Amorphis Halo Coverartwork

Review Amorphis – Halo

AMORPHIS sind wahre Künstler. Warum, fragt ihr? Weil es die Finnen nun seit Jahrzehnten schaffen, mit immergleicher Instrumentierung unterschiedliche, stets interessante Alben zu schreiben. Wiederholen sich viele Bands mit dieser Ausgangslage nach einiger Zeit oft, gelingt es AMORPHIS, immer kleine Nischen in ihrer Spielart zu finden, die vorher nicht ausgefüllt waren. So auch auf ihrem 14. Album „Halo“.

War schon der 2018er Vorgänger „Queen Of Time“ von einer dichten Instrumentierung und unzähligen kleinen Details geprägt, scheren AMORPHIS 2022 noch einmal ein Stück weiter in progressive Strukturen aus. Dabei fällt dies bei den ersten Durchläufen nicht auf. Auf den ersten Blick sind es eher die Variation zwischen Klar- und Growlgesang sowie die wie immer brillante Melodiefindung in Gesang und Gitarre, die hängenbleiben. AMORPHIS gehen wesentlich akzentuierter ans Werk, das Wechselspiel wird nie zum Selbstzweck. Tomi Joutsens Stimme, die im Vergleich zu den bisherigen Alben noch einmal ordentlich an Ausdrucksstärke gewonnen hat, ist es auch, die einem die ersten Widerhaken liefert. Die Refrains von „On The Dark Waters“ oder „Windmane“ bleiben sofort im Ohr. Schon nach einigen Durchläufen fühlen sich diese Lieder an, als wären sie alte AMORPHIS-Klassiker. Haben sich die Songs über ihre Melodien erst einmal im Gehörgang festgesetzt, gibt es einiges zu entdecken.

Der orientalische Einschlag in „A New Land“ erinnert zum Beispiel an das Vorgängeralbum. Wem ist hier die weibliche Stimme im Hintergrund aufgefallen, die teilweise Tomis Gesang doppelt? In „When The Gods Came“ wechseln sich Gitarren und Keyboards stets in der Melodieführung ab, übergeben einzelne Passagen und schaffen so einen roten Faden. Im Titeltrack oder auch „On The Dark Waters“ gibt es Zwischenspiele, die auf dem Papier nicht so recht zum Rest des Songs passen wollen, in ihrer Umsetzung aber die Lieder auflockern.

Das größte Kunststück auf „Halo“ aber ist die Produktion. Hier zeichnen wie schon auf „Queen Of Time“ Jens Bogren als Produzent und Francesco Ferrini als Orchestrator verantwortlich. Ihnen gelingt es, „Halo“ leicht zugänglich und einfach wirken zu lassen. Dabei ist es alles andere als das. Die Anzahl an Spuren ist immens, die Tiefe enorm. Doch springen diese Details den Hörer eben nicht an. Orchestrierung, gedoppelte Stimmen und Chöre bewegen sich im Hintergrund, der Gesang, die Gitarren und Keyboards sind stets die Protagonisten. Wer ein gut funktionierendes Melodic-Death-Metal-Album haben möchte, kann „Halo“ genauso etwas abgewinnen wie diejenigen, die sich gerne auf einzelne Spuren im Mix konzentrieren. Eine produktionstechnische Meisterleistung!

Am Ende bekommt der Hörer so eines der stärksten, wenn nicht sogar das stärkste AMORPHIS-Album. Hier stimmt einfach alles: Von den Grundstrukturen der Lieder über die kleinen Details innerhalb dieser bis hin zur stimmigen Produktion sorgen die Finnen für eine enorme Langzeitwirkung. Schön ist es dabei, dass sich alles unheimlich leicht anfühlt. Nichts klingt konstruiert, alles klingt natürlich und zusammenhängend. Das ist bei so vielen Elementen und Instrumenten wieder große Kunst.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Manuel Stein

9 Kommentare zu “Amorphis – Halo

  1. Mit gut meinte ich gute Produktion, nicht Songwriting. Ich finde auch, dass Amorphis im Laufe ihrer Karriere viele Fillersongs und -alben produziert hat (eben z.B. Circle, wie du sagst).

    Mehr Tiefe als der Vorgänger kann ich 0 nachvollziehen. Queen of Time ist jetzt auch kein Haken oder Dream Theater in Sachen musikalischer und kompositorischer Komplexität, aber deutlich spannender und vielseitiger als das Ding hier, das 95% wieder die Standard Pop-Harmonien abarbeitet (und dabei nicht mal catchy ist, wie Skyforger oder Eclipse z.B.), weitestgehend straighte Rhythmen vorlegt und einfach im Gesamtsound im Vgl. zu QoT wieder total auf die Basics runtergebrochen. Also mich hat’s leider komplett kalt gelassen, während ich QoT seit 4 Jahren immer wieder gerne höre und liebe. Halo wird wohl ein ein- oder maximal zweimaliges Hörerlebnis bleiben. Dafür hat mich zu wenig gecatcht. Aber freut mich ja, wenn es immerhin euch so gut gefällt. :)

    1. Nun, das Argument mit „progressiv“ finde ich jetzt nicht grundverkehrt und als Meinung durchaus vertretbar. Je nachdem, welche Elemente des Albums man sich rauspickt, widerspreche ich da nicht mal. Deine Meinung hierzu liest sich schon sehr hart, du scheint „Halo“ ja wirklich gar nichts abgewinnen zu können. Mir hat es beim ersten Hören schon gefallen, das Album ist aber ein wahrer „Grower“ und entfaltet seine Stärke nach mehreren Hördurchgängen erst richtig. Da passiert so viel im Hintergrund, so viele Elemente die sich erst nach mehreren Durchgängen richtig zusammenfügen. Für mich hat „Halo“ das Potential, sich im oberen Drittel der Discografie festzusetzen.

      1. Naja doch, ist schon okay das Album, aber für mich ist es schon ein sehr deutlicher Qualitätsabfall ggü. QoT (was aber zugegeben eben auch mit Abstand mein Lieblingsalbum von Amorphis ist). Ich find die Melodien leider zu 90% total seicht und uneingängig, das catcht mich emotional alles einfach gar nicht. Am ehesten vielleicht noch der Refrain von The Moon oder die Riffs von „Seven Roads…“. Ich bin aber jetzt auch kein Riesenfan der Band. Ich mag noch Skyforger als ganzes Album sehr gerne, den meisten anderen Alben kann ich dann aber immer nur vielleicht so 2-3 Songs viel abgewinnen, den Rest find ich meistens eher okay… so gings mir auch hier. 2-3 spannende Songs, der Rest eher Filler.

        1. Kann deine Aussagen nur unterschreiben, Simon. Beim Albumdurchlauf kam bei mir da ein ganz großes Gähnen auf. Amorphis hat sich meines Erachtens auf den letzten Alben schon häufig selbst kopiert, aber es waren immer noch 2-3 Kracher mit neuen Elementen darunter. Auf Halo hat mich nun leider nichts mehr gepackt. Natürlich spielt das alles noch auf oberstem Niveau, und ich merke auch an den positiven Stimmen, dass es nur der persönliche Eindruck ist. Viel Spaß mit der Platte!

          1. Spannend, ich hätte tatsächlich nicht gedacht, dass „Halo“ so kontrovers aufgenommen werden könnte, da es mich von Anfang an begeistern konnte. Danke euch beiden für eure konstruktiven Meinungen dazu :-)

            1. Ich kanns generell schon nachvollziehen, insofern als ich auch ein paar Durchläufe gebraucht habe, bis ichs nicht mehr nur durchschnittlich fand – aber das finde ich rückblickend betrachtet eigentlich eher einen Pluspunkt, weils eben doch noch was zu entdecken gibt. Es ist sicher kein Experiment wie QoT (egal, wie man dazu jetzt steht), aber spannender als „Beginning…“ oder auch „Circles“ find ichs allemal.

  2. „War schon der 2018er Vorgänger „Queen Of Time“ von einer dichten Instrumentierung und unzähligen kleinen Details geprägt, scheren AMORPHIS 2022 noch einmal ein Stück weiter in progressive Strukturen aus.“

    Lol was?! Nach dem phänomenalen, mutigen, progressiven Queen of Times ist das hier doch kompositorisch ernüchternd banal und simpel gestrickt. Amorphis by the numbers. Kaum catchy, musikalisch weitestgehend uninteressant. Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Hatte gehofft, dass sie nach QoT nun ein neues Karrierehoch haben, aber jetzt klingen sie wieder wie eh und je. Produktionstechnisch top, ja, aber das sind die Alben der letzten 10-15 Jahre alle.

    1. “Kaum catchy, musikalisch weitestgehend uninteressant. Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus.“ – das kann ich alles nicht unterschreiben. ebensowenig allerdings das „scheren noch einmal ein Stück weiter in progressive Strukturen aus.“ :D Ich finds einfach ein sehr gelungenes Album, auf dem AMORPHIS das machen, was sie am besten können – und das mit genau dem richtigen Maß an „Retroflair“, ohne nach Selbstkopie zu klingen.

    2. Ich finde, wie in der Besprechung auch geschrieben, dass „Halo“ mehr Tiefe hat als sein Vorgänger. Dass mehr im Hintergrund abgeht, mehr kleine Melodien, mehr Details etc. Auch wird in den angesprochenen Liedern gut mit Taktwechseln gearbeitet, was in der näheren Vergangenheit auch nicht so exzessiv der Fall war.

      Ich finde zum Beispiel auch nicht, dass alle Alben der letzten 10-15 Jahre gut sind. Da sind für mich mit „Circle“ und „Under…“ schon zwei ordentliche Langweiler dabei.
      Doch so unterscheiden sich eben die Geschmäcker.

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