Review ArthemesiA – a.O.a.

Wie ich schon mal in einem anderen Review schrieb (ich glaube es war Elffor) ist es immer eine feine Sache, wenn man seine Erwartungen anzupassen weiß. Das versuchte ich auch im Vorfeld der Veröffentlichung von „a.O.a.“, dem zweiten Album der finnischen Melo-Sympho-Black Metaller ARTHEMESIA. Die waren nämlich runde acht Jahre fast vollständig von der Bildfläche verschwunden und machten nur hin und wieder mit neuen Promo-Veröffentlichungen auf sich aufmerksam. Dabei war das so ursprünglich gar nicht geplant. 1994 als Celestial Agony gegründet kloppten sie unter ihrem neuen Namen erst zwei Demos und dann über Native North Records ihre erste Scheibe „Devs – Iratvs“ heraus. Was hier genau passierte weiß ich nicht, aber ich schätze die Sache so ein: Offenbar glaubte niemand an so einen großen Erfolg und deswegen legte das Label die Scheibe in sehr kleiner Stückzahl auf, dann wurden plötzlich die zwei großen Namen im Lineup, Jari Mäenpää und Kai Hahto, quasi populärer als Gott und sofort verkaufte sich das Ding wie geschnitten Brot, weswegen es heutzutage quasi unmöglich ist, die CD zu einem bezahlbaren Preis zu bekommen (glücklicherweise kriegt man große Teile davon legal im Internet, darunter das großartige „Ancestor Of Magick“, vielleicht einer der besten Songs, den ich je gehört habe). Schade. Danach verschwanden ARTHEMESIA wie gesagt von der Bildfläche. Zwar unterschrieben sie für die nächste CD bei Hammerheart Records, schossen während den Aufnahmen aber ihren Drummer ab und standen lange Zeit ohne da, so dass es bei einer 6-Track-Promo blieb. Erneut ward es still um die Finnen. Und plötzlich haben sie einen Vertrag bei Spikefarm und kommen mit der zweiten CD daher. Na dann wollen wir die Ansprüche doch mal anpassen…

Lieber doch nicht, ist nämlich gar nicht nötig. Ja, ich zweifelte daran, dass die Band so mir nichts dir nichts ein gutes Album auf den Tisch legen könnte und versuchte deswegen nicht zu viel zu erwarten, doch dieser kleine nagende Zweifel namens „Ancestor Of Magick“ blieb da in meinem Hinterkopf. Eine Band, die so einen Hammersong aufgenommen hat, kann doch eigentlich danach nur noch etwas schwächeres abliefern. Auch bei der Trackliste war ich etwas verwundert… Auf „Devs – Iratvs“ spielte man noch ziemlich kompakte Musik, da waren drei Tracks mehr drauf und sie war trotzdem ein ganzes Stück kürzer als „a.O.a.“, hier hingegen wird voll auf Überlänge gesetzt. Kann ja ganz gern schief gehen… Allerdings belehrten die Finnen mich eines besseren, denn kaum hatte ich „a.O.a.“ zum ersten Mal in den Player gelegt, schon wurde ich nach allen Regeln der Kunst umgepustet. Und das lag nicht nur an der Lautstärke des Materials (das Intro „Of The Owls, Of The Wolves And Of The Nature“ – ja ja, die liebe Grammatik, das letzte „the“ streichen wir aber nächstes mal, okay? – ist ziemlich leise, deswegen drehte ich schon eifrig an der Lautstärkeregelung herum, so dass mich die ersten verzerrten Takte von „Valkoinen Susi“ quasi wie ein Dampfhammer in die Magengrube trafen), nein Sir, ARTHEMESIA schütteln nämlich mit „a.O.a.“ völlig selbstverständlich ein Album aus dem Ärmel, für das jede Band, die halbwegs bei Trost ist, sofort ihre Schwiegermütter verkaufen würde.

Das mag jetzt wie eine herbe Überraschung klingen (vielleicht auch nicht, vielleicht geht’s nur mir so), denn ich war immer der Ansicht, dass melodischer Black Metal ein ziemlich vernachlässigbares Genre ist. Nett zu hören, aber was wirklich besonderes findet man selten, meistens definiert sich die Klasse einer Band dieses Genres nur über die Qualität ihrer Melodien und weniger über sonstige Meriten. Aber ARTHEMESIA zeigten mir ein weiteres Mal wo der Hammer hängt, denn was sie hier zusammenspielen ist schlicht und ergreifend Musik für die Ewigkeit und etwas, was ich in der Form noch nirgendwo anders gehört habe. Heftiges Gekeife aus der Kehle von Alpha Valtias vermischt sich mit Chören, coolen Melodien, einmaliger Atmosphäre und einem Spannungsbogen, der seinesgleichen sucht. Ja wahrlich, ARTHEMESIA haben hier so verflixt gute Songs geschrieben, dass ich sie dafür am Liebsten knutschen würde. Einerseits ist die ganze CD nämlich unglaublich atmosphärisch geraten, mal eher mystisch („a.O.a.“) mal naturalistisch („Valkoinen Susi“), mal episch („The Noble Element“). Und am Ende von „Liber Omega“ wird sogar noch der gesampelte Krieg ausgepackt. Cool. Andererseits ist der Spannungsbogen wie schon angedeutet wirklich bewundernswert. Klar, ARTHEMESIA erfinden die moderne Melodieführung nicht neu, eigentlich sind ihre Songstrukturen auch gar nicht so unvorhersehbar. Man weiß eigentlich immer schon was als nächstes kommt (was die CD extrem eingängig macht), aber wenn es dann kommt… Woah, das kommt einem musikalischen Orgasmus schon sehr nahe. Wenn Valtias bei „Patheme“ bleistifthalber nach einem ruhigeren Part mit den einsetzenden verzerrten Gitarren in einem einzigen unartikulierten Schrei die ganze aufgebaute Spannung entlässt, dann ist damit zwar das Rad nicht neu erfunden, aber Hölle noch eins, es funktioniert so unglaublich gut.

Dem zuträglich sind drei weitere Dinge. Zum Einen die verflixt schicke Produktion des Materials. Das Zeug ist druckvoll bis zum geht nicht mehr, extrem transparent, hat aber vor allem im Bezug auf den Gesang noch genug Ecken und Kanten, um nicht zu glatt gebügelt rüberzukommen. Zum Zweiten sind die technischen Fähigkeiten der drei Finnen hervorragend, die Soli sind anspruchsvoll, das Drumming versiert, Valtias‘ Gesangsleistung ist absolut zufriedenstellend. Und der dritte Punkt, der das Zeug hier auf eine höhere Daseinsebene hebt, ist eine extrem nette Offenheit für fremde Stilelemente. Da werden klassische Heavy Metal-Soli eingeflochten, folkloristische Keyboard-Teppiche ausgebreitet, hin und wieder mal etwas Doom eingestreut und (aufgemerkt jetzt, so was haben zwar Nachtmystium schon gemacht, aber ARTHEMESIA setzen noch einen drauf) beim Rausschmeißer „Liber Omega (& The Macrocosm Manifest III)“ kommt im Mittelteil plötzlich ein extrem entspanntes Saxophon um die Ecke und baut trotz allem noch mal eine extreme Spannung auf. Befremdlich, ja. Aber sau cool.

Und das kann man quasi auf die komplette CD übertragen. „a.O.a.“ ist eine etwas befremdliche Erfahrung, aber wenn man sich drauf einlassen kann (also doch irgendwo „adjusting the expectations“), dann ist die Scheibe von vorne bis hinten einfach nur bestens gelungen. Halt, nein, perfekt ist sie doch nicht, aber welche CD ist das schon? Eigentlich gibt’s doch irgendwo immer einen Kritikpunkt und den muss ich hier jetzt auch mal nach außen kehren: Das Einsetzen von Valtias‘ Stimme bei „Patheme“ bei rund 4:40 (als er zum ersten Mal „In the forest“ keift) gefällt mir nicht ganz so gut. Und das war’s auch schon mit negativen Punkten. „a.O.a.“ ist schlicht und ergreifend großartig und wahrscheinlich das Beste, was ich dieses Jahr gehört habe (und wäre letztes Jahr nicht „Urfe“ gekommen, dann könnte ich dieses Prädikat noch ausweiten). Und deswegen tu ich jetzt etwas, was ich noch nie zuvor getan habe (obwohl Agrypnies „Exit“ es eigentlich doch verdient hätte), nämlich bei einer Promo-CD, die ich nicht schon seit Jahren kenne und liebe, die Höchstpunktzahl zücken.

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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