ANNEKE VAN GIERSBERGEN gehört definitiv zu den besten klassisch ausgebildeten Sängerinnen im Rock- und Metal-Bereich und dürfte den meisten als ehemalige Sängerin der „Trip Rock“-Band The Gathering ein Begriff sein. In den letzten elf Jahren war die umtriebige Holländerin jedoch keineswegs untätig: So sang sie in ihrer eigenen Gitarrenpopband Agua de Annique, coverte Iron-Maiden-Songs im Rahmen des Projektes Maiden uniteD, arbeitete mit der niederländischen Band Lorrainville und der kanadischen Metal-Legende Devin Townsend zusammen und brachte neben diversen Gastauftritten (u.a. Napalm Death und Moonspell) ihre eigene Progressive-Metal-Band Vuur an den Start. Zeit für eine Werkschau, und diese hört auf den Namen „Symphonized“.
Es wäre naheliegend, einfach einige Studiomusiker um sich zu scharen und ein rockiges Best-Of-Album aufzunehmen – umso schöner, dass es ein bisschen mehr sein durfte: ANNEKE VAN GIERSBERGEN hat im Mai 2018 mit dem renommierten, 1904 gegründeten Residentie Orkest aus Den Haag zwei Konzerte gegeben – und dabei auf das klassische Rock- und Metal-Instrumentarium verzichtet. Im Rahmen dieser Konzerte wurden elf Songs für „Symphonized“ aufgenommen, die von The Gathering bis Vuur einige wichtige Stationen ihrer Karriere repräsentieren. Natürlich bieten sich nicht alle Stücke gleichermaßen für eine orchestrale Umsetzung an, weshalb wohl auf die weniger bombastischen Songs von Agua de Annique verzichtet wurde – was nicht bedeuten soll, dass ANNEKE VAN GIERSBERGENS neues Album den Zuhörer mit Bombast erschlägt. Die Sängerin ist ohne Frage der Mittelpunkt des Geschehens, aber das Orchester kann auch leise und lässt der Stimme jederzeit genug Platz und Luft. Mit „When I Am Laid In Earth“ und „You Will Never Change“ sind noch ein Stück des britischen Barock-Komponisten Henry Purcell und sowie ein neuer Titel auf der Platte zu finden.
Wenig überraschend: Gerade die The Gathering- und Vuur-Songs funktionieren im orchestralen Gewand ausgezeichnet, was für die Qualität der bis zu 25 Jahre alten Kompositionen spricht. Die tontechnische Umsetzung von „Symphonized“ ist hervorragend und auch gesangstechnisch gibt es nichts zu meckern. Bei ANNEKE VAN GIERSBERGEN muss man sowieso zweimal hinhören, um zu erkennen, ob es sich um eine Live- oder eine Studioaufnahme handelt. Highlights auf „Symphonized“ sind definitiv die Songs „Travel“ (vom The Gathering-Album „How To Measure A Planet“ aus dem Jahre 1999), aber auch das orientalisch anmutende „Shores Of India“ (vom The Gentle Storm-Album „The Diary“) und besagte Purcell-Komposition.
Mit Rock oder Metal hat das hier nichts zu tun, aber da aber die meisten ANNEKE-VAN-GIERSBERGEN-Fans wohl keine Probleme mit orchestralen Elementen haben dürften, sollte dies kein Hindernis sein. Klar, live ist so ein Orchester sicherlich ungleich beeindruckender als auf einer Studioaufnahme, das war schon immer so. Aber die klassische Umsetzung ist musikalisch und eben auch technisch richtig gut gelungen und stellt eine willkommene und kreative Abwechslung zum sonstigen, oft lieblosen Best-Of-Einerlei dar. Schönes Teil!
Wertung: 8 / 10