Wer mein Review zur Debut-CD von ABSTRACT SPIRIT gelesen hat, der wird sich schon denken können, dass das Nachfolgewerk der russischen Funeral Doom Metal Band nicht unbedingt unter den ersten fünfzig Rängen meiner „Scheiben die lieber gestern als heute rausgekommen sein sollten“-Liste zu finden war. „Liquid Dimensions Change“ war zwar eine nette Scheibe und eignete sich dank abgespaceten Melotron-Parts relativ gut als Hintergrundbeschallung bei diversen Pen & Paper-Rollenspielabenden oder für eine Runde Arkham Horror, darüber hinaus stellte das Ding mein Weltbild aber nicht gerade auf den Kopf. Nach (zumindest für meine Begriffe) relativ kurzer Ruhepause (von etwa einem Jahr) trudelte dann aber auch schon der zweite Streich des Trios aus Moskau bei mir ein, betitelt „Tragedy And Weeds“ (und irgendwie… äh… merkwürdig illustriert, vielleicht hat der Designer irgendwie schepp geguckt, jedenfalls sind Front- und Backcover meiner Version der CD um ungefähr 90 Grad gedreht… vielleicht Absicht, man weiß es nicht).
Und seltsamerweise wissen ABSTRACT SPIRIT mit ihrer zweiten Scheibe zu überraschen. Denn anstatt einen uninspirierten Abklatsch von „Liquid Dimensions Change“ abzuliefern, macht „Tragedy And Weeds“ wirklich den Eindruck einer durchdachten, reiferen CD als der leider relativ gleichförmige Vorgänger. Das Grundgerüst der Musik ist gleich geblieben, gespielt wird immer noch stampfender, bösartiger Funeral Doom Metal mit extrem tief gestimmtem Growlgesang aus der Kehle von A.K. iEzor (vormals À.Ê, an ihren Pseudonymen haben die drei Russen auch gearbeitet) mit heftigem Keyboardeinsatz. Die Melotrons sind hin und wieder noch vorhanden, aber auch hier geht man vielseitiger zu Werke als noch auf dem Vorgänger. Mal gibt’s ein paar Orgelklänge zu hören, dann wieder Streicher, die wohl interessanteste Idee des Trios findet sich aber bei „Funeral Waltz“, denn hier darf eine ziemlich schief und quer verstimmte Trompete ein paar Melodien zum Besten geben. Das klingt zwar erstmal etwas befremdlich, entfaltet aber eine ganz eigene, abstrakte, bedrohliche Atmosphäre.
Ganz so abgespacet wie der Vorgänger ist der Zweitling allerdings nicht geworden. „Tragedy And Weeds“ klingt bodenständiger, wahrscheinlich aber auch gerade dadurch bösartiger und unheimlicher. Die dröhnenden Gitarren und A.K. iEzors Mördergrowls sind schon sehr fies geraten, entfalten aber gerade wenn man sie direkt neben die eher ruhigen Pianoparts oder die gemischten Chöre (bei I. Stellarghost handelt es sich um eine Frau, wie ein Blick ins Booklet mich wissen ließ) stellt, wirken sie gleich noch mal so gut.
Nach all dem Lob muss aber wohl direkt gesagt werden, dass „Tragedy And Weeds“ zwar eine gute CD ist und eine, die mir persönlich mehr Spaß macht, als ABSTRACT SPIRITs Debut, aber letzten Endes nicht mehr als das. Alles an diesem Album ist mindestens grundsolide ohne Ausfälle, allerdings wird der geneigte Hörer hier kaum etwas finden, was wirklich exzeptionell gut ist. Mit seinem zweiten Album liefert das Trio aus Moskau also einen extrem runden Sechzigminüter ab, der – begnadeter Atmosphäre sei’s gedankt – jedem Funeral Doom Metal Fan viel Spaß bereiten dürfte und dessen Kauf eigentlich niemand ernsthaft bereuen sollte, in besonders viele „Lieblingslisten“ wird das gute Stück es aber wohl nicht schaffen. Trotzdem blicke ich dem nächsten Album von ABSTRACT SPIRIT gespannt entgegen, denn da, wo „Tragedy And Weeds“ herkommt, vermute ich noch viel mehr Potential für ordentliche Musik.
Wertung: 8.5 / 10