Review Aborym – Hostile

Kein Zweifel: „Produced by Keith Hillebrandt (Nine Inch Nails, David Bowie, a.o.)“ funktioniert als Hingucker. Doch der Satz, so zu lesen auf ABORYMs neuem Album „Hostile“, erfüllt auch eine Funktion: Bei diesen Namen denkt man an alles, nur nicht an Industrial Black Metal. Und das ist gut so, denn spätestens mit diesem Werk verabschieden sich ABORYM nun ganz von diesem Genre.

Etwas vollmundig ist das Namedropping zwar schon, denn der Sound-Designer aus San Francisco war nur zeitweise (etwa bei „The Fragile“) bei NIN involviert und hat nur einen Bowie-Song geremastert. Aber sei’s drum: Für ABORYM scheint Hillebrandt in der Rolle des klassischen Produzenten ein Glücksgriff gewesen zu sein. Während Andrea Corvo (Synthesis Studio, Rom) als Verantwortlicher für Aufnahmeleitung, Mix und Mastering fungierte, agierte Hillebrandt wohl als eine Art Supervisor. Dem Album hat dieses fast archaisch anmutende Konzept (welche kleinere Band arbeitet denn heute noch mit einem Produzenten, der kreative Entscheidungen trifft?) jedenfalls nicht geschadet. Zumindest, wenn man offen für neue, ruhige Töne aus dem Hause ABORYM ist.

Ganz neu ist die musikalische Ausrichtung freilich nicht: Die kompromisslose Aggression in Form von High-Speed-Geballer, wie es noch bis „Dirty“ (2013) den Sound der Italiener geprägt hatte, war schon auf „Shifting.Negative“ (2017) weit in den Hintergrund getreten. Auf „Hostile“ ist davon bis auf wenige eruptive Momente, etwa in „Stigmatized (Robotripping)“, nichts mehr übrig. Und selbst dieser Song geht später eher in Richtung Post-Rock. Wer also hofft, „Shifting.Negative“ sei ein Ausrutscher gewesen, wird enttäuscht – wer hingegen stilsicher arrangierten, elektronisch geprägten Alternative/Post-Rock hören möchte, ist mit „Hostile“ goldrichtig beraten.

Bereits der Opener „Disruption“ stampft nach etwas Vorgeplänkel ordentlich drauflos und lässt eher an Marilyn Manson als an Mysticum denken. Mehr noch gilt das für das rockige „Proper Use Of Myself“: ABORYM arbeiten hier mit einem Mix aus druckvollen Riffs und luftig arrangierten Elektronik-Passagen – Peter Tägtgrens Pain lassen grüßen. Und dann ist man auf einmal im Ulver-Universum, mit Klargesang und ruhigen Beats zum Einstieg für das extrem eingängige „Horizo Ignited“, das in seiner Vielfalt (inklusive Drum-’n‘-Bass-Part) ebenso von Manes stammen könnte. Kein Ausreißer: „The End Of A World“ schlägt später nochmal in diese Kerbe. Und in „Solve Et Coagula“ wird es mit einem Saxophon dann endgültig proggig.

Auch gesanglich setzen ABORYM für „Hostile“ auf Vielseitigkeit: Screams kommen genauso zum Einsatz wie Geflüster … und immer wieder Klargesang. So bekommt „Sleep“ zwischendurch sogar einen fast schon poppigen Touch, und im finalen „Magical Smoke Screen“ gibt es auch noch ein Gesangssolo mit starker Frauenstimme. All das ist mutig, funktioniert aber zusammen erstaunlich gut, sodass „Hostile“ über mehr als eine Stunde hinweg weder langweilig wird noch zerfahren wirkt.

Ob es tatsächlich an Keith Hillebrandt liegt oder schlicht an der Tatsache, dass „Hostile“ das erste ABORYM-Album ist, das in einer festen, vierköpfigen Besetzung geschrieben und arrangiert wurde, spielt am Ende eigentlich keine Rolle. Fakt ist: Die Personenkonstellation und die Arbeitsweise funktionieren. ABORYM verfolgen den mit „Shifting.Negative“ eingeschlagenen Pfad so konsequent weiter, dass „Hostile“ gleichermaßen logisch wie unerwartet klingt. Vor allem aber: spannend – und das 66:04 Minuten lang.

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Wertung: 9 / 10

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