Festivalbericht: Wacken Open Air 2017 – Teil 1

02.08.2017 - 03.08.2017 Wacken

Das WACKEN OPEN AIR zählt nicht nur zu den größten Metalfestivals der Welt, sondern es bedeutet auch Schlamm, Party und jede Menge Alkohol. Auf die zuletzt genannten Dinge werden wir in unserem Bericht weitestgehend verzichten und überlassen das Feld mit Beschreibungen und Bildern von Exzessen in der braunen Brühe lieber der Boulevard-Presse. In unserem Bericht wird es hauptsächlich um das gehen, was ein Festival ausmacht, nämlich die Musik.

Mittwoch 02.08.2017:
Auch wenn es in den offiziellen Angaben heißt, dass das WACKEN OPEN AIR vom 03.08.2017 bis 05.08.2017 stattfindet, so ist es doch schon seit einigen Jahren Tradition, dass bereits mittwochs die ersten Bands spielen. Neben den beiden großen Zeltbühnen, gibt es auch im Wackinger Village schon einiges an Action sowie im Wasteland-Bereich oder im kleinen Zelt, welches den Namen „Welcome To The Jungle“ verpasst bekommen hat. Lediglich der Bereich des Infields mit den drei Hauptbühnen ist an diesem Tag noch Sperrzone.

Da die Bodenverhältnisse es erlauben, unternehmen viele Besucher zunächst kleinere Rundgänge über den Wacken Plaza und durch das Wackinger Village und besuchen die dort stattfindenden Konzerte. Während auf der WET-Stage und der Headbanger Stage der Metal Battle tobt, verkündet HENRY ROLLINS im Dschungel sein Spoken Word. Mitten im Wrestling-Ring gibt der ehemalige Black-Flag-Sänger einige Geschichten zum Besten und erläutert seinen Standpunkt zu Themen wie Bildung, Donald Trump, Deutschland als Weltmacht und seine Erlebnisse mit Lemmy während der Arbeiten am Album „Rise Above: 24 Black Flag Songs To Benefit The West Memphis Three“. All dies wird vom Publikum mit großer Freude aufgesogen und mit tosendem Applaus quittiert.

Kurz darauf lassen es FLOTSAM AND JETSAM im Bullhead City Circus auf der Headbanger Stage krachen. Das 12.000 Leute fassende Zelt ist dabei fast zur Hälfte gefüllt. Auffällig ist sofort, dass die Herren um Eric A.K. vor allem auf Stücke der ersten zwei Alben setzen und so werden Klassiker wie „Hammerhead“, „I Live You Die“ oder „No Place For Disgrace“ vom Publikum gefeiert. Lediglich zwei Songs des aktuellen Albums finden sich am Ende in der Setlist wieder. Ein Phänomen, dass es auf dem W.O.A. immer wieder zu bestaunen gibt. FLOTSAM AND JETSAM haben jedenfalls sichtlich Spaß an ihrem Auftritt und liefern 45 Minuten volles Programm. Im Anschluss sind UGLY KID JOE an der Reihe und entern die WET-Stage, bevor es mit ANNIHILATOR später am Abend weitergeht.

Vor deren Auftritt zeigen sich vor dem Gelände des Bullhead City Circus erstmals zwei Probleme des W.O.A. Erstens: Der Boden wird, mit zunehmender Dauer des Tages, deutlich weicher und erste kleinere Schlammflächen entstehen. Zweitens: Die Idee, mittwochs nur die kleineren Bühnen zu öffnen ist nicht sonderlich gut durchdacht. Am Mittwoch sind bereits über die Hälfte der Festivalbesucher angereist, sodass der Platz rund um das Wackinger Village, den Wacken Plaza oder eben die Bullhead City wirklich an seine Belastungsgrenzen stößt.

Viele Fans verpassen, aufgrund von Problemen beim Einlass zur Bullhead City, leider die ersten Songs von ANNIHILATOR. Die Setlist der Kanadier enthält – wenig überraschend – ebenfalls einige Klassiker, aber natürlich auch Songs vom aktuellsten Werk. Vor allem die Darbietung der klassischen Speed- und Thrash-Metal-Songs der frühen Bandgeschichte sind es jedoch, die mit fortschreiten des Auftritts dafür sorgen, dass die Chemie zwischen Publikum und Band immer besser funktioniert. Das Fazit lautet deshalb: ANNIHILATOR hätten definitv einen Slot auf einer der größeren Bühnen verdient gehabt.

Der Name der nächsten Band wirkt dann zunächst ein wenig fehl am Platze, denn ehrlich gesagt verbindet man THE BOOMTOWN RATS nicht auf Anhieb mit Heavy Metal oder dem ganz harten Rocksound. Bereits nach den ersten Sekunden des Auftritts wird man jedoch eines Besseren belehrt und die RATS überraschen mit kräftigem Sound, knackigen Riffs und einer gepflegten „Leck mich am Arsch“-Attidtüde. Letztere wird dabei hauptsächlich präsentiert durch Herrn Bob Geldof persönlich. Überhaupt scheint der gute Herr an diesem Abend wie ausgetauscht und aus dem netten, leicht verschrobenen Opa ist ein scheinbar total abgedrehter Altpunk/Altrocker geworden, der erst einmal realisieren muss, wo er sich befindet. Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Herren die hier auf der Bühne stehen, aber genau aus diesem Milieu stammen. THE BOOMTOWN RATS bewegen sich dort wo sie sich am wohlsten fühlen, nämlich irgendwo zwischen den Rolling Stones, John Lee Hooker und dem typisch britischen Sound der Punk- und New-Wave-Ära. Beim Bandklassiker „I Don’t Like Mondays“ wirkt es, als sei Mr. Geldof in Gedanken nochmals ganz woanders. Vielleicht war er ja bei seiner verstorbenen Tochter Peaches und deren Mutter Paula Yates. Aber egal wie es an diesem Abend wirklich in ihm aussieht, der Auftritt der Iren ist wirklich eine positive Überraschung. Songs wie „Like Clockwork“, „She’s So Modern“ oder bereits genanntes „I Don’t Like Mondays“ werden zurecht von Jung und Alt gefeiert.

  1. Close As You’ll Ever Be
  2. Like Clockwork
  3. She’s So Modern
  4. (She’s Gonna) Do You In
  5. I Don’t Like Mondays
  6. Mary Of The 4th Form
  7. Looking After No. 1
  8. Rat Trap

Zum Abschluss des Mittwochs dürfen CROWBAR, in einem überraschend leergefegten Zelt, antreten. Dies hindert Kirk Windstein und seine Mannen aber nicht, vom ersten Song an, richtig Gas zu geben. CROWBAR legen einfach los, als hätten sie es tatsächlich vergleichsweise eilig. Leider ist, im Gegensatz zur Band, dem ein oder anderen Besucher anzumerken, dass es schon sehr spät geworden ist und so will im hinteren Bereich des Zeltes keine richtige Stimmung mehr aufkommen. Songs wie „All I had (I Gave)“, „Plasmic And Pure“ oder „The Cemetary Angels“ verglimmen zum Teil wirkungslos, obwohl die Band sich absolut nichts vorzuwerfen hat. Es ist einfach ein weiteres Beispiel dafür was passiert, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort spielt.

Donnerstag 03.08.2017:
Am Donnerstag soll es nun endlich so richtig losegehen, aber leider ist es vor allem der Himmel, der am frühen Nachmittag die Hauptrolle spielt und seine Schleusen öffnet. Ein gewaltiger Platzregen sorgt dafür, dass das W.O.A. nun endlich seinen Schlamm bekommt. Die angepriesene neue Drainage hat jedenfalls keine Chance gehabt, das Wasser auch nur in Ansätzen vernünftig abzuleiten. Nachbesserungen sind, mit Blick auf die Sicherheit des Publikums und vor allem auch mit Blick auf die vielen Besucher mit Schwerbehinderungen, dringend empfohlen.

Nach der obligatorischen Eröffnung durch SKYLINE und nachdem ROSS THE BOSS auf der Harder Stage mit ordentlich Feuer dem Publikum eingeheizt hat, durften EUROPE auf der Faster Stage ans Werk gehen. Bereits die ersten Minuten des Sets lassen darauf schließen, dass die Schweden heute richtig Lust haben und dass die Band mehr zu bieten hat als nur den finalen Countdown. Besonders Sänger Joey Tempest und Gitarrist John Norum haben ihren Spaß und sorgen dafür, dass das Publikum einen sehr guten Auftritt geboten bekommt. Klassiker wie „War Of Kings“, „Rock The Night“, „Scream Of Anger“ und eben „Final Countdown“ kommen sehr gut beim Publikum an und werden zum Teil lauthals mitgesungen. Die Spielzeit von einer Stunde vergeht leider schon fast zu schnell.

Nochmals ein ganzes Ende zurück in der Geschichte des Rock geht es anschließend mit STATUS QUO. Frances Rossi und seine Mitstreiter schöpften dabei den Fundus einer langen Bandgeschichte aus und obwohl es STATUS QUO eigentlich schon nicht mehr in elektronisch verstärkter Form geben sollte, haben alle Musiker sichtlich Spaß, doch wieder in klassische Rockgefilde zurückzukehren. Routiniert und durchaus agil bieten die Briten bis zum Schluss ihre Klassiker dar. Stücke wie „Caroline“, „Hold You Back“, „In The Army Now“ oder das obligatorische „Rockin‘ All Over The World“ machen eben einfach Spaß, egal ob man sowieso eher dem Classic Rock frönt oder doch ein waschechter Metalhead sein will.

Nun folgt aber endlich der mit Spannung erwartete Auftritt der Heavy-Metal-Instanz ACCEPT. Bereits im Vorfeld des W.O.A. 2017 wurde ja bekannt gegeben, dass es eine dreiteilige Show geben wird und genau dies sorgt sowohl während als auch nach dem Konzert für reichlich Gesprächsstoff. Die ersten Minuten des Auftritts sind genau das, was sich die Puristen wünschen. ACCEPT spielen fünf Songs, darunter unter anderem „Die By The Sword“, „Koolaid“ und „Restless And Wild“, ohne Orchester, ohne Schnick-Schnack und große Umschweife. Der folgende Teil, welcher allein Wolf Hoffmann und seinem Projekt „Headbangers Symphony“ gehört, verärgert überraschend viele Fans der Band, da ihrer Meinung nach, Gesang fehlt und sowas auf einem Festival einfach nicht geht. Objektiv betrachtet ist dieser Teil der Show, nicht zuletzt deshalb aber ein echtes Highlight, weil eben nicht einfach die Band vom Orchester begleitet wird, sondern weil klassische Stücke von einem Orchester aufgeführt werden und die Metalband gleichberechtigt Akzente setzt.

Der abschließende Teil der Show besteht dann aus einer Accept-Show begleitet vom Prager Sinfonie Orchester. Auch hier hagelt es im Publikum noch immer vereinzelt Kritik, weil die Gitarren vermeintlich zu leise abgemischt sind oder weil es langweilig ist, dass so viele Bands mit Orchester spielen und das Besondere an der Sache verloren geht. Wie auch immer man es halten mag, so ist auch hier keine objektive Schwäche festzustellen. Der Sound ist halt so abgemischt, dass das Orchester nicht untergeht und die Band noch genug Freiraum hat. Insgesamt ist die zweistündige Show eine fulminante Mischung aus Metal und Klassik und Songs wie „Princess Of The Dawn“, „Dying Breed“ oder „Metal Heart“ und „Balls To The Walls“ machen auch mit Orchester noch richtig Spaß.

  1. Die By The Sword
  2. Restless And WIld
  3. Koolaid
  4. Pandemic
  5. Final Journey
  6. Wolf Hoffmann – Headbangers Symphony

  7. Night On Bald Mountain
  8. Scherzo
  9. Romeo And Juliet
  10. Pathétique
  11. Double Cello Concerto in G Minor
  12. Symphony No. 40 in G Minor – K.550
  13. Accept And Orchestra

  14. Princess Of The Dawn
  15. Stalingrad
  16. Dark Side Of My Heart
  17. Breaker
  18. Shadow Soldiers
  19. Dying Breed
  20. Fast As A Shark
  21. Metal Heart
  22. Teutonic Terror
  23. Balls To The Walls

Da der Donnerstag auf dem W.O.A. schon seit Jahren als „Night To Remember“ bekannt ist, verwundert es ein wenig, dass als nächste Band die Herren von VOLBEAT die Bühne entern dürfen. Traurigerweise beweist auch die Setlist sehr schnell einen ersten Verdacht, nämlich dass die Band sich mittlerweile meilenweit von den starken Songs entfernt hat, die die ersten Alben ausgezeichnet haben. Lediglich zwei Songs von den ersten zwei Alben, bei 20 Songs in der Setlist, dürften ein herber Schlag für Fans der ersten Stunde sein. So oder so wirkt bei VOLBEAT mittlerweile alles sehr vorhersehbar und so läuft der Auftritt eben einfach durch, ohne das wirklich viel hängen bleibt. Die großzügig gestaltete Bühne hilft da jedenfalls auch nicht viel weiter. Da trotzdem noch mehr als genug Zuschauer die Dänen abfeiern, schadet es also nicht, den Rückweg durch den Schlamm anzutreten, um das größte Gedränge zu vermeiden.

Das Fazit nach den ersten zwei Tagen ist ganz klar zweigeteilt. Während einige der Bands wirklich mit Leidenschaft am Werk sind und zurecht gefeiert werden, gibt es auch Bands die ihrem Status nicht gerecht werden und in der Position als Headliner nicht wirklich liefern können. Das größte Manko nach zwei Tagen Festival ist aber der Zustand des Infields.

>> Lies hier TEIL 2…

… unter anderem mit SONATA ARCTICA, DOG EAT DOG, EMPEROR, MEGADETH und MARILYN MANSON (Freitag) sowie HEAVEN SHALL BURN, POWERWOLF, AMON AMARTH und AVANTASIA (Samstag).

Publiziert am von Christoph Ilius

Fotos von: Christoph Ilius

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