Manchmal kriegt man sie einfach so auf den Schreibtisch, diese CDs, von denen man beim ersten Anschauen keine Ahnung hat, was man davon halten soll. APRILs zweite Langrille „Anthems For The Rejected“ ist da so ein Fall. Rein optisch musste ich mich doch schon mal kräftig am Kopf kratzen, was das denn eigentlich sein soll. Sowohl Aufmachung als auch Name der Band erinnerten mich nicht gerade an gewöhnlichen Metal. Recherche bei den Metal Archives lieferten mir die Genrebeschreibung „Metalcore“. Mit einem Seufzen schob ich das Scheibchen in den Player und stellte mich darauf ein, etwas zu Ohren zu kriegen, was ich eh schon fünftausend Mal in allen möglichen und unmöglichen Variationen gehört hatte…
Aber APRIL sind anders. Und machen ganz bestimmt keinen Metalcore. Der Opener „The War“ erinnerte mich auf den ersten Lauscher eher an eine abgespeckte Version von Children Of Bodom. Sänger Hakim schreit in bester Alexi Laiho Manier und Stimmlage durch die Landschaft, die Gitarren sind eher minder-hart geraten, Keyboards gibt es auch zur Genüge. Im Refrain ändert sich dann alles zu generischer Blink 182 Pop-Punk-Dynamik. Was zum Teufel…? Das nennt man dann wohl Screamo, würde ich als Laie behaupten, oder?
Auch das folgende „Blades Of Steel“ gibt viel Anlass zum Stirnrunzeln. Hier regiert die leicht weinerliche Emo-Keule. Dahin ist die Aggressivität des ersten Tracks (die sich eh… sagen wir mal „in Grenzen hielt“), dafür wird hier ganz doll gelitten… Toll. Beim ersten Durchhören hatte die CD mich an der Stelle schon vorerst verloren, aber der Song kann im Endeffekt doch etwas. Denn hin und wieder erinnert er an… Ja, an wen eigentlich? Ich grüble und grüble, aber irgendwie kann ich nicht mit dem Finger drauf zeigen…
Auf der Schiene fahren APRIL jedenfalls erst mal weiter, „The Skies Came Alive“ ist ein ganz großer Langweiler mit etwas Kompetenz im Refrain, „Scream“ dreht sich dann wieder in eine ganz andere Richtung, endlich baut sich so etwas wie ein Spannungsbogen in der Musik auf und der Chorus ist richtig genial. Und dann kommt plötzlich das Dreierpack „Trenched & Buried“, „Intermission“ und „Redemption“ um die Ecke. Da sind sie wieder, im Intro des ersten der drei Songs, die Anleihen an… argh, ich komm nicht drauf, wie welche Band APRIL da klingen. Aber der Song ist ziemlich stark, ziemlich nihilistisch ausgefallen und hat einen extrem epischen, genialen Refrain. Jetzt habt ihr mich wieder, Jungs.
„Intermission“ hat dann irgendwie einen sehr… outrohaften Charakter. Das Stück ist nur eine etwa zweiminütige Überleitung von einem Song auf den nächsten, aber es macht Stimmung, hätte sich aber, wie gesagt, besser am Ende der CD gemacht. Und dann kommt er, der Track schlechthin, „Redemption“. Und da sind sie wieder… die „Anleihen“. Jetzt kommt es auf einmal alles zusammen. Die Riffs, der Text, die Gesangslinien, sogar die Stimme von Sänger Hakim erinnert mich plötzlich an ihn. An einen jungen Tom Englund. Scheiße, das sind Evergrey. Ja, „Redemption“ (und auch die vorigen ewigen Anleihen, auf die ich nicht wirklich zeigen konnte) klingt 1A wie ein Song der Kollegen aus Schweden. Und zwar wie ein verdammt guter. APRIL, ihr habt’s geschafft, ich bin überzeugt…
Und dann verkacken sie’s wieder nach allen Regeln der Kunst. Denn nach „Redemption“ hat man das Gefühl, hier würde wieder eine ganz neue CD anfangen. Lichtblicke wie „The Wait“ oder der Rausschmeißer „The Rejected“ können nicht über den Mist hinwegtäuschen, den die Jungs mit „Death Machine“, der an Kid Rock zu seinen schlechtesten Zeiten erinnernden Nummer „Homecoming“ oder das total langweilige „While The City Sleeps“ produziert haben.
Irgendwie macht „Anthems For The Rejected“ den Eindruck einer spontan zusammengeschusterten Setliste einer verzweifelten Liveband auf mich. Sie spielen was ihnen Spaß macht, dann wenden sich die Zuschauer gelangweilt ab, also hauen die Jungs ein paar ordentliche Gassenhauer raus, um die Aufmerksamkeit der Hörerschaft wieder zu bekommen, ehe sie wieder mit ihrem eigenen Kram anfangen. Es ist zum verrückt werden, so macht die CD einen absolut inkonsistenten Eindruck auf mich. Man hätte noch was retten können, wenn man die Trackliste etwas besser gestaltet hätte. Die ganzen „Mistlieder“ (mir fällt leider gerade kein besseres Wort ein) an den Anfang und dann die besseren Songs der Reihe nach in die zweite Hälfte packen. Die „Intermission“ umbenennen und als Outro anhängen, dann wäre da noch einiges gegangen. Dann hätte die CD vielleicht einen etwas zerrissenen Eindruck gemacht, aber wenigstens nicht so einen vollkommen planlosen, wie sie es jetzt tut.
Es tut mir wirklich Leid um die genialen Songs „Trenched & Buried“, „Scream“, „Redemption“ und „The Wait“, dass ich so eine Note zücken muss, aber „Anthems For The Rejected“ ist leider wegen der eklatanten Mängel keine besonders gute CD. Darum:
Wertung: 5.5 / 10