Eine eher untypische Veröffentlichung für das Label Agonia, das für seinen Schwerpunkt auf Death, Thrash, aber vor allem Black Metal der extremen Sorte bekannt ist, steht mit dem neuen Album von BEISSERT ins Haus. Das mit fünf Jahren Bandgeschichte noch relativ junge Dresdner Quartett um den gleichnamigen Sänger, der zuvor schon bei den Kollegen von Gorilla Monsoon aus der sächsischen Landeshauptstadt am Mikrofon aktiv war, liefert mit „The Pusher“ nun sein zweites Full Length-Album ab.Dieses bietet eine solch profunde Auswahl an Genres von zähflüssigem Doom über wütenden Hardcore und derbem Death Metal bis hin zu fast poppigem Hardrock, dass man sich bei dem Versuch, dieses Werk in wenigen Worten stilistisch zu charakterisieren, sprichwörtlich die Zähne ausbeißt (Wortspiel unbeabsichtigt). Vergleiche mit anderen Bands wie Pantera, Neurosis, Hatebreed, Tool und auch Nevermore, die mir in der Promo-Info zu Dutzenden ins Gesicht springen, werden hier höchstens einzelnen Songs gerecht, denn BEISSERT haben trotz etlicher hörbarer Einflüsse einen einzigartigen Sound, der im Folgenden näher betrachtet werden soll.
Der Titeltrack bildet den unvermittelten, brachialen Einstieg, Gefangene werden keine gemacht, fettes Riffing und das zornige Organ von Sänger Beissert wechseln sich mit Doublebass-Salven und disharmonischen Gitarrensoli ab, bis plötzlich in der Songmitte voll auf die Bremse getreten wird und eine Kinderstimme stoisch und beklemmend ins Mikrofon säuselt, ehe sich der Song zu seinem heftigen Finale aufbäumt. Im Gegensatz zum englischen Titel wird hier auf deutsch gesungen, auch bei den übrigen Liedern lässt sich von Songtitelsprache nicht auf Gesangssprache schließen. „Die Dunkelheit Uns Mit Sich Nimmt“ spannt die Hardcore-Ausrichtung des ersten Tracks weiter, erinnert durch seine Rock’n’Roll-Schlagseite jedoch auch an die Amis von Clutch. Mit „Die Fabelhafte Welt Der Agonie“ folgt ein überraschendes Piano-Interlude, dass nicht nur aufgrund des Titels an den französischen Film mit Audrey Tautou erinnert, bevor sich der Vierer in „Saxon:Blood:Rock“ an einer musikalischen Selbstcharakterisierung versucht. Dementsprechend ist die Nummer stilistisch vielfältig, mal stürmisch, mal melodisch, mit klarem Gesang und aggressiven Shouts, wenngleich kein Höhepunkt des Albums. Dafür ist der straighte Rocker „Uphillfight Against The Sun“ mit seinen hymnischen, zweistimmigen Gitarren umso besser und versprüht hier und da etwas Southern Metal-Flair. Mit „Unaussprechlichen Kvlten“ wird es dann wieder etwas progressiver. Das Lied beginnt mit Naturvolk-Gesängen, deren Tribal-Charakter durch das einsetzende Drumming unterstützt wird, bis es sich nach einem tobenden Instrumentalsturm in eine druckvolle, mit Doom flirtende Rocknummer verwandelt.
Die zweite Hälfte von „The Pusher“ wird von der unbekümmerten Gute Laune-Nummer „Durch Die Haare In Das Kind“ eingeläutet, die ob ihrer Fröhlichkeit verglichen mit den vorherigen, eher düsteren Tracks schon fast deplatziert wirkt. Der Hintergrundgesang dudelt in den Strophen die Gitarrenspur mit und der Sänger bietet im Refrain seine Fähigkeiten im Falsetto-Gesang dar. Eine Drehung um 180 Grad stellt da „Eerie Discipline“ dar, ein schleppender, melancholischer Doom-Bolzen mit Akustikpart, der immer wieder an Danzig denken lässt. Hinter dem bizarren Titel „Aal ins Gekroese“ verbirgt sich ein wütender Uptempo-Track mit Hardcore-Trademarks, bevor es mit „Yggdrasil“ wieder etwas melodischer und auch poppiger wird. In den Strophen brüllt sich Sänger Beissert zwar auch hier die Seele aus dem Leib, die Nummer verfügt jedoch über einen Refrain mit Akustikbegleitung und übelstem Ohrwurmcharakter, der selbst Stromgitarren-Allergiker zu begeistern vermag. Das folgende „Bloodsown“ beginnen BEISSERT dann wieder absolut hart und brutal, nehmen im Refrain aber zugunsten von melodischem Gesang den Fuß etwas vom Gaspedal. Als Rausschmeißer bieten uns die Dresdner mit „Gedanke und Erinnerung“ einen fast neunminütigen Brocken, der zunächst klingt, als würde man auf einem Festival zwischen zwei Bühnen stehen, auf denen zeitgleich Crowbar und Life of Agony spielen und je nach Windrichtung kommt der entsprechende Soundfetzen beim Hörer an – mit dem Unterschied, dass es hier irgendwie passt. Eine Bridge in der Songmitte geht schließlich in den finalen, ausgiebigen Solo-Part über, ehe eine träumerische Piano-Melodie das Ende des Albums besiegelt.
Nach 50 Minuten ist die musikalische Achterbahn der Stile vorbei und man weiß nicht so recht, was da nun eigentlich gerade passiert ist. „The Pusher“ ist kein Album, das nach dem ersten Durchlauf zündet, doch wenn man ihm eine Chance gibt, ergibt diese auf den ersten Blick geheimnisvolle und wilde Mischung einen Sinn, und genau das ist es, was man BEISSERT hoch anrechnen muss: Die Sachsen haben das Kunstwerk vollbracht, allerhand musikalische Strömungen zu einem sinnvollen Ganzen zu verschmelzen, sie erzeugen die verschiedensten Atmosphären und lassen dabei doch stets einen individuellen Stil durchscheinen. Vor allem diejenigen ohne Scheuklappen auf den Ohren, die von einem Album nicht vom ersten bis zum letzten Lied denselben Einheitsbrei erwarten, werden in „The Pusher“ einen guten Freund finden.
Wertung: 8 / 10