20 Jahre und kein bisschen leise. Dass 36 CRAZYFISTS vor ihrem neuen Album „Time And Trauma“ eine fünfjährige Releasepause einlegten, war aufgrund ihres bis dahin unermüdlichen Tour- und Albumpensums nur folgerichtig. Dass das 2015 erscheinende siebte Album der Band – die es wie kaum eine zweite schafft, Elemente aus der New Wave Of American Metal mit Post-Hardcore und Hard Rock zu verbinden – immer noch frisch und unverbraucht klingt, zeigt, dass dieser Einschnitt gut getan hat. Heftige Riffs dominieren das Geschehen, verbinden sich mit eindringlichem Gesang, Growls und Geschrei, geradlinigen hardrocklastigen Momenten, Double-Bass-Gewittern und rhythmischen Spielereien zu etwas ganz Eigenem. Dass dennoch Erinnerungen an die frühen 2000er wachgerufen werden, als neben den 36 CRAZYFISTS Bands wie die Deftones oder auch Thursday ihre Hochzeit erfuhren, ist umso schöner, da der Sound auf „Time And Trauma“ nie aus der Zeit gefallen wirkt. Dabei schöpft die Band aus Alaska besonders in der zweiten Hälfte des Albums ihr gesamtes Potential aus.
Der starke Opener „Vanish“ eröffnet das Album gewohnt bretternd und haut dem Hörer eine Breitseite nach der anderen um die Ohren, bevor „11.24.11“ mit einem Riff einsteigt, für das sich auch Mastodon nicht schämen müssten. „Sorrow Sings“ macht es sich irgendwo zwischen Korn, den Deftones und Marilyn Manson bequem, wobei stets klar ist, mit welcher Band man es hier zu tun hat. Den ersten Ruhepunkt gibt es erst am Ende des Titelstücks, auch wenn die Gitarren hier nur kurz ihre stark verzerrten Gitarren und heftigen Riffattacken unterbrechen. Leider können den einzelnen Songs bis zu diesem Zeitpunkt – mit Ausnahme des ruhigen Endes des Titelstücks – kaum individuelle Charakterzüge zugeordnet werden, da stattdessen eine Erfolgsformel immer wieder durchgespielt wird.
Ab „Translator“ zeigen 36 CRAZYFISTS allerdings, dass sie es sehr wohl beherrschen, ihre Intensität durch das Wechselspiel zwischen ruhigen und leisen Momenten, zwischen geradlinigen Nackenbrechern und komplexen Rhythmen, zwischen sehnsüchtigem Gesang und fiesem Gekeife in begeisternde Songstrukturen zu kanalisieren. Zwar fängt auch diese Nummer ruhig und mit verhalltem Gesang an, geht aber nach diversen drückenden Passagen gegen Ende in eine ultramelodiöse Passage über, die dem Song eine mitreißende Note verleiht. Ihren Höhepunkt findet dieses Songwriting, welches auch in den folgenden Tracks zu begeistern weiß, im Abschlusstrack „Marrow“, welcher durch zusätzlichen Frauengesang und seine verschleppte, melancholische Grundstimmung sowie durch das Wechselspiel zwischen laut und leise besonders heraussticht.
Insgesamt weiß „Time And Trauma“ mit etlichen, fetten nackenbrecher Riffs und durch seine Geradlinigkeit zu überzeugen, besonders, da 36 CRAZYFISTS dabei nie stumpf zu Werke gehen. Dennoch wäre in der ersten Hälfte des Albums ein wenig mehr Abwechslung und Eigenständigkeit einzelner Songs wünschenswert gewesen, was nicht bedeutet, dass die ersten sechs Nummern per se schlecht wären. Dass die vier Musiker ihr Handwerk definitiv beherrschen, zeigen sie in der zweiten Hälfte von „Time And Trauma“. So oder so ist klar, dass die Band auch 2015 noch eine absolute Berechtigung besitzt und 36 CRAZYFISTS im Gegensatz zu vielen anderen lang gedienten Gruppen keinerlei Kompromisse in Richtung Mainstream eingehen und mit ihrem eigenen Zugang zu Crossover nach wie vor mitreißen können.
Wertung: 7.5 / 10