Review Arcturus – La Masquerade Infernale

Mitte der 1990er-Jahre schien der norwegische Black Metal an seine stilistischen Grenzen zu stoßen – er beschränkte sich oft auf gewollte Riff-Monotonie, kreischend-krächzigen Gesang und eine rohe, verwaschene Produktion. ARCTURUS versuchten schon mit ihrem Debüt-Album „Aspera Hiems Symfonia“ einen anderen Weg einzuschlagen: das Verweben der traditionellen, schwarzmetallischen Klangkunst mit Klargesang und großzügig eingesetzten Keyboard-Zwischenspielen. Mit „La Masquerade Infernale“ gehen die Skandinavier noch einen großen Schritt weiter, denn Screams findet man hier genauso wenig wie brachiale Ausbrüche.

ARCTURUS nehmen sich konzeptionell unter anderem die sagenumwobenen Geschichten des Johann Georg Faust zum Vorbild. Schon die ersten Töne des Openers verdeutlichen, wie sich das musikalisch gekonnt umsetzen lässt: „Master Of Disguise“ wird von theatralischem Gesang, mäandrierenden Keyboardmelodien und beunruhigenden Gitarrensoli dominiert und gilt gleichzeitig als Blaupause für das gesamte Album. Man hat stets das Gefühl, Teil eines bizarren Wanderzirkus mit gruseligen Clowns und wunderlichen Artisten zu sein. Anteil an dieser eigenwilligen Atmosphäre haben auch die von Gastmusikern eingesetzten Streichinstrumente. Insbesondere das Quasi-Instrumental „Ad Astra“ wird streckenweise von Streichern (und Bläsern) dominiert und entpuppt sich als eine der schönsten jemals von ARCTURUS veröffentlichten Kompositionen.

Auch der salbungsvolle, teils sprechend vorgetragene Gesang von G. Wolf, eher bekannt als Garm (Ulver), der oft im unteren Bass/Bariton-Bereich bleibt, ist ein weiterer Verstärker der barockartigen Stimmung, die „La Masquerade Infernale“ erzeugt. Unterstützt wird er dabei stellenweise vom aktuellen Frontmann Simen Hestnæs (auch Borknagar), der mit dem pathetischen Einsatz seiner einzigartigen Stimmbänder ebenfalls nicht geizt – ganz im Gegenteil: In „The Chaos Path“, bei dem er die Lead-Vocals übernimmt, klingen ARCTURUS wohl noch einmal ein Stück weit schräger als auf dem Rest der Platte. Man kann über die expressive Art des Gesanges geteilter Meinung sein, ohne diesen würde dieses Album jedoch einen Teil seiner subtil-schaurigen Aura verlieren und in seiner Gesamtheit nicht funktionieren.

Das teils schwer ergründliche, karnevalistisch anmutende Leitmotiv wird hervorragend durch Jan Axel von Blombergs (alias Hellhammer) kreativem Schlagzeugspiel unterstützt und auch die Gitarrenarbeit beschränkt sich nicht auf ein hintergründliches Fundament, sondern übernimmt oft mit flirrenden und abgedrehten Soli die Zügel. Darüber hinaus verleihen die Keyboard-Sounds von Songwriter Steinar „Sverd“ Johnsen der Musik eine gruselige und gleichzeitig faszinierende, fast schon körperlich zu greifende Substanz, die den Hörer wie eine Endlosspirale in seinen Bann zieht.

„La Masquerade Infernale“ ist ein zeitloses Kunstwerk, gebildet durch die Summe seiner hervorragend zusammengesetzten Einzelteile. Sicher, es bedarf Zeit, um dieses irritierende Konstrukt zu entflechten – ist dies einmal geschafft, öffnen sich die Zelte zu einem in dieser Form einzigartigen Klangerlebnis. ARCTURUS ist mit diesem Werk eine ewig glänzende Perle des Avantgarde Metals gelungen und sie werden zu Recht zu den innovativsten Künstlern dieses Genres gezählt.

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Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Sebastian Mighali

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