Juli 2021

Review At The Gates – The Nightmare Of Being

In Flames sind – wenngleich in den Medien und auf Festival-Billings groß wie nie – nur noch ein Schatten ihrer selbst, und spätestens mit dem Ausstieg von Anders Jivarp ist nun auch die Zukunft von Dark Tranquillity fraglich geworden. Zum Glück gibt es da noch AT THE GATES, die seit über 30 Jahren unermüdlich die Fahne des Melodic Death Metal der Göteborger Schule hochhalten. Nur drei Jahre nach ihrem etwas sperrigen Album „To Drink From The Night Itself“ melden sich die Schweden mit „The Nightmare Of Being“ zurück – und liefern nicht nur wieder auf höchstem Niveau ab, sondern wissen einmal mehr zu überraschen.

Düster und zugleich alles andere als stumpf waren AT THE GATES schon seit jeher. Mit ihrem nunmehr siebten Studioalbum setzen sie in allen Punkten nochmal einen drauf. Während Tomas Lindberg weiterhin erfrischend kraftvoll growlt und shoutet, gelingt es der Instrumentalfraktion, Härte, Melodik und Progressivität perfekt in Einklang zu bringen. Songs wie „The Paradox“ zeigen das sehr anschaulich. Ein guter Mix aus rabiatem Riffing und catchy Melodien, spannend arrangiert mit einigen kleineren Breaks, macht den Track zu einem absoluten Melo-Death-Hit. Auch der Titeltrack „The Nightmare Of Being“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie man Atmosphäre kreiert. Hier trifft sanfte Melodik zarter Cleangitarren auf die Wucht tonnenschweren Riffings – düsterer und zugleich melancholischer hat man AT THE GATES noch nicht gehört. Und dann legen die Schweden mit „Garden Of Cyrus“ einfach noch einen drauf, gehen straight in Richtung Prog Metal und krönen diesen Abstecher mit einem epischen Saxophonsolo.

Generell verdient die Instrumentierung von „The Nightmare Of Being“ besondere Beachtung. Nicht nur, dass Andy LaRocque (King Diamond) für den Opener ein Solo beisteuert – auch ist die Bandbreite an Instrumenten, die auf dem Album zum Einsatz kommt, enorm: Fagott und Basstuba, Cello und Klarinette, Flöte und Orgel, Geige und Bratsche … man könnte meinen, AT THE GATES hätten ein Klassik-Album aufgenommen. Wirklich bemerkenswert ist aber nicht die bloße Fülle an für Death Metal eher ungewöhnlichen Instrumenten, sondern dass AT THE GATES es verstehen, diese vergleichsweise subtil einzusetzen. Zwar trumpfen sie im Intro zu „Touched By The White Hands Of Death“ auch mal kräftig auf, ansonsten bleiben die klassischen Instrumente stets songdienlicher Bestandteil des Gesamtwerks. An Details, die es zu entdecken gibt, mangelt es dem Album entsprechend nicht.

Als wäre mit derart vollgepackten 45 Minuten Musik nicht genug geboten, legen Century Media in der Limited-Edition des Albums noch eine zweite CD mit Live-Material obendrauf. Dass es sich dabei nicht um einen kompletten Live-Mitschnitt handelt, sondern Einzeltracks vom Roadburn-Festival, aus Stockholm und San Francisco ist schade – wäre doch gerade die Roadburn-Show in voller Länge hörenswert gewesen. Hier werden AT THE GATES von den großartigen Gastmusikerinnen Anna von Hausswolff und Jo Quail begleitet. Als Bonus kann man diese Live-Compilation aber durchaus mitnehmen.

Mit ihrem neuen Album übererfüllen AT THE GATES einmal mehr das Soll. „The Nightmare Of Being“ ist das Melodic-Death-Metal-Album, das man sich von einer Genrelegende erwartet – und doch so viel mehr. Fans progressiver Klänge, wie man sie sonst eher von Opeth und Konsorten zu hören bekommt, dürften sich hier ebenso gut unterhalten fühlen wie Freunde des klassischen Melodic Death Metals. Das muss AT THE GATES erst einmal einer nachmachen.

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Wertung: 9 / 10

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