Review August Burns Red – Guardians

In der Zwischenzeit ist es alles andere als unangebracht, AUGUST BURNS RED als die Institution des Metalcores zu bezeichnen. Während Parkway Drive sich in Gefilden bewegen, die sowohl den 70-jährigen Black-Sabbath-Fan wie auch den 15-jährigen Rebellen stimulieren und As I Lay Dying nach ihrem Comeback noch nach der Top-Form suchen („Shaped By Fire“ war gut, aber leider auch nicht überragend), ziehen die Amis in Höchstgeschwindigkeit vorbei an die absolute Speerspitze des einst kritisch beäugten Subgenres. Ob sie den Thron letztendlich erklimmen können, hängt allerdings auch von ihrem nunmehr achten Album „Guardians“ ab.

Derweil gibt sich Gitarrist Brent Rambler im Promo-Text zum neuesten Album relativ bescheiden: „Ich hoffe, dass sich die Leute hinsetzen und lächeln, wenn sie es hören – und es live sehen wollen.“ Klingt dies erst einmal nicht nach den großen Worten, die einen oft im Vorfeld eines neuen Albums erwarten, stellen sich den Fans drei Fragen: Nehmen AUGUST BURNS RED lieber den simplen Weg und filtern ihre Musik auf das Nötigste, damit sie runter geht wie Wasser, oder aber bleiben sie ihrem verspielten, technisch atemberaubenden Stil treu? Und wenn ja, gelingt es ihnen zeitgleich, das hohe Niveau der Vorgänger zu halten? Allein dies sollte bereits eine besondere Kunst darstellen – so ist die Band in der Metal1.info-internen Wertung bisher erst einmal unter die Marke von acht stolzen Punkten geraten.

Doch auch mit „Guardians“ nehmen die Mannen den Hörer auf eine wilde Fahrt durch die Extremen des Metalcores und darüber hinaus mit. So flirrt in der einen Sekunde noch die tiefer gestimmte hohe e-Saite, im nächsten Moment poltert einem ein Breakdown entgegen und auch die tanzbaren, genreüberschreitenden Passagen dürfen natürlich nicht zu kurz kommen. Im Endeffekt liefern AUGUST BURNS RED alles ab, was sie seit eh und je auszeichnet – und doch ist diesmal etwas anders: Hat die Band auf den letzten Alben ihren Stiefel auf äußerst hohem Niveau knallhart durchgezogen, so finden sich auf „Guardians“ einerseits die vielleicht zugänglichsten Tracks ihrer Karriere, andererseits aber auch die womöglich härtesten Breakdowns und Mosh-Parts.

Als Paradebeispiel hierfür kann man zwei der vorab veröffentlichten Songs hernehmen: „Bones“ wirkt wie eine Hommage an Soilwork der „Figure Number Five“- und „Stabbing The Drama“-Ära – stets mit unverkennbarem AUGUST-BURNS-RED-Riffing – während „Defender“ in seiner Struktur überraschend einfach daherkommt, die Jungs gegen Ende allerdings mit einem der fettesten Breaks ihrer Karriere aufwarten. Dazwischen findet sich selbstverständlich eine Unmenge an technisch versierten Riffs, passend eingesetzten Soli und ein Jake Luhrs in Höchstform. Bereits mit dem Opener stellen die Amerikaner die Weichen auf Sieg: In „The Narrative“ wird allen Weichspülern nicht nur eine klare Kante gezeigt, die Gitarrenfraktion um JB Brubaker und Brent Rambler beweist darüber hinaus ein grandioses Zusammenspiel. Während sich JB auf der Lead-Gitarre mit lang gezogenen hohen Tönen in die Gehörgänge spielt, liefert Rambler gemeinsam mit Bassist Dustin Davidson ein Riff ab, das sich wie eine Mauer aus Stahlbeton vor einem aufbaut und man mit Vollgas und einem Lächeln im Gesicht dagegen fahren will.

AUGUST BURNS RED gelingt es par excellence, ihren altbewährten Trademarks einen neuen Anstrich zu verpassen. So waren „Phantom Anthem“ oder „Found In Far Away Places“ absolut hochwertig, folgten allerdings einem klaren und bekannten Muster. „Guardians“ hingegen überzeugt mit frischeren, aggressiveren und melodischeren Tracks. So findet sich auf „Lighthouse“ erstmals – Jeremy McKinnons (A Day To Remember) Feature auf „Ghosts“ ausgenommen – ein clean gesungener Refrain, „Extinct By Instict“ brilliert mit erfrischenden Salsa-Elementen, die man seit der 2011er Platte „Leveler“ nicht mehr in dieser Qualität gehört hat, und „Ties That Bind“ erweckt mit seinen eingängigen Melodien sogar Erinnerungen an den Band-Klassiker „Marianas Trench“. Darüber hinaus ist Matt Greiner nicht nur einer der ganz wenigen Drummer, deren Soli live verdammt viel Spaß machen, sondern liefert auch auf der neuesten Platte wieder ein famoses und abwechslungsreiches Spiel zwischen Blast-Beats, gezielt eingesetzten Fills sowie treibenden und beeindruckenden Rhythmen.

„Guardians“ ist somit nichts anderes als der erste Metalcore-Meilenstein der 20er-Jahre. AUGUST BURNS RED erschaffen eine Hundertwasser-Fassade aus verspielten Riffs, grandiosen Soli und hinterhältigen Breakdowns, bei der jedes Mosaik es wert ist, einzeln betrachtet zu werden. Denn sobald das sechseinhalbminütige Meisterstück „Three Fountains“ mit seinen letzten Tönen erlischt, bleibt einem nichts anderes übrig, als das Ganze nochmal laufen zu lassen. Und nochmal. Und nochmal. So bleiben am Ende noch zwei Dinge zu klären. Erstens: Man sitzt nicht nur mit einem Grinsen, sondern einem breiten Lächeln da, wenn man „Guardians“ hört. Zweitens: Wie episch ist eigentlich das Metal-meets-Marvel-meets-Jurassic-Park-Video zu „Defender“?!

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Silas Dietrich

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