Am Puls der Szene – Vol. I

Es gibt die großen Labels, die mit ihren prominenten Veröffentlichungen die Szene dominieren und es gibt kleinere Labels wie Ván oder Prophecy, bei denen der Name als Gütesiegel gilt. Doch das Herz der Szene schlägt im Underground, wo sich neue Bands ausprobieren und profilieren, grandios scheitern oder Grandioses schaffen.

In dieser Rubrik fühlen wir „Am Puls der Szene“: Wir widmen uns dem Underground und bringen euch Newcomer und deren Eigenproduktionen näher – gute und mittelmäßige Scheiben, Rohkrepierer und grandiose Veröffentlichungen, die gehört werden müssen.


Breakdowns At Tiffany's - Gravity

Genre:

Zur Website von Breakdowns At Tiffany's

Das Cover ziert ein Fels inmitten von Wasser, auf dem Fels steht ein Mensch in unmöglicher Schräglage. Mit sanften Tönen und leichtem Elektro-Touch beginnt „Gravity“ und lässt an den Hörer an Post-Rock denken, ehe djentige Gitarren sich ihren Weg in den Song bahnen, ehe der Track wieder dort endet, wo er begann. Damit steht der Titeltrack exemplarisch für „Gravity“, denn BREAKDOWN AT TIFFANY’S spielen in ihrer Musik sehr stark mit diesem Wechselspiel aus Emotionalität und Härte, lassen Deathcore-Growls auf (zu lieblichen) Klargesang prallen und knüppelhartes, modernes Riffing mit tollen Melodien kollidieren. Wer Metalcore im modernen Soundgewand und mit einer ordentlichen Prise Aggression mag, ist hier genau richtig, so lange man den übertrieben poppigen Klargesang vertragen kann – da es den nur auf einem Song gibt sollte das aber problemlos zu schaffen sein.

[Christoph Emmrich]


Seeds Of Agony - Morbid Reflections

Genre:

Zur Website von Seeds Of Agony

Feinster Old School Death Metal kommt, in Form von “Morbid Reflections”, aus Esslingen. SEEDS OF AGONY schleudern dem Hörer auf ihrem Zweitwerk rund 38 Minuten Hass und Tod in seiner pursten Form entgegen. Dabei beschränken sich die Herren allerdings nicht nur darauf, alles in Schutt und Asche zu prügeln. Vielmehr lassen sie geschickt immer wieder Melodien in ihre Attacke einfließen, was ihnen besonders auf „Captured Between The Gates“ sehr gut gelingt. Siebeneinhalb Minuten (Melodic) Death Metal, ohne das Langeweile aufkommt – Chapeau! Und doch fallen auch SEEDS OF AGONY in die altbekannte Old-School-Death-Metal-Falle: So gut alles geschrieben und gespielt ist, neu ist nichts, sodass auf Dauer ein wenig das Alleinstellungsmerkmal fehlt. Trotzdem ist „Morbid Reflections“ fraglos ein richtig starkes Death-Metal-Album.

[Christoph Emmrich]


River Of Souls - The Well Of Urd

Genre:

Zur Website von River Of Souls

Aus den Niederlanden kommt mit RIVER OF SOULS eine Band, die mit ihrem Death-Doom basierten Metal jedem Fan harter Gitarrenmusik gefallen sollte. Denn die vier Herren spielen eine Mischung aus NWOBHM-Riffs, Death-Metal-Growls, doomigen Passagen und garnieren das Ganze mit tollen Gitarrenläufen, die sich wie Schlangen durch das Dickicht der Kompositionen winden. Auch vor melodischen Soli wie auf dem gut elfminütigen (!) Opener „The  Norn’s Chant“ schrecken RIVER OF SOULS nicht zurück. Dabei erinnert „The Well Of Urd“ in seiner wunderschönen, mystischen Düsternis mal an Rotting Christ, mal an Officium Triste, mal an My Dying Bride und dann wieder an frühe Anathema. Dass es der Band bereits auf ihrem Debüt gelingt, diese Vielfalt von Einflüssen schlüssig zu einem Ganzen zu verbinden ist aller Ehren wert. Mit „The Well Of Urd“ haben RIVER OF SOULS ein grandioses Werk vorgelegt – unglaublich, dass diese Truppe noch ohne Label dasteht.

[Christoph Emmrich]


Second Horizon - Albdruck

Genre:

Zur Website von Second Horizon

30 Minuten, als Kreislauf konzipiert und aus sechs Movments bestehend (wobei die Silbenanzahl des Songnamens die Titelnummer wiedergeben), als Ganzes konzipiert und mit – mal subtil, mal offensichtlich – wiederkehrenden Melodien und Rhythmen durchzogen – dass „Albdruck“ nicht ambitioniert wäre, ist sicher das letzte, was man dem Album vorwerfen kann. Wobei man SECOND HORIZON auf ihrem Debüt (!) eigentlich schlicht nichts vorwerfen kann. Denn was die vier Herren hier abbrennen ist ein grandioses Feuerwerk progressiver Instrumentalmusik. Mal sanft und melodisch („Marter“), mal mit harten Riffs („Repression“), mal ganz verspielt („Panoptikon“) aber eigentlich in jedem Movement all diese Elemente vereinend, ist SECOND HORIZON mit „Albdruck“ ein wahres Meisterwerk gelungen, das den Hörer mit seiner dichten Atmosphäre emotional berührt und mit seiner musikalischen Klasse fesselt.

[Christoph Emmrich]


Higurd - Egozentrik

Genre:

Zur Website von Higurd

„Thüringer Experimental Black Metal“, so beschreiben HIGURD aus der Nähe von Erfurt ihre Musik. Zu finden ist dieser auf ihrem Zweitwerk „Egozentrik“, auf dem das Duo Morbid (Gesang) und Nargathrond (alle Instrumente) dem Hörer gut 35 Minuten Black Metal um die Ohren haut. Allerdings beschränkt sich der experimentelle Teil auf einzelne Elemente, etwa einige Rhythmen, wie etwa im Opener „Freiheit“, melodisch-ruhige Elemente in „Jag Känner Mig Hämma I Dina Ögon“ oder der Klargesang auf „Minusmensch“. Aber ob man das Ganze deswegen gleich als experimentell bezeichnen muss, sei dahingestellt. Besonders, da sich die Platte sonst praktisch durchgehend an Szene-Standards hält und etwa mit schnellem Riffing, mittelprächtiger Produktion und Kreischgesang daherkommt. Fakt ist jedoch, dass HIGURD mit „Egozentrik“ ein ordentliches Black-Metal-Album veröffentlicht haben, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

[Christoph Emmrich]


Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert