Über Musik zu schreiben, ist schon deswegen schwierig, weil Musik ein Erfahrungsbereich ist, der sich nur sehr schwer in den Vermittlungsbereich der Sprache eingliedern lässt. Allein das Beschreiben eines einzelnen Gitarren-Riffs für eine andere Person funktioniert eigentlich nur, wenn diese Person bereits einmal einen ähnlichen oder sogar den gleichen Riff gehört hat. Meistens tut man also wenig mehr als Referenzen angeben. Tja, im Falle von ANGEL MARTYR funktioniert diese Strategie nahezu perfekt, kann man doch das, was die drei Italiener auf „Black Book: Chapter One“ abgeliefert haben, auf die eine Referenz Manilla Road beziehen. In vielerlei Hinsicht ist das Debüt des Trios eine Verbeugung vor den Pionieren des Epic Metals.
Bereits der Titel des Albums verweist ja auf die den Hörer erwartenden narrativen Elemente, die so zentral für den Epic Metal sind – textlich wie musikalisch. Auf der Reise durch das „Black Book“, das stilsicher mit einem kurzen Intro eingeleitet wird, das seinerseits die erzählerische Ebene des folgenden „They…Among Us“ vorwegnimmt, begegnen dem Hörer so ziemlich alle Ingredienzien klassischer Epic-Metal-Kompositionen à la (früher) Manilla Road. Lange Instrumental-Parts, viele Gitarren-Soli (die hin und wieder in deutlichem Kontrast zum eher simplen Riffing stehen), viele Strophen und natürlich auf Hymnik gebürstete Refrains. Dass ANGEL MARTYR dieses Bauprinzip verinnerlicht haben, zeigen sie in gelungenen Kompositionen wie dem bereits erwähnten „They…Among Us“, dem darauf folgenden „Victims“ oder dem tatsächlich episch geratenen, fast neunminütigen „Eric The Conquerer“, das vor allem durch seinen melodiösen Refrain überzeugen kann.
Allerdings fallen bei diesem Song auch die Schwächen der Scheibe das erste Mal deutlicher auf. Dazu gehört die Produktion, die schlicht kraftlos ausgefallen ist und so klingt, als wäre „Crystal Logic“ (dem 1983er Werk von Manilla Road) erst vergangenes Jahr erschienen. Zudem werden auch gesangliche Mängel spürbar – auch wenn es in diesem Song so wirkt, als wäre ein Teil (die tiefen Parts) von einem anderen Sänger beigesteuert worden. Da nun aber kein Gastmusiker ausgewiesen ist, hat wohl Sänger Tiziano Sbaragli auch diese Parts zu verantworten. Man kann ihm hier nur raten, es beim nächsten Mal besser zu wissen; die angepeilte Aggressivität und gravitätische Tiefe der Gesangseinlage klingt leider eher nach Kehlkopfdiphterie.
Die Mehrzahl der zumeist überlangen Songs kann auf spannende und unterhaltsame Momente verweisen, die einen mehr („Midnight Traveller“ oder „Turn On The Fire“), die anderen weniger („Pirate Song“ und „On The Divine Battlefield“). Ab und an zerren die richtig hohen Gesangsparts an den Nerven und manchmal meint man auch Unsauberkeiten in der Rhythmus-Arbeit zu erkennen, aber man kauft der Band zu jedem Zeitpunkt die Leidenschaft für die gebotene Musik ab. Sicher, „Black Book“ hätte abwechslungsreicher ausfallen können und die saftlose Produktion schmälert den Höreindruck nochmal extra, aber für Fans des klassichen Epic Metals bieten ANGEL MARTYR zumindest kurzweilige Unterhaltung. Klar ist: Hier war absolut mehr drin. Und da die CD ja als „Chapter One“ firmiert, darf man darauf hoffen, dass fürs zweite Kapitel noch einmal eine Schaufel draufgelegt wird …
Wertung: 6 / 10