Im Metal ist es ja nicht unbedingt die Seltenheit, es mit Überzeugungstätern zu tun zu bekommen; ein wahrer Black-Metaller ist man nur, wenn man ausreichend oft “Satan” brüllt, ohne Lederhose ist man bei Power Metal genau so falsch, wie wenn man als Thrasher sein Nietenarmband vergisst. Klischees sind weit verbreitet und werden gerne herangezogen, um sich in der entsprechenden Szene genauestens zu definieren und zu positionieren.
Dabei ist der Grat zwischen einem gut ausgelebten Klischee und dem der Lächerlichkeit Preisgeben durchaus schmal. Wandert eine Band wie “Lacrimosa” seit Jahren und Jahrzehnten gekonnt auf eben diesem Grat, schaffen es andere nicht ganz so gut. Und wiederum andere schaffen es überhaupt nicht und verlieren sich in einem Sumpf aus dezenter Peinlichkeit. Par excellence präsentieren sich ANTICHRISIS mit ihrem Zweitwerk “A Legacy Of Love” in genau diesem Gewand. Einerseits steht zwar durch den Einsatz einer selbstgebauten Uilleann Pipe ein nicht alltägliches Instrument auf der Habenseite, welches dem Sound auch einen exotischen Touch verleiht, aber die teilweise schwer erträglich-poppigen Melodien und erst Recht die katastrophale lyrische Aufarbeitung machen es schwer, die hehren Absichten ernst zu nehmen.
Sicherlich will ich niemandem reinreden, was die Ausgestaltung der Texte angeht, soll jeder doch das schreiben, was ihn bewegt, aber bitte, das geht doch auch ein wenig tiefgreifender. Auf Zitate verzichte ich an dieser Stelle mal, wer interessiert ist, schaut selber im Internet nach. Ich widme mich lieber den wenigen Songs, welche sich für die Aufmerksamkeit der breiten Masse qualifizieren. Erstaunlicherweise findet man diese vor allem im zweiten Teil der Scheibe. Das ausufernde “The Sea” hat während seiner dreizehn Minuten durchaus ansprechenden Charakter und “Forever I Ride” versprüht einige Funken echter Melancholie, auch wenn man sich den einen oder anderen heftigen lyrischen Aufguss sicher hätte sparen sollen.
Auch bei diesem weniger schlechten Nummern sollte aber keiner erwarten, dass er von einer Welle gefühlsbetonten Metals mitgerissen wird. Vor allem liegt dies auch an der Ermangelung des Metals, denn der Anteil harter Gitarren, kerniger Drums und wummernder Bässe steht ganz genau in dem Verhältnis wie die Texte: in praktisch gar keinem nämlich. Hier und da wird mal etwas in Saiten und Felle gehauen, aber meistens bleibt der Sound doch eher im ruhigen Bereich.
Halten wir “A Legacy Of Love” zu Gute, dass es schon über 10 Jahre über die Erde wandelt. Damals war es sicher nicht völlig schlecht, aber aus heutiger Sicht ist die Musik und das allgemeine Konzept sicher nicht mehr zeitgemäß. Wer in textlicher und musikalischer Hinsicht weitgehend schmerzfrei ist und die Finger nicht auch von der letzten annähernden Metalveröffentlichung lassen kann, darf sich gerne an “A Legacy Of Love” versuchen, es sei ihm aber versichert: das geht auch besser. Viel besser.
Wertung: 4 / 10