Review Alien Weaponry – Tū

Wenn man zum ersten Mal Musik von ALIEN WEAPONRY hört, idealerweise nicht über ein Musikvideo, dann könnte man denken: Donnerwetter – erwachsene Kerle, bestimmt mit Vergangenheit in diversen anderen Bands, breites Kreuz und stabile Oberarme. Liest man dann ein bisschen nach, weil es wahrscheinlich nicht bei diesem einen Anspielen der Band geblieben ist, kommt das große Oho. Blutjunge Kerle, denen man förmlich beim Erwachsenwerden zugucken kann, da man inzwischen doch bei Youtube gelandet ist und die Jungs in zahlreichen Videos zu sehen sind. Als ihr Debütalbum „Tū“ erschien, war Sänger Lewis kurz zuvor zarte 16 Jahre alt geworden. Man merkt dieser Band ihr junges Alter nicht im Geringsten an. Man hört dafür einzigartige Musik, lauscht hinein in die indigene Bevölkerung Neuseelands und denkt unweigerlich an Haka, Speere und Gesichtsbemalung.

All das, während einem krachende Riffs und Kampfgesang in Maori-Sprache nur so um die Ohren fliegen. Nach etwas mehr als zweiminütiger stilechter Einstimmung zeigen ALIEN WEAPONRY dann mit „Rū Ana Te Whenua“, was ihre Hörer erwartet: moderner, durch und durch von Groove durchzogener Thrash Metal, der stampft und antreibt. Zwischendurch stimmige Passagen, in denen eher Klargesang und Melodie im Vordergrund stehen. Es ist bemerkenswert, welch ausgeprägtes Gespür die drei jungen Neuseeländer schon für ihre Songaufbauten aufblitzen lassen. Sie kreieren fesselnde Stücke mit höchstem Wiedererkennungswert.

Was sie aber auch kreieren, sind Stücke, die auf der einen Seite von Tūmatauenga, dem diesem Album seinen Namen gebenden Kriegsgott der Maori, inspiriert sind, und auf der anderen Seite die Abhängigkeit von und den Umgang mit dem Internet und Social Media kritisieren. Das ist im Rahmen der künstlerischen Freiheit natürlich vollkommen legitim, aber thematisch doch schon sehr weit auseinander. Insbesondere wenn dieses ambitionierte Trio in der hier angestrebten Tribal-Schiene Fuß fassen will. Das ist ein bisschen so, als würden Amon Amarth auf der „Fate Of Norns“ nach „Pursuit Of Vikings“ plötzlich über Instagram oder Fortnite schimpfen.

Und doch ist es okay, zu besingen, was einen beschäftigt. ALIEN WEAPONRY wollen Missstände thematisieren und wenn diese nicht nur ihre Ureinwohner behandeln, sondern auch den Alltag der Kids da draußen, dann sollen sie ihre Botschaft überbringen. Neben der Musik und dem gemeinsamen Management ist dies womöglich auch der Hauptaspekt, der die großen Gojira dazu bewegt hat, ALIEN WEAPONRY auf ihre erste US-Tour nach dem Lockdown mitzunehmen.

ALIEN WEAPONRY haben schier unendliches Potential, das sie auf ihrem Debüt naturgemäß noch nicht ganz ausschöpfen. Hier und da fehlt noch der Kick und stärkere Geradlinigkeit. Die Gitarrenarbeit könnte phasenweise schneller und druckvoller sein. Manchmal vermisst man geradezu eine zweite Gitarre, die dem Sound zugutekommen könnte. Wie gut diese Band aber schon heute ist, zeigen vor allem „Kai Tangata“, der deutlich stärkste Song der Platte, sowie „Raupatu“ und das krachende „Hypocrite“. Hier und da gibt es Songs, die weniger auffallen, aber doch umgibt dieses Debüt eine starke Aura und man spürt geradezu, dass ALIEN WEAPONRY eine große Nummer werden, wenn sie am Ball bleiben. „Tū“ wurde von Teenagern eingespielt und vor diesem Hintergrund hat dieses Werk wirklich eine enorme Qualität und bringt große Vorfreude auf das, was folgt.

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Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Andreas Althoff

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