In der Regel sind EPs ja die Resterampe vorangegangener Alben. Im Falle der im Dezember erschienenen Mini-Platte „Loud And Proud“ der NWOBHM-Heroen BLITZKRIEG handelt es sich allerdings eher um einen Aufguss, denn die Herren haben hier lediglich Songs verwurstet, die zum größten Teil bereits in ganz ähnlicher From auf ihrem ein Jahr zuvor veröffentlichten Album „Judge Not!“ enthalten waren. Das macht die Musik selbst sicher nicht schlechter, da besagte Platte ziemlich gut geraten war, allerdings fragt es sich, warum irgendjemand eine EP kaufen sollte, auf der noch nicht mal ein bisher ungehörter Song enthalten ist. Vielleicht offebart genaueres Hinhören ja die versteckten Qualitäten der neuen BLITZKRIEG-EP.
Los geht es mit „Loud And Proud“, einem rockigen Midtempo-Stamper mit breitbeiniger Stadion-Attitüde. Dank seines schweren Stahlwerk-Riffings erinnert die Nummer angenehm an Accept und da ist es fast eine Überraschung, wenn statt Udo Dirkschneiders Reibeisen-Stimme plötzlich das – für diesen Song beinahe zu anschmiegsame – Organ von Brian Ross zu hören ist. Im zugegebenermaßen etwas tumben Text werden mal wieder die bekanntesten Song- und Albentitel der letzten 40 Jahre Metal-Geschichte abgespult. Das ist niedlich und soll Szene-Zusammenhalt demonstrieren, ist aber ein derart ausgelutschtes Klischee, dass es dafür nun wirklich keine Anerkennung mehr gibt. Im Großen und Ganzen ist „Loud And Proud“ ein guter Song, der sich dank seines Mitgröl-Refrains nicht umsonst im Live-Programm der Briten etabliert hat, da die Nummer aber auch schon auf dem letzten BLITZKRIEG-Album enthalten war, handelt es sich hier am Ende jedoch um einen alten Hut.
Ähnlich verhält es sich mit den beiden nächsten Nummern, einer „Alternate Version“ von „Without You“ sowie einer orchestrierten Fassung von „Falling Into Darkness“ – beide ebenfalls ursprünglich auf „Judge Not!“ enthalten. Bei ersterem Song handelt es sich um die Hair-Metal-Ballade des letzten BLITZKRIEG-Albums. Die ist an sich eine witzige Idee und passt überraschend gut zum Sound der Band, da sich die Nummer jedoch wenig bis überhaupt nicht von ihrem Original unterscheidet, bleiben sowohl Song als auch EP ihre Daseinsberechtigung bisher schuldig. Das kann leider auch die „Orchestrated Version“ von „Falling Into Darkness“ nicht ändern. Während der Song an sich ein düsterer Abriss von Oscar Wildes „The Picture Of Dorian Gray“ ist, weist auch diese Nummer kaum Unterschiede zu ihrer 2018 veröffentlichten Version auf – das mag in erster Linie daran liegen, dass sich die vermeintliche Orchestrierung auf ein paar schnöde Synthy-Klänge im Hintergrund beschränkt. Überflüssig.
Etwas spannender wird es mit den beiden Bonustracks „Together (We Are Strong)“ und „After Dark“. Die gab es zwar auch schon, nämlich auf den Alben „Theatre Of The Damned“ von 2007 bzw. „Unholy Trinity“ von 1995. Da beide Platten mittlerweile recht schwer zu kriegen sind, ist es jedoch schön, dass die Songs hier wieder auftauchen, zumal vor allem das hymnische „Together (We Are Strong)“ zu den Sternstunden von BLITZKRIEG gehört. Leider wurden die beiden Nummern für „Loud And Proud“ nicht neu eingespielt, weshalb sie a) von anderen Besetzungen als das „Judge Not!“-Material aufgenommen wurden und b) anders klingen als die neueren Tracks der EP. Natürlich klingen sie trotzdem gut, um dieser Platte so etwas Ähnliches wie eine Daseinsgrundlage zu geben, wären Neuaufnahmen jedoch hübsch gewesen.
Abschließend gibt es mit „School’s Out“ noch ein Cover des legendären Hits von Shock-Rock-Altmeister Alice Cooper zu hören – eigentlich ideales EP-Material, jedoch bleibt auch hier der Wermutstropfen, dass dieser Titel ebenfalls bereits auf dem letzten Album zu finden war. Als bekennender Alice-Cooper-Fan weiß BLITZKRIEG-Boss Brian Ross die Nummer natürlich hervorragend zu interpretieren und auch der Rest der Band ist kompetent genug, dem Song gerecht zu werden. Trotzdem kann auch der dritte Song von „Judge Not!“ diese EP nicht vor der Belanglosigkeit bewahren.
BLITZKRIEG sind eine ziemlich großartige Band, die durchaus in Würde zu altern vermag – nicht zuletzt aufgrund ihres Sängers Brian Ross, der seine Stimme bemerkenswert gut in Form gehalten hat. Umso trauriger stimmt es, dass die NWOBHM-Legenden mit „Loud And Proud“ einen in jeder Hinsicht unnötigen Schnellschuss fabriziert haben, der einzig auf das Geld ihrer Fans zu zielen scheint. Eine EP, die nicht einen einzigen neuen Song, sondern lediglich Altbekanntes sowie zwei halbscharige Remixes als denkbar fadenscheiniges Alibi enthält, ist selbst beim moderaten Preis von knappen zehn Euro noch eine bodenlose Unverschämtheit. Einziger Trost mag die Vorstellung sein, dass BLITZKRIEG selbst mit dieser aus künstlerischer Sicht absolut überflüssigen Veröffentlichung nichts zu tun hatten, sondern die Entscheidung von ihrem Label getroffen wurde. Mundus vult decipi.
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