Review Ahab – The Call Of The Wretched Sea

  • Label: Napalm
  • Veröffentlicht: 2006
  • Spielart: Doom Metal

„Nennt mich Ismael.“ … Einige werden nun ein beliebtes Palindrom bemühen und äußern: „Äh… hä?“ Doch wie anders könnte eine CD-Besprechung beginnen, in der es um ein Album geht, das Herman Melvilles Meisterwerk „Moby Dick“ vertont? Vor zwei Jahren machten sich die passend nach dem verrückten Walfängerkapitän benannten Süddeutschen von AHAB dazu auf, den mit der Zeit zu großer Berümtheit gelangten Roman in ein adäquates Soundgewand zu hüllen. Definitiv eine schwergewichtige Herausforderung, glänzt „Moby Dick“ doch durch eine unglaublich dichte, düstere, apokalyptische Atmosphäre.

Wenn es um eine solche Atmosphäre geht, ist kaum eine Musikrichtung zu deren Hervorrufung besser geeignet als Doom Metal; langsam, beklemmend, finster, das sind nur ein paar Adjektive, die gewöhnlich benutzt werden, um diese Musik zu beschreiben. Und genau das bekommt man hier auch: AHAB fahren so ziemlich das Dickste an Doom-Geschützen auf, was man sich so vorstellen kann – „lowtuned“ ist eigentlich noch eine zu schwache Bezeichnung. Erstmald sind die Gitarren runtergestimmt bis in die Hölle, und Daniel Droste ist wahrscheinlich hauptberuflich Subwoofer in der Disco – zumindest könnte man das vermuten, so abgrundtief growlt er hier die Texte, die teilweise aus Herman Melvilles Feder stammen, vor sich hin. Ja, richtig gelesen! Tatsächlich werden hier Zeilen gegrunzt, die Herman Melville einst erdachte. Was wohl seine Reaktion wäre, würde man ihm „The Call of the wretched Sea“ vorspielen? Wahrscheinlich würde er schreiend davonlaufen, schließlich lebte und wirkte der Mann im 19. Jahrhundert.

Doomfreunde des 21. Jahrhunderts hingegen werden einen starken Drang verspüren, ihre Matte zu den tonnenschweren und hervorragend produzierten Riffs im Zeitlupentempo zu schwingen. Stichwort Produktion: Mal abgesehen vom zurückhaltenden Bass ist alles klar vernehmbar und mächtig druckvoll, auf allem liegt eine Riesenportion Hall, der dem Ganzen einen gespenstischen Anstrich gibt. Doppel-D (man verzeihe mir den Wortwitz) rülpst die Lyrik leider so tief, dass man kein Wort versteht, daher am besten das Booklet zur Hand nehmen, sofern vorhanden; die Texte sind es wert, dass man sie beim Hören liest, und beim Tempo, in dem sie vorgetragen werden, hat man auch genug Zeit, über sie nachzudenken.
Angereichert wird das finstere Grundgerüst mit gelegentlichen Gitarrenmelodien oder wabernden Keyboards, die erst recht dazu beitragen, dass man sich beim Hören von „The Call of the wretched Sea“ regelrecht gruseln kann, wenn man nur geschickt genug darin ist, sich die Szenerie lebhaft vorzustellen. Ab und an lässt sich Missieu Droste auch zu choralem Gesang hinreißen, der hier ebenfalls wie Arsch auf Eimer passt; bei „The Sermon“ gibt es sogar Einspieler aus einer der Verfilmungen des Stoffes zu hören, bei denen wirklich jedem ein bärtiger, besessener und halb wahnsinniger alter Mann vor dem Auge erscheint, der seine Mannschaft auf die Vernichtung des gefürchteten weißen Wals einschwört.

Langer Rede kurzer Sinn: Herman Melvilles Roman wurde gebührend umgesetzt, die Atmosphäre, die dieses Album in gut 67 Minuten kreiert, kann sich absolut sehen lassen. Die Art und Weise, auf die hier Stimmung erzeugt wird, wird der Vorlage absolut gerecht. Kleines Manko: Es gibt keine großen Variationen, was das Tempo betrifft… gut, eigentlich gibt es gar keine Variationen. Dafür wirkt das Album aber wie aus einem Guss. Doom-Jünger haben hier ein wirkliches Schmankerl vor sich und sollten sich nach dem Album oder nach der raren Vinyl-Version umschauen. Und vergesst nicht bei einem Fund zu rufen: „Wal, da bläst er!“

Wertung: 8.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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