Review Architects – Holy Hell (-)

Wie kann man weitermachen, wenn ein Mitglied einer Band stirbt, das nicht nur Songwriter, sondern auch Freund und sogar leiblicher Zwillingsbruder war? Über zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass ARCHITECTS-Gründer und -Gitarrist Tom Searle an Krebs verstorben war. Nur wenige Monate, nachdem die Band ihr letztes Album „All Our Gods Have Abandoned Us“ veröffentlicht hatte. Die Mitglieder entschlossen sich dazu, die Band nicht aufzugeben, sondern Tom zu Ehren weiterzuführen. Es folgten Touren, bei denen Sylosis-Gitarrist Josh Middleton Toms Platz einnahm. Auch für „Holy Hell“, das neue Album der ARCHITECTS, übernahm er den Part der Lead-Gitarre.

Natürlich ist es makaber im Kontext eines tragischen Todes von „Chancen nutzen“ zu sprechen. Doch im Laufe der Menschheitsgeschichte entstand schon oft die größte Kunst aus der größten Trauer heraus. „Holy Hell“ hätte also jenes Album sein können, mit dem die Band den Tod ihres geliebten Mitmenschen angemessen verarbeitet. Leider wählte die Formation einen anderen Weg.

War „Gone With The Wind“ vom Vorgängeralbum nach Toms Tod zu einer Art Hymne zu dessen Ehren geworden, haben ARCHITECTS offensichtlich beschlossen, dieses Erfolgsrezept zu kopieren. Beinahe jeder Song auf „Holy Hell“ ist strukturell nach dieser Vorlage konzipiert. Die Wut auf früheren Alben weicht auf der neuen Platte unerträglich schmalzigsten Mitsingrefrains der Marke Stadion-Metalcore. Mag das bei „Gone With The Wind“ aufgrund des fantastischen Songwritings und der gefühlvollen Melodieführung noch wunderbar funktioniert haben, wirkt es hier einfach nur platt und nervt.

Sei es bei „Damnation“, „Modern Misery“ oder „Dying To Heal“: ARCHITECTS verwenden die immergleichen Harmonien, Akkordfolgen und Melodieläufe in den Refrains und steuern damit in banalsten Metalcore-Kitsch. Ausgelutschte Stilmittel wie das kurze Herunterbrechen der Musik auf Synthie-Flächen mit einem sanft darüber gesungenen Refrain, bevor die ganze Band einsetzt, gebrauchen die Briten gleich mehrmals auf dem Album. Die Idee, in Songs wie „Death Is Not Defeat“, dem Titeltrack oder „A Wasted Hymn“ Streicher einzubauen, ist grundsätzlich interessant. Warum man allerdings die Streicher erst physisch mit Will Harvey and The Parallax Orchestra aufnimmt, sie dann aber zu dynamisch leblosen Synthie-Strings umeditiert, muss man als Hörer auch nicht nachvollziehen können.

Doch obwohl die Refrains das Hauptproblem der Platte darstellen, sind es auch die Riffs, die deutlich weniger spannend daherkommen. Recht deutlich zeigt sich auf „Holy Hell“, dass Tom Searle hier wohl für die Kreativität und den unverkennbaren Sound der ARCHITECTS verantwortlich war. 08/15-Riffs wie in „Mortal After All“ oder dem vollkommen misslungenen „Dying To Heal“ hat es zumindest seinerzeit noch nicht gegeben. Dass seine Songwriting-Ideen aber zumindest teilweise noch als Grundlage für die Songs dienten, lässt sich dann doch glücklicherweise noch ausreichend feststellen.

Das tatsächlich emotionale „Hereafter“ etwa punktet mit diversen klassischen ARCHITECTS-Riffs. In „Royal Beggars“ haben ARICHTECTS einen wirklich tollen Verse zustandegebracht.  „Doomsday“, an dem Tom Searle vor seinem Tod noch mitgearbeitet hatte, erweist sich mit seinem fantastischten Hauptriff und seinem unprätentiösen Vorgehen als mit Abstand stimmigster und bester Song der Platte. Das leider etwas unfertig wirkende „The Seventh Circle“ mitsamt Gojira-Riffing dagegen hätte locker zum Albumhighlight werden können, hätte man es zu einem ausführlichen Song weitergesponnen. Seinem Namen alle Ehre macht allerdings leider der Abschlusssong „A Wasted Hymn“. Während „All Our Gods Have Abandoned Us“ mit dem epischen “Memento Mori” einen wuchtigen Schlusspunkt zu setzen wusste, taucht „A Wasted Hymn“ noch ein letztes Mal in jenen zähen Kitsch ein, den auch die meisten anderen Songs auf dem Album durchexerzieren.

Schlecht sind die Songs auf „Holy Hell“ überwiegend zwar alle nicht. Doch die verbliebenen ARCHITECTS haben ihren einzigartigen Stil weichgespült und wissen sich offensichtlich nicht anders als mit abgedroschene Metalcore-Klischees und billigen Songwriting-Kniffen zu helfen. Dass Tom Searle also offensichtlich der entscheidende Qualitätsfaktor hinter der Musik war, lässt für die Zukunft der Band nichts Gutes hoffen. Das letzte von Tom mitgeschriebene Material dürfte mit „Holy Hell“ aufgebraucht sein. Wenn die anderen Mitglieder tatsächlich seine Kunst nicht aufgreifen können, dürfte das der Anfang vom Ende der Band gewesen sein.

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Wertung: 5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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