Konzertbericht: ZSK w/ Zebrahead, Tyna

Spätestens die Pandemie hat uns gelehrt: Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Und so ist es auch absolut nicht verwerflich, dass ZSK nach ihrer mehrfach verschobenen „Ende der Welt“-Tour und der Support-Show für Rise Against nun bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres nach München kommen. Denn immerhin gibt es die Band nun 25 Jahre – und wie könnte man ein solches Jubiläum besser zelebrieren als mit einer Jubiläumstour mit einigen Überraschungen.

Als Vorband haben die Berliner Skatepunks die Newcomer TYNA ins Boot geholt: Irgendwo zwischen The Toten Crackhuren Im Kofferraum und Blond zu verorten, liefert die Wahl-Hamburgerin mit ihrer Band einen bunten Mix aus Deutschpunk, Alternative Rock und poppigen Synthie-Sounds. Das funktioniert – zumindest live – schon ziemlich gut: Die engagierte Show wird vom gutgelaunten Publikum mit dem ersten Pogo und sogar einer ersten Wall Of Death quittiert, und auf ihre Awareness-Ansage zum Thema Mental Health bekommt TYNA viel Applaus.

Doch das soll erst der Auftakt zu einem Euphorie-geschwängerten Abend gewesen sein. Mit ZEBRAHEAD aus Kalifornien haben sich ZSK eine ebenbürdige Punk-Rock-Größe als Sparring-Partner eingeladen. Und tatsächlich performen die fünf Herren aus La Habra, Orange County, auf einem Niveau, das absolut Headliner-würdig wäre: Schon beim dritten Song, „No Tomorrow“, gibt es einen fulminanten Circle-Pit und auch sonst macht das Publikum jeden Spaß mit. Schon bald wird die energiegeladene Band allerdings von der Technik ausgebremst: Nach nur vier Songs fällt die gesamte Soundanlage aus, es bedarf mehrerer Anläufe, ehe das System wieder stabil funktioniert.

Das Publikum nimmts mit Humor und fordert in jeder der ungeplanten Unterbrechnungen der schweißtreibenden Show unversehens lautstark „Zugabe“. Und auch die Band lässt sich von der Panne die Laune nicht verderben: Bei der ersten Unterbrechung crowdsurft Sänger Ali Tabatabaee direkt bis nach hinten zum FOH-Soundmann, um zu fragen, was los ist – bei der zweiten Unterbrechung holen ZEBRAHEAD kurzerhand Fans auf die Bühne, auf der praktischerweise eh schon eine Bar mit breiter Getränkeauwahl aufgebaut ist.

Als die Technik dann – ausgerechnet als der Gitarrist gerade Rammsteins „Du Hast“ anspielt – endlich wieder funktioniert, ist nicht nur die Band begeistert („Rammstein brought us back!“), sondern auch die Stimmung in der Halle eine ganz besondere: Die Anspannung darüber, wie es mit dem Abend wohl weitergehen wird, wandelt sich in Erleichterung und Euphorie. Als ZEBRAHEAD dann noch einen Roadie auf einer mannshohen aufblasbaren Melonenscheibe zum Circlepit-Crowdsurfen schicken, haben die Amerikaner ihre mitreißende Performance noch um einen unvergesslichen Moment erweitert. Ganz stark – und eine echte Herausforderung an den heutigen Headliner.

Doch wer ernsthaft daran zweifelt, dass ZSK als Main-Act im quasi ausverkauften Backstage Werk da nicht mithalten könnten, kennt die Berliner schlecht: Schon mit dem Hit „Darwin“ vom neuen Album „Hass/Liebe“ als Opener machen ZSK alles richtig. Was folgt, ist ein wahres Best-Of-Set mit all den (nicht ohne Grund) in jedem Set zu findenden Klassikern, aber auch einigen lange nicht gespielten Hits („Küsst die Faschisten“, „Riot Radio“), die über ein Fan-Voting ins Set gewählt wurden. Wie immer bei ZSK ist die Musik aber nur ein Teil des gebotenen Entertainments: Auch heute wissen Joshi und seine Mitstreiter mit einer so sympathischen wie souveränen Performance zu begeistern.

Immer wieder steht Fronter Joshi mit mindestens einem Bein auf der Absperrung, zu „Es müsste immer Musik da sein“ wagt er den Stage-Dive-Purzelbaum ins Publikum und für die Gänsehaut-Ballade „Und ich höre dich atmen“ stellt er sich mitten ins nun wie ums Lagerfeuer herum sitzende Publikum. Doch auch ZSK bleiben vor technischen Problemen nicht verschont: Dass die Band ausgerechnet den Song „Neuanfang“ wegen eines Gitarrendefekts dreimal neu anfangen muss, entbehrt nicht ganz der Komik – selbiges gilt für den von Gitarrist Arne zur Überbrückung vorgetragenen Hamster-Witz.

Bei alle der Unterhaltung kommt aber natürlich auch die politische Message wie immer nicht zu kurz: Immer wieder branden „Ganz München hasst die AFD“-Sprechchöre auf, zu „Alle Meine Freunde“ ziehen ZSK ein riesiges „FCK AFD“-Banner hoch und zur finalen Anti-Nazi-Hymne „Antifascista“ bekommen die Berliner auch noch tatkräftige Unterstützung von Zebrahead-Gitarrist Adrian Estrella. Damit ist nach rund 90 Minuten Showtime auch wirklich alles gesagt und ZSK entlassen ihre durchgeschwitzten, aber rundum glücklich wirkenden Fans in die Nacht.

ZSK sind in München immer gern gesehene Gäste – eine Show wie die heutige hat man von den Berlinern hier aber noch nicht gesehen. Sechzehn Jahre, nachdem die Band an gleicher Stelle vor nur 17 (!) zahlenden Gästen auftreten musste, kann sich das Quartett bei ihrer Jubiläumsshow über 1.400 jubelnde Fans freuen. Davon sichtlich beeindruckt, legen ZSK einen musikalisch und emotional mitreißenden Auftritt hin. Dass die Berliner mit ZEBRAHEAD einen lupenreinen zweiten Headliner mitgebracht haben und mit TYNA sympathischerweise eine echte Newcomer-Band fördern, macht diesen Abend schon früh im Jahr zu einem der Konzerthighlights 2023.

Publiziert am 22. Februar 2023 von Moritz Grütz

Fotos von: Afra Gethöffer-Grütz