Wer sich im Metal auch ein wenig für die Menschen in der zweiten Reihe bzw. hinter der Kulisse interessiert, sollte über kurz oder lang mal über den Namen Kristian Kohlmannslehner oder seine Kohlekeller Studios gestolpert sein. Hier reichen sich Genregrößen wie Crematory, Sieges Even oder Agathodaimon die Klinke in die Hand und lassen sich von Kohle ihrer Musik veredeln. Nicht weiter verwunderlich, dass ein Leben unter Kreativen nicht ohne Spuren bleibt. Wirklich Zeit zur eigenen Verwirklichung scheint der gute Mann dennoch nicht zu haben. Seine Musikerkarriere begann 1993, damals noch in einer „richtigen“ Band und schon unter dem Namen ANOTHER PERFECT DAY. Bevor diese ihre Pläne einer Veröffentlichung verwirklichen konnte lösten sie sich 1997 auf und Kohle trug die Gedanken an das Album seitdem mit sich herum… 13 Jahre später erblickt es nun getauft auf den Namen „The Gothenburg Post Scriptum“ und unter Anleitung der Hebamme SCR das Licht der Welt.
Der Verweis auf Göteborg lässt sofort gewisse Erwartungen an die musikalische Ausrichtung entstehen – vollkommen zu Recht. Feinster Melodic Death Metal der schwedischen Schule wird hier geboten. Und nicht nur die Auswahl an Gastsängern ist mit Jagger (Disbelief), Dan Swanö (Edge Of Sanity) und Arno Menses (Ex-Sieges Even) exquisit, auch die Musik von ANOTHER PERFECT DAY hat einiges zu bieten. Mal klingt die Nähen zu Dark Tranquillity (etwa beim Opener „For You… Forever”) mal – wie beim nachfolgenden „The Matador“ – die recht süßliche Gitarrenarbeit bei hohem Härtegrad die modern In Flames charakterisieren, durch. Doch Kohle versteht sich nicht nur erstklassig ans Anlehnen an die Großen in diesem Genre, geschickt öffnet er immer wieder auch angrenzende Schubladen. Mal gibt es gotischen Düsterrock im Stile von Paradise Lost oder Amorphis, dann wieder leicht progressive Töne die entfernt an Opeth erinnern und auch doomige Passagen finden sich auf „The Gothenburg Post Scriptum“. Was ein Sänger allein sicher kaum schaffen würde, stellt Kohle unterstützt von seinem Dreigestirn vor keine großen Herausforderungen. Arno Menses trifft bei der melancholischen Ballade „The Great Nothing“ genau die richtige Mischung aus echter Emotion und Kitsch, während Disbelief Sänger Jagger den Härtegrad im anschließenden „In The End… The End“ locker um 500% nach oben schraubt.
So erstklassig das Album klingt und so viel Spaß die Stücke jedem Genrefreund machen werden, ein Wehrmutstropfen bleibt: Kohle beweist sein Gespür für gute, zeitgemäße Musik, versäumt es jedoch den Bogen zu den Anfängen des Genre zu schlagen. Gerade der Hinweis, dass das Album 13 Jahre nach dem geplanten Release erscheint, weckt die Erwartung an einen Rundumschlag über die gesamte Genregeschichte und die ungestüme Wut und Rohheit der Anfangstage. ANOTHER PERFECT DAY leisten das nicht, gleichwohl positionieren sie ihr Album in der obersten Etage der aktuellen Melodic Death Metal Szene – mit ihren aktuellen Schwächen. All die Kritik nostalgisch veranlagter Redakteure, die auf die derzeitigen Alben von DT oder IF zutrifft muss sich auch „The Gothenburg Post Scriptum“ gefallen lassen: Weichgespühlt, unispiriert, berechenbar. Recht machen kann man es nie allen, bei Kohle hab ich jedoch das Gefühl, er hätte das Zeug dazu gehabt beide Lager wieder ein Stück zusammen zu bringen. Schade!
Übrig bleibt also ein modernes, abwechslungsreiches und hochklassiges Melodic Death Metal Album. Würden ANOTHER PERFECT DAY live spielen wär ich mir des Erfolges der Truppe sicher, so bleibt die ausdrückliche Empfehlung an den Genrefreund hier ein Ohr zu riskieren.
Wertung: 8.5 / 10