Dass sich ausgerechnet eine Black-Metal-Band dazu berufen fühlt, in ihrer Musik Inspirationen aus dem im 18. Jahrhundert aufgekommenen Gedankengut der Aufklärung zu verarbeiten, mag vor dem nicht gerade von Vernunft geprägten Hintergrund des Genres abstrus wirken. Allerdings ist Black Metal schon vor langer Zeit über seine verklärend satanistischen und heidnischen Ursprünge hinausgewachsen – er hat sozusagen seine eigene Aufklärung durchlaufen. Es fällt demnach keineswegs aus dem von der Stilrichtung vermeintlich vorgegebenen Rahmen, dass das Schweizer Duo AARA sich auf seinem zweiten Album „En Ergô Einai“ in diesem Kontext mit der vergeblichen Suche des Menschen nach Perfektion auseinandersetzt und dazu auch Einflüsse klassischer Musik miteinbezieht.
Die durchaus nicht bescheidenen Ambitionen der zweiköpfigen Band, die sich auf Pressefotos hinter unheimlich grinsenden, venezianischen Karnevalsmasken verbirgt, kündigen sich bereits im sphärisch-flächigen Clean-Gitarren-Intro des neunminütigen Eröffnungstracks „Arkanum“ an, für das niemand Geringerer als Vindsval (Blut Aus Nord) verantwortlich zeichnet. Wähnt man sich hier noch inmitten eines schwerkraftlosen, immateriellen Raumes, so holen AARA den Hörer alsbald mit ihren zutiefst bedrückenden Tremolo-Riffs, handfesten Blast-Beats und spitzen, kaum erkennbar artikulierten Screams auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ebendiese Stilelemente sollen auch im weiteren Verlauf der lediglich 34 Minuten langen Platte das vorrangige Transportmittel für die von AARA vertonten Überlegungen bleiben. Zwar lassen die Schweizer auf „Aargesang (Aare II)“ und „Telôs“ mit unscharfen, geisterhaften und mitunter fast schon sakralen Chören aufhorchen, die meiste Zeit über passt „En Ergô Einai“ jedoch sogar problemlos in die engere Black-Metal-Schublade.
Im Hinblick auf das ungewöhnliche Textkonzept mag diese allzu konventionelle Herangehensweise anfangs enttäuschen, mit ihrer stimmigen Melodieführung gelingt es AARA jedoch weitgehend, ihren Mangel an Einzigartigkeit aufzuwiegen. So prägen sich die Kompositionen, die mit ihrem betrüblichen Grundton eher am Post-Black-Metal als an der althergebrachten Form des Genres orientiert zu sein scheinen, nach und nach ein. Auch an der wuchtigen Produktion gibt es abgesehen von dem Umstand, dass die ohnehin nicht sonderlich vielfältigen Vocals im Mix ein bisschen zu kurz kommen, letztlich kaum etwas auszusetzen.
Wer sich aufgrund des vielversprechenden Themenkomplexes, den AARA in ihrem zweiten Album aufgreifen, ebenso viel von der Musik erhofft, muss sich auf eine leicht ernüchternde Erfahrung gefasst machen. Obgleich die Post-Black-Metaller mit ihren Liedern wohl bei niemandem ein derart bahnbrechendes Umdenken auslösen werden, wie es die Vordenker der rationalen Reformbewegung vor Jahrhunderten vollbracht haben, kann man den Schweizer jedoch zumindest zugestehen, dass sie mit „En Ergô Einai“ ein mehr als solides Stück emotionaler Tonkunst geschaffen haben. Wer für die melancholische Seite des Black Metal zu begeistern ist, sollte AARA durchaus einiges abgewinnen können.
Wertung: 7.5 / 10