Mit ihrem 1999 erschienenen Debütalbum „Widow’s Weeds“ schufen Tristania einen wahren Klassiker des Gothic Metal. Mag die borstige und dünne Produktion der Platte auch damals schon nicht mehr ganz zeitgemäß gewesen sein, so enthielt sie doch einige düster-romantische Meisterstücke, welche bis heute nichts von ihrem schmachtenden Charme verloren haben. Dass sich das französische Gothic-/Doom-Quintett ANGELLORE nach einem der beliebtesten Songs dieses Vorzeigewerks benannt hat, spricht somit schon einmal für den Geschmack der Band und gibt zudem einen Ausblick darauf, welche Art von Musik einen auf ihrem dritten Album „Rien Ne Devait Mourir“ erwartet. Darüber hinaus wollen ANGELLORE den pompösen Stil ihrer Vorbilder darauf sogar mit Einflüssen aus Post-Rock und Folk verflochten haben.
Rein formal liefern ANGELLORE das von ihnen Versprochene im Zuge der einstündigen Platte nahezu vollständig ab. Am Mikro wechseln sich Sängerin Lucia sowie ihre auch an den Instrumenten beschäftigten Kollegen Rosarius und Walran im genretypischen „Beauty-And-The-Beast“-Stil mit zärtlichem Gesang und grobschlächtigen Growls ab. Der in getragenem Doom-Tempo gespielten, herkömmlichen Metal-Instrumentierung bestehend aus Gitarre, Bass und Schlagzeug verleihen die Franzosen mit tristen Streichern und zartem Pianospiel den zu den Vocals passenden, klassisch-tragischen Gothic-Touch.
Sogar der in Aussicht gestellte Folk-Aspekt macht sich auf „Rien Ne Devait Mourir“ durchaus bemerkbar – mag er sich im Wesentlichen auch bloß auf das mittelalterlich anmutende Akustik-Intermezzo im 20 Minuten umfassenden Opener „A Romance Of Thorns“ beschränken. Von Post-Rock findet sich hingegen über das gesamte Album hinweg nicht ein einziges Anzeichen. Das eigentliche Problem, an dem ANGELLORE geradezu rigoros scheitern, ist jedoch nicht stilistischer, sondern technischer Natur. Sowohl in ihrer Performance als auch in Sachen Tonqualität kann das dritte Album der Truppe nämlich nicht einmal annähernd mit den Referenzwerken wegweisender Bands wie Draconian oder eben Tristania mithalten.
So bringt Lucia bei dem Versuch, opernhaft zu singen, kaum mehr als ein ärmliches Piepsen hervor („Que Les Lueurs Se Dispersent“), wenn ANGELLORE an den Gitarren mal von einfallslosen Power-Chords auf Tremolo-Picking umsteigen, tun sich allzu oft spielerische Ungenauigkeiten hervor, und der furchtbar kraftlose Sound beraubt die Songs all ihrer Dynamik. Mit songschreiberischen Fehlgriffen wie der schwächlich gesäuselten Goth-Rock-Nummer „Blood for Lavinia“, die klingt, als sei sie ursprünglich von HIM für eine B-Seite vorgesehen und dann doch für nicht gut genug befunden worden, und dem überflüssigen, schwülstigen Instrumental „Sur Les Sentiers De Lune“ schlagen ANGELLORE schlussendlich den letzten Nagel über ihrem eigenen künstlerischen Sarg ein.
Mögen Gothic und Doom Metal nicht unbedingt zu den intensivsten Metal-Genres gehören, so kann ersterer mit seiner Dramatik und letzterer mit seiner rohe Schwere doch eine starke emotionale Reaktion im Hörer auslösen. Im Gegensatz dazu klingt „Rien Ne Devait Mourir“ leider vielmehr wie ein kleinlauter Vorschüler, der zu schüchtern ist, um im Unterricht aufzuzeigen – mitreißend ist anders. In fähigeren Händen hätten die kreativeren Passagen der Platte womöglich etwas taugen können. Da in ANGELLORE jedoch offenbar bloß Schlagzeuger Ronnie, der in den Stücken hin und wieder ein paar richtig coole Fills platziert, weiß, was er tut, gehen die Kompositionen an ihrer mangelhaften Ausführung auf klägliche Weise zugrunde.
Wertung: 3 / 10