Jetzt hat der Spaß ein Loch, und zwar ganz offiziell: Denn „Khram“, das achte Album der russischen Pagan-Folk-Metaller ARKONA, ist erschienen und handelt mit düsterer Stimmung und rigoroser schwarzmetallischer Brutalität sämtlichen Konventionen dieses Genres zuwider – und macht dabei eine bemerkenswert gute Figur.
Sicher, ARKONA waren seit jeher eine Gruppe, deren folkig angereicherter Pagan Metal auf Atmosphäre ausgelegt war und sich eher durch Anmut denn durch inflationären Einsatz von verspielten Melodien in die melancholischen Herzen der Hörer spielte. Die eine oder andere Partytaugliche Nummer hatte die Band dennoch stets in ihrem Repertoire. Doch was spätestens mit dem 2014er Vorgänger „Yav“ begann, erreicht auf „Khram“ seinen Höhepunkt.
Bereits im Intro „Mantra“ ist rein gar nichts beschwingt oder feiertauglich: Unheilvoll geflüsterte und gegurtelte Vocals, die auch aus einem Horrorfilm stammen könnten, etablieren eine wirksame Grundstimmung. Direkt im Anschluss hauen uns ARKONA dann mit „Shtorm“ den ersten richtigen Song zwischen die Beine, der erst einmal eine ordentlich drückende, aggressive Gitarrenwalze entlädt. Viel entspannter wird die Angelegenheit innerhalb der folgenden fünf intensiven Minuten auch nicht, die Folk-Elemente spielen sich im zumeist im Hintergrund ab und transportieren deutlich mehr Melancholie und Düsternis als Feierlaune und Sängerin Maria Archipowa beweist einmal mehr, dass sie ihren Beinamen „Scream“ nicht ausgewürfelt hat.
Ist diese Keule dann verdaut, stellen uns ARKONA schonungslos vor das Ungetüm des Albums: Mit über 17 Minuten Spielzeit ist „Zheluva Zhizn’“ der mit Abstand längste Song der Platte und weiß diese Lauflänge zu nutzen. Bedächtig ruhige Passagen mit getragenem Cleangesang alternieren mit energetischen Ausbrüchen, Trommeln, melancholische Folk-Parts und Kinderstimmen komplettieren das Klangbild nach und nach. Während bei manch anderer Band ein Song mit halber Lauflänge zu einer quälend langgezogenen Angelegenheit werden kann, verstehen ARKONA sich darauf, hier keine Minute langatmig oder überflüssig wirken zu lassen. Ein großer Ohrenschmaus!
Das setzt sich im Grunde genau so über die üppige Spielzeit von sage und schreibe knapp 80 Minuten fort, die letzten Ende wohl das Einzige ist, was sich „Khram“ ankreiden lassen muss. Die Band leistet sich zwar keinen schwachen Song, doch der Umstand, dass bis auf „Shtorm“ und das mit unter 8 Minuten im Albumkontext gesehen beinahe schon kurze „V Pogonie Za Beloj Ten’yu“ alle Songs Überlänge aufweisen, macht es auf Dauer schwer, der Platte wirklich vollauf konzentriert zu folgen. Ironischerweise kommt gerade beim schon erwähnten 17-Minuten-Giganten „Zheluva Zhizn’“ keine Langatmigkeit auf, obschon hier natürlich auch mit Wiederholungen gearbeitet wird. Was die anderen Songs jedoch angeht, wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, sie doch an der einen oder anderen Stelle ein wenig zu straffen.
Eines sollte dem Hörer klar sein, bevor er sich an „Khram“ heranwagt: Es ist mitnichten ein einfaches Album. Die Songs benötigen mehrere Durchläufe, bis sie sich vollkommen erschließen, Eingängigkeit ist nur partiell vorhanden. Auf diese Platte muss man sich erst einmal einlassen und sie sich stückweise erarbeiten, denn im Ganzen gehört, entfaltet sie durchaus eine erschlagende Wirkung, die es schwer macht, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Wert ist sie dies jedoch allemal, denn ARKONA haben hiermit ein vollauf gelungenes Klangwerk geschaffen, in dem hörbar viel Herzblut steckt, das sich dem etablierten Stil der Gruppe zuordnen lässt und dennoch unverbraucht klingt. Dazu kann man nur gratulieren!
Wertung: 8.5 / 10