Review Anthrax – For All Kings

  • Label: Nuclear Blast
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Thrash Metal

Die Big Four des Bay-Area-Thrash sind momentan wieder sehr aktiv. Nachdem erst Slayer und vor kurzem auch Megadeth neue Alben vorgelegt haben, Metallica außerdem nach wie vor trotz ulkiger Ausreden wie Kirk Hammetts verlorenem Handy mit gespeicherten musikalischen Ideen irgendwo im Hintergrund wohl auch an einem neuen Album werkeln, haben nun auch ANTHRAX im 35. Jahr ihres Bestehens ihr mittlerweile elftes Studioalbum veröffentlicht. „For All Kings“ heißt es, ein Album, das all den Helden, Vorbildern und großen Personen im Leben jedes einzelnen gewidmet ist, ein Album, das an den König in jedem von uns appelliert.

Mit der einstigen rohen, wilden, fast schon punkig rebellischen Musik eines „Among The Living“ haben ANTHRAX anno 2016 kaum noch etwas gemein. Noch mehr als auf dem bereits diesen Pfad beschreitenden Vorgänger „Worship Music“ dominieren stampfende Midtempo-Songs das Album. Fett produzierte Gitarren statt dünner, aggressiver Thrash-Sound, melodische Gesangslinien statt energetischem Shouting. Fast könnte man meinen, ANTHRAX werden langsam alt und suchen sich nun ihr ruhiges Plätzchen in der Musik. Doch auch in jenen gemächlicheren Songs verpacken sie noch mit Leichtigkeit genug Energie, die dem Zuhörer die Zweifel an besagter Altersschwäche restlos nehmen dürfte. Gleich zu Beginn legen die Fünf nach einem netten Intro mit „You Gotta Believe“ einen groovigen, teilweise an alte Thrash-Tage erinnernden Opener und das erste Highlight der Platte vor. Schon hier merkt man, dass die Taktik von ANTHRAX sich über die Jahre wesentlich geändert hat. Was ihnen an Aggressivität und Härte fehlt, das gleichen sie durch hartnäckige Ohrwürmer und wohlklingende Harmonien aus. „For All Kings“ könnte daher größtenteils auch eher als klassisches Heavy-Metal-Album statt als Thrash-Metal-Album durchgehen. Jene Fähigkeit, sich im Ohr festsetzende Melodien und Riffs zu kreieren, zeigt sich auch besonders bei ihrer Singleauskopplung „Breathing Lightning“, deren eingängiger Refrain zum Mitsingen wie geschaffen ist.
Der sich weiter vollziehende stilistische Wandel könnte auch dem Wechsel an der Gitarre geschuldet sein, der 2013 stattfand. Nachdem Lead Gitarrist Rob Caggiano die Band verlassen hatte, wurde er durch Jon Donais, Gitarrist der amerikanischen Metal-Band Shadows Fall, ersetzt. Dennoch klingen ANTHRAX auch mit neuem Gitarristen immer noch unverkennbar nach ANTHRAX, was möglicherweise daran liegt, dass Donais sich selbst als langjähriger Fanboy der Band bezeichnet und somit wohl mit dem Sound der Truppe sehr vertraut sein dürfte.
Es könnte also alles so schön sein, doch spätestens ab der Hälfte der Platte stellt sich langsam ein wenig ernüchternde Langeweile ein. ANTHRAX mögen zwar in ihrer Begabung, eingängige Heavy-Metal-Hymnen zu schreiben, über die Jahre gewachsen sein, doch ist der musikalische Rahmen der Stücke hinsichtlich Kreativität leider trotzdem etwas zu beschränkt, als dass sie ein gesamtes Album lang durchgehend unterhalten könnten. Zwar finden sich mit „Evil Twin“ oder „Zero Tolerance“ vergleichsweise schnelle, harte Songs auf dem Album, aber zwischen all den gemütlichen Midtempo-Stücken geht ANTHRAX dann doch ab und zu mal der Saft aus. Vielleicht ist das inzwischen nicht mehr das, was sie machen wollen, aber ein paar brachialere Nummern zwischendurch hätten dem Album sehr gut getan.

Dennoch beweisen ANTHRAX mit „For All Kings“, dass sie auch nach 35 Jahren noch ordentliche Musik machen können. An die großartigen Kracher ihrer alten Tage können sie damit zwar nicht anknüpfen, aber die unzähligen Nachahmer verweisen sie immer noch mit Leichtigkeit auf ihre Plätze zurück. Das soll ihnen erst einmal einer nachmachen.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

2 Kommentare zu “Anthrax – For All Kings

  1. „Mit dem bereits zwölften Studioalbum sorgen die Thrash und Speed Metal Veteranen von Anthrax mal wieder für Aufsehen.“

    Das stand im Review zur 1998er Volume 8 Scheibe…

    18 Jahre später gibt es jetzt Album Nr 11 ?

    1. Hallo Knäcke,

      danke für den Hinweis! Das ist natürlich ein Fehler in der Rezension zu „Volume 8“. Wie der Titel schon nahelegt, und wie es auch überall leicht nachzuprüfen ist, ist das selbstverständlich das achte Studioalbum, nicht das zwölfte. Wir bessern das sofort aus!

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