Das Cover von "Take No Prisoners" von Alcatrazz

Review Alcatrazz – Take No Prisoners

  • Label: Silver Lining
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Heavy Metal

Was auch immer Sänger Graham Bonnet vorhatte, als er den Split mit der bisherigen ALCATRAZZ-Besetzung bekanntgab, der Plan scheint nicht so ganz aufzugehen. Während der britische Ex-Frontmann bestenfalls darüber redet, ein neues Album aufzunehmen, haben die anderen beiden Gründungsmitglieder Gary Shea und Jimmy Waldo mit Doogie White (u. a. Ex-Rainbow, MSG) einen mehr als fähigen Nachfolger gefunden. Mit dem neuen Mann am Mikrofon schuf die verbliebene ALCATRAZZ-Besetzung sodann Fakten und veröffentlichte mit „V“ vor zwei Jahren eine Art Comeback-Album, das die meisten Fans ihres charakteristischen Sounds überzeugt haben sollte. Mit „Take No Prisoners“ steht nun das nächste Werk der neuesten Inkarnation der Truppe in den Regalen.

ALCATRAZZ haben noch immer zwei maßgebliche Vorteile auf ihrer Seite: Gitarrist Joe Stump und Sänger Doogie White – das mag angesichts der Anwesenheit der beiden Urgesteine Gary Shea und Jimmy Waldo zunächst eigenartig klingen, aber es sind eben diese beiden Bandmitglieder, die man auf „Take No Prisoners“ am deutlichsten wahrnimmt. Müsste man die eindeutigen Kaufargumente für das  Album anführen, der phänomenale Gesang und das umwerfende Gitarrenspiel wären mit Sicherheit ganz oben auf der Liste. Rein im Hinblick auf die Performance und den technischen Anspruch steht die Platte ihrem überragenden Vorgänger also in nichts nach.

Betrachtet man das Songwriting, stellt sich die Situation jedoch etwas anders dar. Während „V“ sehr stark vom klassischen ALCATRAZZ-Sound geprägt war, sind Nummern wie „Alcatrazz“ oder „Power In Numbers“, die das Erbe der Band in jeder Note beinhalten, auf „Take No Prisoners“ in der Unterzahl. Das mag daran liegen, dass das Material dieses Albums erstmals völlig ohne Ur-Sänger Graham Bonnet entstanden ist und der Mann evtl. größeren Anteil am charakteristischen ALCATRAZZ-Stil hatte, als den verbliebenen Mitgliedern lieb sein könnte. Das Resultat ist jedenfalls ein überraschend düsteres Album, das mit Titeln wie „Battlelines“ oder „Holy Roller“ auch ein paar unerwartet moderne Songs zu bieten hat.

Ansonsten klingen ALCATRAZZ hier zwar nicht nach ihrem früheren Selbst, aber doch auffallend oft nach anderen Bands. Die Hammond-Orgel in „Don’t Get Mad … Get Even“ lässt in Verbindung mit den kantigen Riffs sofort an Michael Schenker Group denken und mit epischen Nummern wie „Stranges“ und „Salute The Colours“ begibt sich die Band ins Fahrwassern von Rainbow. Nun muss man kein studierter Musikwissenschaftler sein, um zu bemerken, dass dies alles Bands sind, denen Fronter Doogie White ebenfalls bereits vorstand. Entsprechend passt sein Gesang auch hervorragend zu diesen Stücken, nur klingen sie eben nicht wirklich wie ALCATRAZZ-Songs und das ist vor allem mit Blick auf seinen großartigen Einstand auf „V“ sehr schade.

Das Cover vom „Take No Prisoners“ hätte gut zu Alben wie „No Parole From Rock ’n‘ Roll“ oder „Disturbing The Peace“ gepasst und ist deshalb leider ein wenig unglücklich gewählt, denn inhaltlich entfernen sich ALCATRAZZ auf ihrem neuesten Langspieler etwas von ihrem klassischen Sound. Nun ist es sicher nicht der Wunsch ihrer Fans, dass sich die Truppe selbst plagiiert, ironischerweise kopiert sie auf ihrer neuen Platte aber vor allem andere Bands, in denen  Frontmann Doogie White gesungen hat. Somit wirkt „Take No Prisoners“ weniger wie ein neues ALCATRAZZ-Album als wie eine Würdigung der Karriere-Eckpfeiler ihres neuen Sängers – das passt insofern ganz gut, als dass die Band ja auch für ihre Konzerte immer mal wieder Schenker- und Rainbow-Songs ins Programm nimmt, ist auf CD aber ein wenig enttäuschend.

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Wertung: 7 / 10

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