Tacoma, eine Hafenstadt im pazifischen Nordwesten der USA, umgeben von atemberaubender Natur. Denn über den Köpfen der knapp 200 000 Einwohner erhebt sich der Mount Rainier, ein 4392 Meter hoher Schichtvulkan. Er ist Teil der Kaskadenkette, einem Gebirgszug, der entlang der nordamerikanischen Westküste verläuft. Eine Landschaft voll von tiefen Wäldern, rauem Gestein und tiefen Schluchten, durch die sich Bäche und Flüsse ihren Weg hin zum Pazifik bahnen. Im Norden der Stadt wohnt eine Gruppe junger Menschen, kaum einer von ihnen älter als 20 Jahre, zusammen in einem Haus. Einige von ihnen haben nach einer Periode der Obdachlosigkeit nach längerer Zeit endlich wieder ein Dach über dem Kopf. Und doch zieht es sie nach draußen, hinaus aus der Stadt: Dorthin, wo statt der Autos nur Wasser und Wipfel rauschen, wo außer dem Knacken des Lagerfeuers kein Anzeichen menschlicher Zivilisation die Stille stört. Dort finden ihre Seelen Ruhe.
Die gemeinsamen Erfahrungen in der Natur entfachen in den Jugendlichen einen kreativen Funken zum Feuer. Um die Flammen in die Welt hinauszutragen, gründen sie im Jahr 2007 eine Black-Metal-Band: ALDA. Spätestens mit seinem bisherigen Meisterstück „Passage“ (2015) hat sich der Vierer einen festen Platz an der Speerspitze der naturromantisch veranlagten amerikanischen Cascadian-Szene neben Wolves In The Throne Room und Falls Of Rauros erspielt. Dem jedoch gingen zwei weitere Alben voraus, die die deutsche Eisenwald Tonschmiede nun mit umfangreichen Linernotes und ansprechendem Design wiederveröffentlicht hat. So ist nun auch der selbstbetitelte Erstling, den die Band im Jahr 2009 in Eigenregie herausbrachte und kostenlos an ihr Konzertpublikum verteilte, wieder einem breiten Publikum in physischer Form zugänglich.
Musikalisch präsentiert sich das Debüt als typisches Sturm-und-Drang-Werk. Hinsichtlich Songwriting und Spieltechnik befindet sich die Gruppe hier noch ganz am Anfang ihres Wegs, was sich etwa darin äußert, dass nicht immer jeder Gitarrenton sauber aus den Speakern dringt oder so mancher Übergang von einer Idee zur nächsten noch ein wenig schwerfällig und unsicher daherkommt. Auch der Sound der Scheibe präsentiert sich eher glanzlos: Die E-Gitarren klingen basisch und ungeschliffen, die Drums ein wenig hölzern, der Bass geht häufig unter. Und das, obwohl die Band sich hier zum einzigen Mal in ihrer bisherigen Karriere ein professionelles Tonstudio geleistet hat. Den Hörgenuss schmälert das alles jedoch nur unwesentlich. Denn gerade aus seinen Fehlern zieht das Werk auch seinen Charme, zeugen sie doch vom Zauber des Angangs, verleihen sie doch der spirituellen und künstlerischen Sinnsuche seiner Schöpfer Ausdruck. In sechs Songs mit einer Spielzeit von schlanken 32 Minuten ist die rohe Essenz ALDAs zu hören.
All die Elemente, die die Gruppe später perfektionieren wird, sind bereits vorhanden. Der Opener „Scattered On The Wind“ geleitet mit ruhigem Neofolk, getragen von Akustikgitarren-Arpeggien und minimalistischer Percussion, in das Album hinein, ehe Wind-Samples den „Fimbulwinter“ einleiten. Das gemächlich-doomige Eröffnungsriff mündet in Tremologitarren, bis die Klimax scheinbar unausweichlich in einem Blastbeat kulminiert. Damit sind die Elemente vorgestellt, die „Alda“ auch in den kommenden Songs prägen. Als härteste Nummern fallen „The Seed And The Hailstone“ sowie das streckenweise beinahe punkige „Venom In The Waters“ auf. Der intensivste Song steht aber mit „The Evergreen Womb“ am Schluss. In ausladender Epik erzählt das Stück von den ewigen Kreisläufen der Natur, von Geburt und Wiedergeburt, Werden und Vergehen. „From the roots into the branches I am given form. Between light and shadow, fire and ice I rise and fall, becoming many.”
ALDA-Fans, die die Entwicklung ihrer Lieblinge nachvollziehen möchten, kommen am Debüt nicht vorbei. Die jüngste Neuveröffentlichung auf Eisenwald ist nun die ideale Gelegenheit, die Scheibe endlich in schmucker Aufmachung der Sammlung zuzuführen. Auch alle anderen Freunde atmosphärischen, naturverliebten Schwarzmetalls dürfen ein Ohr riskieren. Als Einstiegsdroge in die musikalischen Welten der Nordamerikaner dürften sich „Passage“ oder auch der Zweitling „:tahoma:“ jedoch besser eignen.
Wertung: 7 / 10