Black-Metal-Projekte kommen und gehen und manchmal sind es gerade die längst in der Versenkung verschwundenen, in geringster Stückzahl erschienenen Veröffentlichungen, die im Underground besonders heiß begehrt sind. ANNORKOTH war eines dieser kurzlebigen Projekte: Zwischen 2010 und 2013 mixte B.M. in seiner Ein-Mann-Band atmosphärischen Black Metal mit Post-Rock und einem Hauch Neoklassik und zeichnete damit eine erste Blaupause seines späteren Schaffens mit Skyforest. Bevor der russische Einzelkünstler ANNORKOTH ein Ende bereitete, erschien mit „The Last Days“ ein drittes und letztes Album, von dem damals nur 100 Einheiten produziert wurden und das nunmehr sechs Jahre nach dem ursprünglichen Release über Northern Silence wiederveröffentlicht wurde.
Wer mit dem Sound von Skyforest bereits vertraut ist, wird feststellen, dass ebenjener auf „The Last Days“ im Wesentlichen schon ausgeformt ist. Die pompösen Keyboards stehen bei ANNORKOTH im Mittelpunkt des Geschehens, wohingegen die Gitarrenriffs und die schemenhaften Screams kaum mehr als ein fernes Echo sind. Der Rhythmusfraktion mangelt es keineswegs an polternden Drumrolls, Double-Bass und Blasting – und doch ist „The Last Days“ zu keiner Zeit von Brutalität oder Wildheit geprägt.
Der Grundton, der sämtliche Songs miteinander verbindet, seien es nun die ausgedehnten, getragenen Black-Metal-Nummern („You’re My Only Dream“) oder ein zwischendurch eingeschobenes Piano-Stück wie „Autumn Grace“, ist die eigentümliche, beinahe schon friedliche Stimmung, die ANNORKOTH darin zum Ausdruck bringt. Der Segen dieses markanten Stils bringt jedoch auch einen Fluch mit sich: Dass die Tracks einander so sehr ähneln, nimmt ihnen ihre Einzigartigkeit und resultiert in einer bedauernswert eintönigen Platte, die jedweder Höhen und Tiefen entbehrt. Das breite Spektrum an Emotionen, das hier von Songs wie „The Dark Descent“, „Shattered Hope“ und „Kindness“ ausgehend von ihren grundverschiedenen Titeln angesprochen werden sollte, wird leider nur partiell abgedeckt.
In Sachen Produktion ist leider ebenso wenig zu überhören, dass ANNORKOTH gewissermaßen der Vorläufer von Skyforest war und nicht umgekehrt. „The Last Days“ klingt verwaschen, ausgehöhlt und viel zu Keyboard-lastig, wie es bei so vielen unerfahrenen Underground-Bands der Fall ist. Führt man sich dann noch vor Augen, wie oft sich die größtenteils sehr einfach gestrickten und ohnehin schon kaum abgewandelten Tonfolgen im Verlauf der Lieder wiederholen, wird klar, dass B.M. mit seiner Entscheidung, ANNORKOTH auf Eis zu legen und unter einem neuen Namen nochmal von vorne anzufangen, wohl die richtige Wahl getroffen hat.
Die in der Musikbranche weit verbreitete These, das dritte Album sei der entscheidende Wendepunkt für jede Band, mag etwas Abergläubisches an sich haben – in Bezug auf „The Last Days“ trifft man damit jedoch den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Für ANNORKOTH war es schlicht an der Zeit, Lebewohl zu sagen und B.M. damit einen Neuanfang zu ermöglichen. Wer von der Vision, die der russische Solomusiker damals bereits im Kopf hatte, grundsätzlich angetan ist, sollte sich somit lieber seinen späteren Werken zuwenden. „The Last Days“ ist demnach allenfalls den Komplettisten unter den Fans zu empfehlen. Wer hingegen schon Skyforest für zu kitschig oder unausgegoren hält, braucht hier gar nicht erst reinhören.
Wertung: 4 / 10