Review Alice Cooper – Detroit Stories

  • Label: earMUSIC, Edel
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Hard Rock

Am 4. Februar 1948 erblickte in Detroit, Michigan, ein gewisser Vincent Damon Furnier das Licht der Welt. 73 Jahre später wendet er sich als ALICE COOPER wieder seiner Heimatstadt zu – als Rockstar, natürlich, und ein bisschen auch als Superheld der altehrwürdigen, wenn auch etwas abgehalfterten Motown: „Detroit Stories“ verspricht der Titel seines nunmehr 28. (!) Studioalbums.

Auf dem Cover wird das ikonische ALICE-COOPER-Makeup in die Wolken über dem nicht minder ikonischen Detroiter Fisher Building projeziert – wie der Hilferuf der Bürger von Gotham City nach Batman. Tatsächlich passt diese Referenz auf den hinter Pseudonym und Kostüm verborgenen Helden gut zu dem Schockrocker COOPER, der als Vorsitzender der christlichen Stiftung Solid Rock Foundation Gutes tut. Oder am Ende eines Songs noch mal eben die Nummer der Suizid-Präventions-Hotline durchgibt. Aber dazu später mehr …

Textlich dreht sich „Detroit Stories“ also um jene Metropole in Michigan, die auch rockmäßig so einiges gesehen hat – wie COOPER etwa im Song „Detroit City 2021“ zu erzählen weiß: „Me and Iggy [Pop] were giggin’ with Ziggy [Stardust] and kickin’ with the MC5.“ Bei letzteren handelt es sich um eine 1964 gegründete Rockband, die zu den wichtigsten Vorläufern des Punk zählt – und deren Gitarrist Wayne Kramer auch auf „Detroit Stories“ zu hören ist. Mit dieser Themenwahl macht ALICE COOPER nicht nur insofern alles richtig, als die Songs über Liebe (“Drunk And In Love”), Frauen und Autos (“$1000 High Heel Shoes”) lässigen Rock-’n‘-Roll-Charme versprühen – sondern auch, weil er damit gewohnt souverän jedweder Peinlichkeit aus dem Weg geht: Wie schnell wirken alternde Rock-Legenden aufgesetzt, gewollt böse oder bemüht jung? Nicht so COOPER: Statt auf dicke Eier zu machen, zeigt er Mitgefühl, spricht in “Don’t Give Up” Menschen mit Depressionen Mut zu und diktiert im Outro des Stücks, aufrichtig fürsorglich, dann tatsächlich die Telefonnummer der amerikanische Suizid-Präventions-Hotline.

Musikalisch lässt ALICE COOPER die Mitwirkenden zu seinem unverwechselbaren Gesang freimütiger aufspielen denn je: War „Paranormal“ (2017) über weite Strecken etwas „cheesy“, vor allem aber ziemlich glatt, hat „Detroit Storys“ verdammt viel Style – und kommt sehr gut ohne viel Hard-Rock-Attitüde aus: Dass sich „Rock ’n’ Roll“ (Lou Reed) und “East Side Story” (Bob Seger) als Cover-Songs an erster und letzter Stelle der Tracklist textlich wie musikalisch perfekt in das Album eingliedern, ist dafür ein erstes Indiz. Mit einer illustren Schar renommierter Rock-Gitarristen – unter anderen Joe Bonamassa, Tommy Henriksen, Wayne Kramer, Mark Farner und Steve Hunter – hat ALICE COOPER dazwischen einen Album-Korpus aus dreizehn so vielschichtigen wie vielseitigen Songs zusammengestellt: Mal geht es zu den Wurzeln des Punk-Rock („Our Love Will Change The World“), mal in Richtung Mowtown-Blues („$1000 High Heel Shoes“) – inklusive lässiger Bläser und dem Gospel-Trio Sister Sledge.

Selbst „Sister Anne“, eine der härteren Nummern, hat mit Schellenkranz, Mundharmonika und jeder Menge Groove eher Classic- als Hard-Rock-Feeling. Besonders „classic“ ist jedoch „I Hate You“ – und das nicht nur musikalisch als vergleichsweise typischer ALICE-COOPER-Song, sondern auch in Sachen Besetzung: Mit Dennis Dunaway, Michael Bruce und Neal Smith wirken hier alle noch lebenden Mitglieder der Ur-Band ALICE COOPER aus den 1960ern mit, um sich, abwechselnd in der Sängerrolle, augenzwinkernd an den Kopf zu werfen, warum sie sich gegenseitig hassen.

Lemmy ist tot, Ozzy vom Altersschwäche gezeichnet, selbst um King Diamond ist es still geworden … und ALICE COOPER? Macht mit 73 unbeirrt weiter, als wäre nur ein Zahlendreher passiert, und er eigentlich erst 37. War schon „Rise“ von seiner Allstar-Band Hollywood Vampires (mit Johnny Depp und Joe Perry) 2019 ein verdammt lässiges Rock-Album, setzt COOPER nun mit „Detroit Stories“ noch einen drauf: Mit seinem 28. Studioalbum taucht er nicht nur tief in den Flair seiner Heimatstadt, sondern auch in die Geschichte der Rockmusik ein. So authentisch kann das nur, wer dabei war, als der Rock ’n’ Roll geboren wurde – und so gut nur, wer in der Blüte seiner Jahre steht. Das lässt nur einen Schluss zu: Wir schreiben gerade das Jahr 1985. Q.E.D.

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Wertung: 9 / 10

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