Review Alcest – Spiritual Instinct

Das Rad der Zeit dreht sich unaufhaltsam weiter. Mit ihm drehen sich Ziele und Ansichten. Noch 2014, als „Shelter“ gerade erschienen war, antwortete Neige im Interview auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, wieder Metal zu spielen: „Mit ALCEST sicher nicht, nein“. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, und war schon „Kodama“ in vielerlei Hinsicht eine Rückkehr zu den harten Klängen, sind ALCEST spätestens mit „Spiritual Instinct“ wieder voll und ganz zurück in die Welt des Metal.

Dazu passt nicht nur der Wechsel von Prophecy Productions, die ALCEST vom ersten Album an begleitet hatten, zum Donzdorfer Metal-Major-Label Nuclear Blast, sondern auch die Produktion von „Spiritual Instinct“: Waren „Shelter“ und in Teilen auch „Kodama“ noch von der luftigen Leichtigkeit einer Indie-Rock-Abmischung getragen, klingt das neue Werk vom initialen Bass-Intro an nach purem Metal. Dafür sorgen das trocken produzierte Schlagzeug, der nicht zuletzt die vielen Doublebass-Passagen sehr durchdringend klingen lässt, wie auch die ähnlich trocken abgemischten Gitarren, die in starkem Kontrast zu den früher stets eher weichen, halligen Sounds bei ALCEST stehen.

Stilistisch bleiben sich ALCEST trotzdem in hohem Maße treu: Auch diesmal stehen Melodieläufe und Neiges sanfte Stimme – ob er nun Text singt oder oder gezogene „Ahs“ – im Mittelpunkt. Als direkte Referenz aus dem eigenen Backkatalog lässt sich am ehesten „Ley Voyages De L’Âme“ heranziehen. Verglichen mit dem 2012er-Album mangelt es „Spiritual Instinct“ jedoch etwas an der Eingängigkeit: Denn bandtypisch nach ALCEST klingt hier alles; so einzigartig, dass es heraussticht oder direkt im Ohr bleibt, hingegen nur wenig. Offensichtliche Hits wie „Percées De Lumière“ sucht man damit vergebens.

So liegt die Qualität des Albums mit seinen sechs Songs und knapp 40 Minuten Spielzeit eher darin, auch ohne große Neuerungen (vom etwas verstörenden Elektro-Gewobbel unter „L’Île Des Morts“ einmal abgesehen) unterhaltsam zu bleiben. Das allein ist für die Musik eines so versierten und routinierten Komponisten wie Neige jedoch wenig überraschend: Gelernt ist schließlich gelernt.

Auch Rückentwicklung ist eine Entwicklung: Mit „Spiritual Instinct“ gehen ALCEST in einem ähnlich großen Schritt, wie sie ihn von „Shelter“ zu „Kodama“ gewagt hatten, weiter zurück zu den eigenen Wurzeln. Wer ALCEST als Metalband sowieso besser fand, dürfte sich mit dem nun wieder deutlich genretypischeren melancholischen Post-(Black-)Metal deswegen schnell anfreunden. Wer hingegen die allen Genreschubladen entschwebten ALCEST von „Shelter“ lieber mochte als die Metalband ALCEST, dürfte an „Spiritual Instinct“ etwas kompositorischen Witz vermissen.

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Wertung: 7.5 / 10

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Ein Kommentar zu “Alcest – Spiritual Instinct

  1. Mir fehlt im Review ein bisschen, dass ihr die Songs auseinander nehmt und durchleuchtet. Lediglich den Mort Song, im etwas negativen erwähnt, ist irgendwie sehr dünn.

    Abgesehen davon stimme ich aber dem Review schon auch zu. Ich mochte Shelter und Kodama auch sehr, sehr gerne. Neige komponiert großartige Musik weshalb der meiner Meinung nach machen kann was er will: Es klingt schön!

    Trotzdem mag auch ich die Metal Alcest deutlich lieber und auch wenn ein Percees de Lumiere wohl nie wieder getoppt werden kann, so hat dieses Album viele Trademarks und es macht großen Spass.

    Für mich eher eine 8.0 von 10.

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