Ich könnte jetzt nicht behaupten, dass die Belgier AFTER ALL schon mal meine wahrnehmung gekreuzt hätten. Dabei sind sie immerhin schon seit gut zwei Dekaden aktiv. Die Ursprünge der Band gehen bis ins Jahr 1987 zurück, als die Gitarristen Dries Van Damme und Christophe Depree Crap Society gründeten. Nach Line-Up-Wechseln benannte man sich erst in At Last um. Als man jedoch feststellte, dass sich eine weitere Formation aus der Heimatstadt Brügge so nannte, erfolgte die erneute Umbenennung in AFTER ALL anno 1990.
Im Jahre 1995 veröffentlichten sie ihr erstes Album „Wonder“. Seitdem gab es regelmäßige Releases bei unterschiedlichen Labels. Seit 2005 stehen AFTER ALL bei Dockyard1 unter Vertrag und veröffentlichen nun dort mit „Cult Of Sin“ ihr drittes Werk unter dem Banner des Labels und das insgesamt siebte Album der Bandgeschichte.
AFTER ALL sind dem Thrash Metal zuzordnen. Wenn man dem Promo-Flyer Glauben schenken kann, verbinden sie ihren unbarmherzigen Thrash Metal mit Power und Melodien. Naja, Power ist im Thrash Metal ja ohnehin genügend vorhanden. Besonders unbarmherzig finde ich AFTER ALL jetzt auch nicht. Da habe ich schon andere Extreme gehört. Und Melodien? Nun, in allen Bereichen der Musik gibt es Melodien – mal mehr, mal weniger. Auf „Cult Of Sin“ finde ich die Anteile – abgesehen von einigen Licks – eher gering. Die Hauptdevise ist wuchtiger, allerdings nicht übermäßig aggressiver Sound. Das Meiste spielt sich im Up-Tempo ab mit regelmäßigen Double-Bass-Attacken und jeder Menge Stakkato-Riffing. Der Gesang ist zwar clean, aber durchweg die raueste Variante davon. Variablität ist Fehlanzeige.
Es schleicht sich schnell der Eindruck ein, dass Etliches gleich klingt. Vielfalt ist nicht unbedingt eine kompositorische Eigenheit der Belgier. Bei „Betrayed By The Gods“ wird mal das Geschwindigkeit-Gebolze kurzzeitig unterbrochen und im Mid-Tempo gestampft. Ansonsten ähneln sich Konstrukte bisweilen so sehr, dass man kaum den Songübergang wahrnimmt (wie in meinem Fall bei „End Of The World“ zu „Land Of Sin“ geschehen). Im ein oder anderen Solo werden Lead-Melodien ausgepackt, die ein wenig an Old-School-Speed-Metal erinnern. Um Akzente zu setzen, reicht aber auch dies meines Erachtens nicht.
Auch die Höhepunkte sind oft nicht sehr gut herausgearbeitet und stechen zu wenig hervor. Eine Ausnahme bietet „Scars Of Action“ mit seinem leicht hymnischen Refrain. Alles, was ein wenig nach Abwechslung klingt, wird vom Gehör mit zunehmender Begeisterung aufgenommen, wie das episch-melodische Interlude „Doomsday Elegy (2012)“, das aber alsbald von der nächsten Power-Attacke abgelöst wird.
Zum Ende hin kommen mit „Hollow State“ und „Release“ noch zwei Songs, deren Konstrukte mit Intensitätswechseln Potential erkennen lassen und die auch mit variantenreichem Gitarrenspiel etwas punkten können. Die energetisierte Coverversion von Dios „Holy Diver“ zum Abschluss ist ganz in Ordnung. Aber es geht selbstverständlich nichts über das Original.
Auch wenn ich mich großteils wenig positiv über „Cult Of Sin“ auslasse, will ich nicht sagen, dass das Album durchgehend schlecht ist. Es fehlt nur ganz klar an Abwechslung und prägnanten Eindrücken, und so bewegt es sich in einer recht belanglosen Mittelmäßigkeit. Das technische Können will ich den Instrumentalisten gar nicht abspechen. In Sachen Songwriting können die Belgier aber leider nicht überzeugen. Der Gesang mag zwar zum wuchtigen Sound passen, ist aber zu inflexibel. „Cult Of Sin“ läuft bei mir deshalb unter Thrash Metal von der Stange. Genre-Puristen sollen mal reinhören. Vielleicht entdecken sie mehr Highlights als ich.
Wertung: 5 / 10