Manchmal ist es ganz gut, ein wenig zu recherchieren, bevor man sich an eine Rezension setzt. In diesem Fall wäre das beinahe schön schiefgegangen, denn eigentlich sollte die Einleitung in etwa folgendermaßen klingen: Auf dem Weg zur Arbeit hört man ganz gerne mal die Nachrichten im Auto und den Verkehrsfunk, das ist praktisch. Und ebenso praktischerweise lernt man so hin und wieder Musik kennen, die sonst an einem vorbeigezogen wäre. So auch im Fall der britischen Sängerin ADELE, die kürzlich ein V.I.P.-Konzert bei WDR 2 gegeben hat. Begeistert durch die Stimme der jungen Dame fiel der Entschluss schnell: Ein Review muss zu diesem Geheimtipp her.
So weit, so gut, dann mal schnell Wikipedia angeworfen. Huch, Anfang 2012 hat sie bereits schlanke 55 Mio. Platten verkauft. Also in die Tonne mit der Einleitung, wobei die grundsätzliche Aussage natürlich die gleiche bleibt, ADELE präsentiert sich auf ihrem zweiten Album nicht nur mit einer großartigen Stimme mit einem gewaltigen Repertoire in Sachen Variabilität und Tonhöhenumfang, sondern sie schreibt auch großartige Songs, die es wert sind, auch außerhalb der 08/15-Charts gehört zu werden. Der eine oder andere wird vielleicht die Singles „Rolling In The Deep“, „Someone Like You“ und vor allem „Set Fire To The Rain“ kennen, und diese Songs sind es auch, die die Säulen von „21“ bilden. Die drei „E“ haben ADELE dahin gespült, wo sie sich heute wiederfindet: Eingängigkeit, Eingängigkeit, Eingängigkeit. Begrüßenswert, wie dies in Songs mit völlig unterschiedlichen Ansätzen gelingt, mal richtiggehend treibende Rhythmen, mal dezente Klavierbegleitung, schüchterne Streicher und traurige Akustikgitarren, wobei sich hier bereits ein erster Kritikpunkt anbietet, denn die sechs Saiten klingen in meinen Ohren doch zu selten – jedenfalls wenn man im Metal zu Hause ist und kein Geringerer als Rick Rubin für die Produktion mitverantwortlich ist.
Erstaunlich für mich, wie aufgeräumt die junge Dame wirkt. Sie ist keine 24 Jahre alt, legt aber das Selbstbewusstsein eines ganz alten Hasen an den Tag und verstrickt sich dabei, nach meiner bescheidenen Beobachtung, in keinerlei verkaufsfördernde Skandälchen, was sie aber auch überhaupt nicht nötig hat. Sie lässt lieber ihre Stimme erklingen, mal voller Kraft, mal voller Zerbrechlichkeit, aber immer authentisch. Das möglicherweise Außergewöhnlichste ist allerdings, dass ADELE ihre Songs größtenteils zumindest mitverfasst. Im Metalbereich vollkommen undenkbar, ist es bei der kommerziellen Musik doch eher Gang und Gebe, die Lieder von irgendwelchen Hampelmännern im Hintergrund schreiben zu lassen. Ich behaupte einfach mal, man merkt es dem Album an, die Songs haben Seele, sie atmen begierig die Luft, die ihnen die Sängerin einhaucht.
Leider klingt das alles ein wenig zu schön. Für den konsumorientierten Normalhörer ist das sicher ein ganz tolles Album, legt man den eigenen Anspruch höher, merkt man schon nach einer Handvoll Durchläufen, dass sich die Musik relativ schnell abnutzt. Sicher nimmt man sie immer wieder gerne hervor, wenn es mal gerade nicht Immortal oder Emperor sein muss, aber dauerhaft beginnen die Lieder doch ziemlich zügig zu langweilen. Daran ändert auch das Cover „Lovesong“ von den Düsterrockern The Cure nichts, ich muss sogar soweit gehen zu sagen, dass der Song nicht einmal sonderlich auffällt. Dazu kommen die insgesamt wenig aufhorchen lassenden lyrischen Themen: Beziehung, Probleme in der Beziehung, Ende der Beziehung sind so die gängigen „Problematiken“, die diskutiert werden. Nun, bei aller Authentizität unterstellen wir ADELE mal, dass dies wirklich Dinge sind, die sie beschäftigen und die sie nicht zur Freude des angestrebten Publikums angeht.
Man kann „21“ kaufen, gefallen wird es wahrscheinlich größtenteils auch. Ein „Must-Hear“ ist es keinesfalls, die Kritikpunkte sind genannt und auch wenn ich mich wahrlich nicht als Kenner der Chartszene darstellen möchte, bin ich mal so selbstbewusst zu behaupten, dass die genannten Punkte außerhalb der üblichen Käuferschicht für keine allzu nachhaltige Wirkung sorgen werden. Aber das dürfte angesichts von Millionenabsätzen absolut zu verschmerzen sein. Man kann nur hoffen, dass die stimmgewaltige Britin auch weiterhin von Skandalen und Exzessen verschont bleibt, sie wäre nicht die erste, die wie eine Supernova aufleuchtet und dann zu einem schwarzen Loch zusammenfällt.