer aufsetzt und sich auf die Musik einlässt, wird es höchstens schlimmer. Aber es soll ja Leute geben, welche auf diesem Weg mit ihren Gefühlen umgehen und sich ihrer bewusst werden.
Für Verena, die mich dazu bewegt hat, dieses Review zu verfassen.
(Sebastian Klein)
Wertung: 8 / 10