Das Debüt des Soloprojekts BLACKBRAID gehört zweifellos zu den am meisten erwarteten Black-Metal-Alben 2022, sorgten doch bereits die beiden ersten Songs Anfang des Jahres für einen wahren Sturm an Begeisterung. Hinter BLACKBRAID verbirgt sich der Künstler Sgah’gahsowáh aus den Adirondack Mountains im nordöstlichen Teil des US-Staates New York, ehemals Siedlungsland der Algonquin und Mohawk und genau dieser besondere Landstrich, seine Bewohner und die Verbindung zur Natur und den alten Kulturen dort spielen eine entscheidende Rolle in der Musik von BLACKBRAID. Nun ist es mit Hypes natürlich immer so eine Sache, aber was Mastermind Sgah’gahsowáh auf „BlackBraid I“ abliefert, dürfte definitiv zu den Highlights des Jahres gehören.
Mit einer Spielzeit von etwas mehr als 30 Minuten, vier Songs und zwei Interludes, fällt „BlackBraid I“ nicht gerade üppig aus, dafür stellt sich aber auch keine Langeweile ein. Musikalisch ist BLACKBRAID tief im nordischen Stil des Black Metal verwurzelt, reichert diesen aber mit modernerem Songwriting und einem leicht Folk-Touch, der hauptsächlich über die Melodieführung entsteht, an. Besonders bei den beiden Instrumentals „As The Creek Flows Softly By“ und „Warm Wind Whispering Softly Through Hemlock At Dusk“ kommt das Native-American-Erbe des Musikers deutlich hervor. Die Stücke werden von akustischen Gitarren, etwas Percussions und einer Flöte getragen und wecken damit Erinnerungen an die akustischen Werke von Nechochwen. Ganz wie das Duo aus den Appalachen lässt auch BLACKBRAID so eine wunderbar atmosphärische Stimmung entstehen, die die starke Verbundenheit zur Natur deutlich macht.
Mit den restlichen Songs konzentriert sich BLACKBRAID aber vor allem auf melodisch-atmosphärischen Black Metal, was kein Minuspunkt ist, sondern „BlackBraid I“ davor bewahrt in Folk-Klischees abzurutschen. Der furiose Opener „The River Of Time Flows Through Me“ ist einer der Vorab-Songs, hat aber auch nach mehrmaligem Hören nichts von seiner Kraft verloren. Saor treffen hier auf Agalloch und die typische Raserei des Black Metal der zweiten Welle, vermengt zu einer stimmigen und abwechslungsreichen Mixtur. Besonders mitreißend donnert das ebenfalls bereits bekannte „Barefoot Ghost Dance On Blood Soaked Soil“ aus den Boxen. Sgah’gahsowáh selbst bezeichnet das Stück als Kriegstanz und treffender lässt sich das Dargebotene gar nicht beschreiben. Nicht minder rabiat beginnt „Sacandaga“, bevor sich im Endteil doch noch einmal eine Flöte in den Vordergrund schiebt und erneut starke Folk-Atmosphäre aufkommen lässt. Mit gut zehn Minuten Spielzeit bildet „Prying Open The Jaws Of Eternity“ das epische Finale des Debüts und BLACKBRAID nutzt die Zeit, um noch einmal allen Facetten seiner Musik Raum zu geben. Tatsächlich bildet der Rausschmeißer mit seinen doomigen Parts, den rasenden Riffs und den zielgenau positionierten Melodien fast so etwas wie eine Blaupause des gesamten Albums und der Kreativität des Projekts.
BLACKBRAID gelingt es, auf dem Debüt „BlackBraid I“ sehr starken melodischen Black Metal mit einer tiefen Verwurzelung in der Kultur von Kreativkopf Sgah’gahsowáh zu erschaffen. Das Album profitiert vor allem vom dynamischen Songwriting und einer großartigen Atmosphäre, die zusammen eigentlich bekannte musikalische Einflüsse zu etwas Neuem, Frischem werden lassen. Ein starkes Erstlingswerk, das dem Hype zu großen Teilen gerecht wird.
Wertung: 9 / 10