Huch, machen die nicht sonst etwas anderes? Ein Blick auf die Musiker der schwedischen Newcomer BLACK TRIP hinterlässt Verwunderung. Bei gleich drei Ex-Mitgliedern der Black-Metal-Combo Nifelheim hätte man kaum NWoBHM erwartet. Einschlägig vorbestraft sind dagegen Joseph Tholl und Jonas Wikstrand, die sonst bei Enforcer deutlich stilechter der älteren Musik huldigen. Da aber angeblich alle Bandmitglieder schon lange beinharte Fans der Ära des „echten“ britischen Stahls sind, will man mal nicht so sein und hört sich an, was auf „Goin‘ Under“ passiert.
Und das verdient von vorne bis hinten das Prädikat „authentisch“. Von der etwas schraddelig-dünnen, aber sehr atmosphärischen Produktion über den markanten Gesang bis hin zu den präzisen Riffs ist wirklich alles so, wie es sein soll. Selbst bei der kurzen Spielzeit von nur knapp 35 Minuten – offensiv beworben als „ohne Füllmaterial“ – scheint man eher die Schallplatte als die Compact Disc im Hinterkopf gehabt zu haben. Das mag für dieses Genre durchgehen, weil die meisten beinharten Fans ohnehin zum Vinyl greifen werden, ist objektiv betrachtet aber etwas knapp bemessen.
Man wird es verzeihen, denn musikalisch ist wirklich jeder einzelne Song ein kleines Highlight. Irgendwo neben ganz frühen Iron Maiden („Voodoo Queen“!) und Saxon, aber mit leichtem Blues-Einfluss, sitzt fast jedes Riff des Albums, zumal Abwechslung auf „Goin‘ Under“ groß geschrieben wird. Neben klassischem Material wie „Putting Out The Fire“ können BLACK TRIP auch aufs Gaspedal drücken, wie sie mit „No Tomorrow“ beweisen. Ein echter Höhepunkt ist „Tvar Dabla“ mit seinem eingängigen Refrain, aber auch der Titelsong „Goin‘ Under“ ist durch seinen dynamischen Rhythmus ein wahres Vergnügen. „Thirst“ schließlich kratzt an dem Optimum dessen, was man im NWOBHM an Balladen machen kann – großes Kino. Und zu guter letzt: So „1980“ wie „Radar“ war wohl kein Song der letzte Jahre.
Obwohl also im Großen alles mehr als in Butter ist, bleibt trotz des Lobes eine Frage: Muss NWoBHM 2014 wirklich genau so klingen wie 1980? BLACK TRIP machen alles richtig mit „Goin‘ Under“ – nur, dass sie auf jede Variation der bekannten Elemente verzichten und keine eigene Note in ihr Spiel einbringen. Das wird sicher keinen Fan des Genres stören, der mit „Goin‘ Under“ ein großartiges Album bekommt. Dennoch schleicht sich zwischendrin der Zweifel ein. Auf Dauer werden BLACK TRIP so nicht musizieren können. Gegen diese Momente der Schwäche hilft freilich ein weiteres Rezept aus den 80ern: Musik lauter drehen, Luftgitarre raus und Spaß haben!
Wertung: 8.5 / 10