Ashenspire - Hostile Architecture Cover

Review Ashenspire – Hostile Architecture

Nirgends leben so viele Menschen auf so engem Raum miteinander wie in der modernen Metropole. Diesem Reichtum an Leben steht vielerorts jedoch eine geradezu lebensfeindliche Umgebung gegenüber: Betonwüsten, so weit das Auge reicht; brüchige, asbestverseuchte Massenwohnbauten, nur einen Kabelbrand von einem flammenden Inferno entfernt; Parkbänke, die sich Obdachlosen mit perfide platzierten Metallstangen als Schlafplatz verwehren. An diesen Schauplätzen nimmt der menschenverachtende Geist des Kapitalismus eine physische, begehbare Gestalt an – und bleibt doch von so vielen unbemerkt. Auf ihrem eindringlichen zweiten Album „Hostile Architecture“ klagen ASHENSPIRE das an diesen Orten des Elends umgehende Gespenst jedoch mit nicht zu ignorierender Deutlichkeit an.

Wie schon auf ihrem eindrucksvollen Debüt „Speak Not Of The Laudanum Quandary“ (2017), auf dem die schottische Avantgarde-Black-Metal-Gruppe die Gräueltaten des britischen Imperialismus anprangerte, greifen ASHENSPIRE damit ein Thema von immenser Bedeutungsschwere auf. Anders als der Vorgänger, der sich mit seinen ausgedehnten, von elegantem Geigenspiel geprägten Stücken und seinen dichterischen, von Vergangenem (wenn auch bis heute Relevantem) kündenden Texten eher wie eine Geschichtsstunde anfühlte, ist „Hostile Architecture“ ein brutal(istisch)er Schlag ins Gesicht.

Die Zeilen, die Frontmann und Drummer Alasdair Dunn mit der Theatralik und dem rechtschaffenen Zorn eines Mister Curse (A Forest Of Stars) ausspeit, zeichnen mit harten Worten das Bild einer noch härteren Ausbeutungsgesellschaft: „Always three months to the gutter / never three months to the peak / another day to grind your fingers / for the simple right to eat […] this is not a house of amateurs / this is done with full intent“ („The Law Of Asbestos“). Doch nicht nur Dunns Texte und Performance haben merklich an Schärfe gewonnen. Wie um der existenziellen Dringlichkeit ihrer Botschaft gerecht zu werden, haben ASHENSPIRE ihren Sound wie eine Waffe geschliffen.

Ausgedehnte Stücke wie das von Otrebor (Botanist) mit ominösem Hackbrettspiel ausstaffierte „The Law Of Asbestos“ gibt es zwar weiterhin, dazwischen finden sich diesmal aber auch kurze Brecher wie das getriebene „Tragic Heroin“. Gitarre und Schlagzeug werden von ASHENSPIRE furioser denn je bearbeitet, das dramatische Geigenspiel tritt in den Songs hingegen einen Schritt zurück. Die Raserei der Band ist allerdings nicht bloß wüstes Gekloppe, sondern hat Methode. So haben zwischen und in den brachialen Tracks auch interessante Einschübe wie das opernhafte, pathetische Zwischenspiel „How The Mighty Have Vision“ und ein verspieltes, oft qualvoll schreiendes Saxophon Platz – Imperial Triumphant lassen grüßen („Apathy As Arsenic Lethargy As Lead“).

„Hostile Architecture“ ist sowohl musikalisch als auch konzeptionell nicht weniger als eine Revolution und damit genau das Album, das die zunehmend kommerzialisierte (Black-)Metal-Szene so bitter nötig hat. Zweifellos wird es ein Nischendasein fristen, so wie auch der Kampf gegen Faschismus, Kapitalismus, Imperialismus und das Patriarchat nicht auf den großen Bühnen, sondern hinter den Kulissen ausgetragen wird – überall dort, wo Menschen sich auf lokaler Ebene zusammentun, um einander zu helfen und Missstände zu beseitigen. In seiner nichts beschönigenden Grimmigkeit ist „Hostile Architecture“ ein kleiner, aber unfassbar mitreißender und bedeutsamer Beitrag in diesem von den Vielen geführten Kampf. Denn wie ASHENSPIRE in „Tragic Heroin“ so inbrünstig proklamieren: „There are no great men / only the great many“.

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Wertung: 10 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

2 Kommentare zu “Ashenspire – Hostile Architecture

  1. Cooles Review. Aber inwiefern ist denn der BM mehr und mehr durchkommerzialisiert? Klar, an den oberen Rändern, aber darunter ist doch ein Tummelplatz für Bands, die viel eher um ein eigenes Profil bemüht sind als um eine eigene Yacht. Was alleine in Deutschland (Helrunar, Ruins of Beverast …) Island (Sinmara, Svartidaudi, Almyrkvi), Polen (Mgla, Cultes des Ghoules, Medico Peste) und Frankreich (Aosoth, Blut aus Nord, Glorior Belli) vom Stappel gelassen wird, scheint mit einem Begriff wie „Kommerz“ nicht zu greifen zu sein.

    1. Hi Chris,

      danke für das anfängliche Lob! Was hältst du denn von dem Album?
      Im Grunde hast du es ja eh schon angemerkt – die bekannteren BM-Bands sind nach Pop-Maßstäben zwar immer noch kleine Fische, aber agieren doch schon mit einem gewissen Kalkül. Klar, der Undergound existiert davon unbehelligt, aber das Genre als Ganzes wird natürlich schon von den bekannteren Bands geprägt. Und da sehe ich schon eine Veränderung. Die Anfänge des Genres (die ich keinesfalls romatisieren oder idealisieren will – da waren ja mitunter abscheuliche Charaktere involviert) waren halt wirklich kompromisslos und bahnbrechend. So etwas ist von der Speerspitze des Genres inzwischen nicht mehr zu erwarten – es gibt gängige Stilmittel und die werden halt routinemäßig eingesetzt. Und sogar im Underground wird oft nur Bekanntes wiedergekäut. Aber natürlich gibt es weiterhin besondere Bands – und Ashenspire sind meiner Meinung nach eine solche. :)

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