Cuthbert von Lindisfarne war im angelsächsischen Northumbria während des 7. Jahrhunderts ein Mönch und Bischof, der als Heiliger verehrt wird. Er soll zu Lebzeiten mehrere Wunder vollbracht haben, nach seinem Tod wurden seine Gebeine mehrmals exhumiert und an andere Orte gebracht, wobei sein Körper angeblich auch nach Jahrhunderten keinerlei Anzeichen von Verwesung aufgewiesen habe. Was den Winterfylleth-Keyboarder und Philosophiestudierten Mark Deeks dazu angeregt hat, diese so gar nicht metal-tauglichen und wohl allenfalls für Theologiegelehrte spannenden Begebenheiten zum Thema des Debütalbums seines Soloprojekts ARÐ zu machen, lässt sich nur vermuten. Musikalisch hat „Take Up My Bones“ indes einiges zu bieten.
Im Gegensatz zu seiner Hauptband, die melodischen Black Metal mit Folk-Einschlag spielt, kreiert Deeks mit ARÐ Doom Metal der gediegenen Sorte. Schwermütige Gitarrenleads, eine Rhythmusfraktion im getragenen Marschtempo und hymnischer Klargesang bestimmen das Klangbild ebenso wie nüchterne Klavierpassagen von simpler Eleganz und das von Jo Quail als Gastmusikerin beigesteuerte, wehklagende Cello. Sowohl in seinen kräftigeren als auch in seinen keineswegs rar gesäten, sanften Passagen geht von „Take Up My Bones“ eine eminente Erhabenheit aus, die dem lyrischen Inhalt entsprechend Rechnung trägt.
Zudem wartet ARÐ von Song zu Song immer wieder mit stimmigen stilistischen Ergänzungen auf. „Raise Then The Incorrupt Body“ fängt mit seinen Akustikgitarren und seinem gemäßigten Gesang eine mittelalterliche Atmosphäre ein, im Titeltrack und in „Only Three Shall Know“ kommt eine mächtige, ominöse Orgel zum Einsatz und das melancholische Instrumental „Boughs Of Trees“ kommt dank seiner schönen Arrangements auch ohne Vocals sehr gut aus. Welche Stärke in der Ruhe liegen kann, demonstriert ARÐ vor allem im abschließenden Neunminüter „Only Three Shall Know“, der mit seinem finsteren Piano und seinem grimmigen Spoken-Word-Teil schauderhafte Bilder vor dem inneren Auge erscheinen lässt.
Positiv hervorzuheben ist außerdem die wunderbar organische, kraftvolle und ausgewogene Produktion, die die Tracks im denkbar besten Licht erstrahlen lässt. So ist letzten Endes allenfalls kritisch anzumerken, dass Deeks’ persönliches Interesse an der Thematik der Platte selbst durch seine formidable Gesangs- und Instrumentalperformance nicht nachvollziehbar wird, sodass man den Songtexten bis zuletzt distanziert gegenübersteht.
Angesichts der bedenklichen nationalromantischen Tendenzen, die Winterfylleth in ihrem Schaffen an den Tag legen und die wohl auch Deeks bei der Konzeption seines Soloprojekts beeinflusst haben, haftet ARÐ gewiss ein schaler Beigeschmack an. „Take Up My Bones“ ist dementsprechend nur mit Vorsicht zu genießen. Wer die Grenze des Vertretbaren hier noch nicht überschritten sieht, darf sich im Fall von „Take Up My Bones“ an einem nahezu makellosen Doom-Metal-Album erfreuen. Kompositorisch, spiel- und soundtechnisch hat ARÐ auf der dreiviertelstündigen Platte alles richtig gemacht, sodass man sich letztlich bloß von dem mangelnden emotionalen Bezug zu den Texten daran gehindert fühlt, sich für die majestätischen Stücke voll und ganz zu begeistern.
Wertung: 8 / 10