Festivalbericht: Wave-Gotik-Treffen 2024

17.05.2024 - 20.05.2024 Leipzig

Das Wave-Gotik-Treffen (WGT), der wohl schönste Ort für alle Anhänger der Finsternis rund um das Pfingstwochenende fand dieses Jahr bereits das 31. Mal statt und lockte erneut über 18.000 Besucherinnen und Besucher nach Leipzig. Wie es bereits seit langer Zeit Tradition ist, bietet das Festival nicht nur Konzerte in verschiedenen Locations über die ganze Stadt verteilt, sondern hat auch allerlei Lesungen, Märkte, Ausstellungen, Filmaufführungen und Theater auf dem Programm.

Offizieller Beginn des Festivals ist prinzipiell Freitag, doch bereits Donnerstag pilgern viele Gothics in die Messestadt, um sich ihr Bändchen zu sichern, eine der Pre-Partys zu besuchen und, wie es der Festivalname schon verrät, das fast schon familiäre Treffen einzuläuten. So ist an der Bändchen- und Ticketausgabe vor dem Bahnhof schon am Donnerstag großer Andrang zu beobachten. Das gesamte Festivalprogramm wird im sogenannten Pfingstboten detailliert studiert, den es an jeder Ausgabe zu erwerben gibt und der als gebundenes Buch wirklich einiges hermacht.

Freitag, 17.05.2024

Der angekündigte Regen bleibt auch freitags glücklicherweise noch aus, doch es ist sehr windig und vergleichsweise kühl. Keine guten Randbedingungen für das viktoianische Picknick im Clara-Zetkin-Park, das sich in den letzten Jahren als absoluten Pflichttermin etabliert hat. Neben zahlreichen imposant gekleideten Besuchern finden auch allerlei Schaulustige den Weg in den Park. Es wird zwanglos miteinander geredet, getrunken und Fotos gemacht und so für eine angenehme Stimmung gesorgt. Bei einem anschließenden Spaziergang durch die Innenstadt fällt auf, dass die gesamte Stadt sich dem Festival verschrieben hat. Zahlreiche Läden sind schwarz dekoriert und bieten spezielle Aktionen an. Das WGT und Leipzig sind eindeutig fest miteinander verwurzelt.

Am Nachmittag startet dann auch das offizielle Programm und einige Locations werden schon früh von zahlreichen Besuchern überlaufen. Hierbei wird auch mehrmals Kritik geäußert, dass einige Acts in zu kleinen Locations angesetzt werden und daher nicht alle Fans Platz finden. Doch ist dies bei knapp 50 Locations und einem derart umfangreichen Programm auch wirklich eine Mammutaufgabe und die Mehrheit der Besucher zeigt großes Verständnis für längere Wartezeiten oder Einlassstopps.

Im Hellraiser, einer der bekanntesten Metal-Locations in Leipzig, steht an diesem Tag Black- und Death Metal im Vordergrund. Nach ANOMALIE und OPHIS wird mit MORTIFERUM die Death-Metal-Keule ausgepackt. Im Anschluss zeigen die Durchstarter von GAEREA erneut, warum sie derzeit zu einer der gefragtesten Bands gehören. Präzises Stageacting, druckvoller Sound und wahnsinnige Energie auf der Bühne sorgen für Gänsehaut und selbst die neuen Songs, die erst wenige Tage veröffentlicht sind, werden frenetisch gefeiert.

Da die Locations des WGT teilweise weit auseinander liegen, muss manchmal etwas Zeit eingeplant werden, um den eigenen Plan „abarbeiten“ zu können. Vom Hellraiser ganz im Osten ins Täubchenthal im Westen müssen schonmal 30 Minuten mit dem Auto zurückgelegt werden. Doch das wird gerne in Kauf genommen, denn dort warten die Goth-Rock Legenden von CHRISTIAN DEATH! Das Täubchenthal platzt fast aus allen Nähten und die US-Amerikaner geben einen Querschnitt ihres über 40-jährigen Schaffens zum Besten. Nach einem ruhigen Beginn wird es gerade zum Ende hin wesentlich härter. Einzig der Sound ist verbesserungswürdig und lässt einiges an Druck vermissen, sodass die Gitarren an einigen Stellen ziemlich verwaschen klingen.

Wer im Anschluss immer noch nicht genug hat, der kann entweder in Richtung Agra zum Mitternachts-Special mit LADYTRON fahren, oder eine der Gothic-Discos aufsuchen. Dank den Zusatzangeboten der Leipziger Verkehrsbetriebe ist es problemlos möglich, auch in der Nacht von weiter entfernten Locations wieder zur Agra zu kommen, da dort das offizielle Zentrum des Festivals liegt.

Samstag, 18.05.2024

Samstagmittag ist es Zeit für den traditionellen Leichenwagentreff. Am Augustusplatz werden die Wägen präsentiert und auch hier sind zahlreiche Besucher, die nichts mit dem Festival zu tun haben, aber die die zum Teil liebevoll restaurierten Autos sehen wollen und mit den Besitzern ins Gespräch kommen.  Nach einem kurzen Regen zeigt sich pünktlich zum Steampunk Picknick die Sonne. Aufgrund des großen Interesses der letzten Jahre findet das Picknick mittlerweile ebenfalls im Clara-Zetkin-Park statt und ist, wie auch das viktorianische Picknick, immer einen Besuch wert.

Auf dem Weg ins Heidnische Dorf, in dem an zahlreichen Ständen Kleidung, Schmuck und Accessoires geshoppt werden kann und auch zahlreiche sehr leckere Essensangebote vorhanden sind, fällt auf, dass auch die Anwohner Gefallen an den Besuchern des WGT gefunden haben und am Straßenrand überall Getränke und Verpflegung verkaufen. Und in diesem Fall ist das auch gut so, denn die Schlange vorm Heidnischen Dorf ist phasenweise wirklich lang und sorgt für so manchen Frust.

Musikalisch ist der Samstag etwas Folk- und Indie-lastiger als der Vortag und zeigt die enorme Vielfalt des WGT. Am Nachmittag geht es für ÅRABROT ins Westbad. Die Norweger rund um Kjetil Nernes zeigen sich live wesentlich dreckiger und roher als auf Platte und verstehen es mit dem Publikum zu spielen und eine spitzenmäßige Rock-Show abzufeuern.

Der Abend steht ganz im Zeichen des Obsession Bizarr im Volkspalast. Freunde aus dem Bereich Fetisch und SM treffen sich dort jedes Jahr zum gemeinsamen Feiern, wobei auf ein strikter Gewandungskodex gilt.

Sonntag, 19.05.2024

Der dritte Festivaltag beginnt mit BEAUTY OF GEMINA und ihrem Indie-Rock auf der großen Agra-Bühne. Obwohl die Liechtensteiner die erste Band des Tages sind, ist die Halle schon gut gefüllt und das Publikum feiert jeden einzelnen Song mit, als stünde hier ein Headliner auf der Bühne. Das schreit nach einer Wiederholung in den nächsten Jahren. Bei einem kurzen Spaziergang über den Gothic-Markt in einer weiteren Halle des Agra-Messegeländes, kann sich neben dem großen Angebot an Mode, Schmuck und Literatur auch eine Massage gegönnt werden und so die müden Knochen eingerenkt werden.

Das Heidnischen Dorf bietet an diesem Tag den Metal-Nachmittag, der von DEUS VULT eingeläutet wird. Im Laufe des Tages füllt sich das Dorf erneut kontinuierlich, sodass sich PRIMORDIAL über eine beachtliche Zuschauerschaft freuen dürfen. Frontmann Alan zeigt gleich zu Beginn bei „As Rome Burns“ seine Qualitäten als Frontmann und bindet die Fans direkt ein. Mit Fokus auf dem aktuellen Album wird das fast 90-minütige Set bestritten und erneut gezeigt, dass PRIMORDIAL noch immer zu einer der besten Live-Bands des Genres zählen.

Nach einem kurzen Abstecher in die Kuppelhalle des Volkspalasts, die dem römischen Pantheon nachempfunden ist und in der das New-Wave Duo NÜRNBERG ihre große Anhängerschaft begeistert, geht es wieder in den Westen Leipzigs, genauer gesagt in den Felsenkeller. Nachdem die Symphonic-Metaller SIRENIA ihr aktuelles Werk „1977“ live präsentieren, stehen seit langer Zeit wieder KEEP OF KALESSIN auf der Bühne. Die Norweger begeben sich mit sehr gutem Sound einmal durch ihre Diskographie und zeigen sich spielerisch von ihrer besten Seite. Selbst das neuere Material wirkt live wesentlich mitreißender als auf Platte. Auch in Sachen Selbstsicherheit scheint bei Frontmann Arnt Ove „Obsidian Claw“ Gronbech alles zu stimmen und so betitelt er den Song „Crown Of The Kings“ als „Definition of Epic Black Metal“.

Ruhigere Töne werden im Anschluss im Schauspielhaus angeschlagen. Multi-Instrumentalist BON HARRIS bietet einem halb gefüllten Saal eine seiner Solo-Shows, in der neben einem Xylophon und Synthesizern die beeindruckende Stimme des Briten im Vordergrund steht. Egal ob eigene Songs oder Cover wie beispielsweise „Tainted Love“, das Publikum hängt an Harris´ Lippen.

Nach dem Mitternachts-Special in der Agra, das heute von der britischen Indie-Rock- und New-Wave-Band EDITORS bestritten wird, endet der vorletzte Tag des Festivals.

Montag, 20.05.2024

Nach mehreren Wetterumschwüngen am Wochenende, strahlt am Montag endlich wieder dies Sonne. Einige Besucher packen schon wieder ihre Sachen und im Laufe des Tages leert sich der Zeltplatz. Doch für alle, die das Glück haben den letzten Tag noch komplett mitnehmen zu können, wird wieder einiges geboten.

Im Heidnischen Dorf ist ERIC FISH spontan für die erkrankten Mila Mar eingesprungen und spielte eines seiner Solokonzerte. Nach dem ruhigen Intermezzo geht es mit TANZWUT in den Endspurt. Neben Klassikern wird auch der neue Song “Bestie Mensch” live gespielt, der gleichzeitig auch der Titel ihres kommenden Albums und ihrer gleichnamigen Tour sein wird. Ein mehr als würdiger Abschluss eines wunderschönen Festivals!

 

Das diesjährige Wave-Gotik-Treffen erweist sich als ein verlängertes Wochenende voll musikalischer Highlights, entspannter Atmosphäre und einem Rahmenprogramm, das absolut einmalig ist. Im Vorfeld wurde kritisiert, dass „nur“ 175 Künstler gebucht wurden und somit weniger als in den Vorjahren, doch ist schon diese Anzahl in Verbindung mit den Lesungen, Märkten und weiteren Angeboten weit mehr, als ein Besucher sich wünschen kann.

Im Gegensatz zu anderen Festivals steht hier jedoch nach wie vor das Treffen Gleichgesinnter im Vordergrund, weshalb auch auf den Verkauf von Tagestickets verzichtet wird. Alle Fans, die nur einzelne Acts sehen wollen, sind daher beim WGT falsch. Wer jedoch eine familiäre Atmosphäre, ganz besondere Locations und viel Liebe zum Detail zu schätzen weiß, ist auf dem WGT nach wie vor richtig. Auch der Ticketpreis von 170€ ist mehr als fair und sollte auf jeden Fall beibehalten werden. Im Ablauf und bei den Einlasskontrollen könnte an einigen Stellen noch etwas nachgebessert werden, ansonsten heißt es: Chapeau, Dankeschön und weitermachen!

 

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