Review Anathema – We`re Here Because We`re Here

Huch, die Review beginnt auch für mich mit einer faustdicken Überraschung: das letzte Output von ANATHEMA liegt also tatsächlich schon sieben Jahre zurück?!? „A Natural Desaster“ war damals ja sozusagen die Wiederbelebung von Cavanagh, Cavanagh und Co, das nach wie vor ausgesprochen sperrige und umstrittene „A Fine Day To Exit“ sowie diverse interne Quelereien und Betrieb auf dem Besetzungskarussel hatten die Band sehr nahe an den Abgrund gebracht. Die Ablösung vom Label und die nicht enden wollende Suche nach einer neuen Heimat sorgten dafür, dass es trotz des tollen Befreiungsschlages noch einmal eng wurde und so war es lange ungewiss, ob das 8. Album nun noch erscheinen würde oder nicht.

Sommer 2010, es ist endlich soweit, „We`re Here Because We`re Here“ steht in den Plattenläden und unterzieht sich nun den kritischen Ohren des Redakteurs. Um es gleich zu sagen, die Erwartungshaltung ist nach all der Zeit und bei dem Background der Band natürlich extrem hoch, aber dem Druck scheint man in Großbritannien gewachsen gewesen sein. Für mich persönlich jetzt schon das Album des Jahres, aber dennoch: es bleiben Makel. Es mag vielleicht nicht fair erscheinen, eine CD von hinten aufzuzäumen, zumal es, wie noch zu zeigen sein wird, viel Gutes zu sagen gibt, aber einige Punkte müssen angesprochen werden. Auf den ersten Blick sieht es nach einer klassischen Zweiteilung der Platte aus, fünf Songs, ein kurzes Zwischenspiel und weitere vier Songs, die sich in Sachen Struktur, Eingängigkeit und Temperament deutlich von der ersten Hälfte unterscheiden. Speziell die sehr proggigen „Universal“ und „Hindsight“ hätten auch gut zu „A Fine Day To Exit“ gepasst, für die einen vielleicht Stücke mit hohem technischen und songwriterischen Anspruch, ich finde sie aber leider ziemlich langweilig. Ob Steven Wilson als Produzent dafür mitverantwortlich ist oder den Job übernommen hat, weil die Songs so stark in sein Metier abdriften, sei mal dahingestellt, Fakt ist aber, dass der Sound teilweise stark an Porcupine Tree erinnert.

Dass das nicht unbedingt schlimm sein muss, beweisen zum Glück viele andere Songs, die sich, oh Wunder, vornehmend in der ersten Hälfte tummeln. Gerade der Anfang der Platte ist dabei erstaunlich vielseitig gestaltet, der Drei-Viertel-Rocker Thin Air gibt die Richtung nur grob vor, überzeugt aber mit Eingängigkeit und Power. Teilweise fragt man sich schon, ob das wirklich ANATHEMA ist, aber das ist auch egal, denn der Song ist stark; ebenso wie Summernight Horizon, welches mit wüstem Klavierspiel beginnt und mit mächtig Schwung über die verhältnismäßig knappe Spielzeit von gut vier Minuten den Stil durchzieht. Der Hit schlechthin ist allerdings doch wieder von anderer Coleur, Dreaming Light ist eine wunderbare Ballade, die bis auf den nahe am Klischeeabgrund wandelnden Text ohne Schmutzflecken bleibt. Besonders Vinnie überzeugt hier, wie aber auch bei vielen anderen Songs, mit bislang ungeahnten Facetten in seiner Stimme, besonders in diesem Song erinnert er mehr als nur ein bisschen nach Jón Þór Birgisson von Sigur Rós. Auch der Song hat diverse post-rockende Elemente und versprüht einfach eine angenehm relaxte, aber auch sehnsuchtsvolle Atmosphäre. Der Metal1.info-Tipp: Wiederholungstaste drücken!

Das folgende Everything ist schon seit einiger Zeit bekannt, stand der Song doch eine Weile zum Download auf der Homepage bereit. Ebenso wie das folgende Angels Walk Among Us (endlich mal wieder das Engel-Motiv, dennoch klingt es kein bisschen nach DEM ANATHEMA-Werk Eternity) ein guter Song, aber nicht so ganz hochklassig wie der Auftakt. Um dann wirklich auch alle Lieder einmal erwähnt zu haben, bleibt festzuhalten, dass der Achtminüter A Simple Mistake den Höhepunkt von Hälfte 2 darstellt und Get Off, Get Out irgendwie etwas verloren daherkommt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir hier nicht von schwachen Songs an sich reden, sondern von Songs, die den Vergleich zu den großen ANATHEMA-Hits nicht ganz standhalten können.

Das Fazit fällt leicht: ANATHEMA haben nicht viel ver- aber eine Menge dazugelernt. Eine Stunde sehr entspannter Musik, die teilweise arg zu Herzen, teilweise aber auch arg in Richtung Tanzbein geht – falls es so was bei ANATHEMA überhaupt gibt. Wer da nicht zuschlägt, ist selber schuld, ein Album des Jahres mit wenigen Irritationen erreicht locker

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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