Konzertbericht: Vroudenspil w/ Zwielicht

06.04.2013 Spectaculum Mundi, München

Exakt zwei Wochen vor der Veröffentlichung ihres dritten Studiowerks „Pulverdampf“ feiern VROUDENSPIL im ausverkauften Münchner Spectaculum Mundi ihr CD-Release-Konzert. Dafür wagen sich die Freibeuter an die längste Setliste ihrer Bandgeschichte – und holen mit ZWIELICHT als Support eine mittelalterliche Folkcombo an Bord, die den Wahlpiraten in der Vergangenheit bereits treue Dienste geleistet hat.


Doch das mittelalterliche Bandkarussell hat sich in der Zwischenzeit weiter gedreht – und scheinbar an ZWIELICHT vorbei. Geriet das 2009er Debüt „Zeitlos“ mit Songs wie „Der Prediger“ oder „Schwarzer Engel“ noch zu einem gelungenen Erstlingswerk, so erwies sich bereits der Nachfolger „Das tiefste Ich“ im Jahr 2011 als reichlich uninspiriert. Konsequenterweise ist es in den letzten beiden Jahren still um die Regensburger geworden, die bestenfalls noch auf kleineren lokalen Festivals zu sehen sind. Für die großen Bühnen reicht es nicht – und an diesem Abend zeigt das Septett, warum dem so ist. Einerseits haben ZWIELICHT zu Beginn besonders an der Geigenfront mit extremen, technischen Problem zu kämpfen, andererseits fehlt dem Auftritt jegliche Form von Esprit. So sind weite Teile des Publikums, welche nicht explizit wegen des Supports angereist sind, ziemlich unbeeindruckt von der blutleeren und teils recht chaotischen Darbietung.
Zurecht: Harfenspielerin Regina verbringt mehr Zeit sitzend neben oder headbanged vor ihrem Instrument. Da ZWIELICHT sich in ihrer Ausrichtung auch in den letzten Jahren nicht zwischen traditionellem Folk und härterem Folkrock entscheiden konnten, wirkt das Headbangen unter anderem durch den fehlenden Druck im schlechten Soundgewand reichlich grotesk. Dazu verfällt Sänger Oliver zu oft in seinen regionalen Dialekt, so dass er am Mikro nicht nur während der Songs, sondern auch bei seinen Ansagen kaum zu verstehen ist. Durch den Heimvorteil reicht es für den Support trotz einer unspektakulären Darbietung am Ende sogar zu einer Zugabe, die mit „Auf der Flucht“ allerdings gründlich in die Hose geht und zahlreiche Zuschauer dazu bewegt, früher in die Pause zu gehen. In dieser Form werden ZWIELICHT weiterhin keine Rolle mehr in der hiesigen Folk(rock)szene spielen.


Wie es besser funktioniert, haben VROUDENSPIL in den letzten Jahren bewiesen. Was 2005 begann, hat sich im Laufe der Zeit zu weit mehr als einem simplen Zeitvertreib gemausert. Mit „Pulverdampf“ steht das dritte Studiowerk in vier Jahren in den Startlöchern und basierend auf dem Publikumsandrang in der Heimat des folkigen Siebeners wird der freibeuterische Eroberungszug auch weiterhin erfolgreich fortgeführt. Das neue Material fügt sich jedenfalls nahtlos in das etablierte Liveprogramm von VROUDENSPIL ein: Seien es Metal-Allüren wie in „Weißes Rauschen“, die gleichnamige Hymne auf das „Tanzt!“-Festival oder Ska/Rap-Konstrukte wie „Lebensglut“ – die neuen Songs erweitern die Seeräubervielfalt angenehm, ohne auf den bekannten Mix aus Dudelsack, Flöte und Akkordeon zu verzichten. So entwickelt sich die Feierlaune im Spectaculum Mundi nach etwas verhaltenem Auftakt immer besser. Anfangs scheinen die sieben Musiker weniger forsch zu Werke zu gehen als bei kürzeren Gigs und so gerät der Auftakt nach dem etwas überladenen „Ruf der Seele“ ein wenig zäh. Doch VROUDENSPIL handeln bei ihrem längsten Set aller Zeiten in weiser Voraussicht, schließlich kündigt Sänger Ratz bereits zu Beginn an, dass das Publikum physisch und psychisch fertig gemacht werden soll.
Nachdem die Besucher (und vermutlich auch die beteiligten Musiker…) letztes Jahr die Bar gleich doppelt leer gesoffen haben, fordert der Fronter die Steigerung auf mindestens ein drittes Mal. Mit metseeligen Tavernenliedern wie „Rum für die Welt“ und dem ebenfalls jungfräulichen „In den Hallen des Dattelschnapskönigs“ liefert Ratz die lyrischen Steilvorlagen für gesellige Runden bei Met, Wein und Bier. Dabei wahren VROUDENSPIL im Vergleich zu Feuerschwanz immer einen gewissen Anspruch an ihre Kompositionen und Texte. Tiefgründiger wird es im lyrischen Sinne dennoch selten: genau genommen nur bei „Spielmannsweise“ und dem Abschlusssong „Land in Sicht“, den die Combo einem kürzlich verstorbenen Menschen widmet, der allen Bandmitgliedern sehr nahe stand: Der einzige Moment, in dem die Feierlaune im weiten Rund zum Erliegen kommt und Ratz seine stimmlichen Fertigkeiten im schlichten Instrumentengewand präsentieren kann.
Besonders im Zugabenblock offenbaren VROUDENSPIL mit dem charmanten „Ein unwichtiger Bösehold“ und dem Ohrwurm „Lebenselixier“ eben jene Qualitäten, die ihnen im Vergleich zu anderen musikalischen Seefahrern den Durchbruch ermöglicht haben. Und all diese Songs sind beileibe keine Eintagsfliegen mehr, wie das nicht minder sympathische „Küss Mich“ vom 2011er Album „Meute Toter Narren“ direkt am Anfang des Sets beweist. Wer kann schon einem Piraten widerstehen, der als Grund für eine weibliche Zuwendungsbekundung lediglich seine Berufung anführt?


Über die gesamte Dauer von mehr als zwei Stunden betrachtet offenbart das Konzert jedoch einige kleinere Längen, so dass der Tanz-, Spring- und Schunkelmarathon zeitweise etwas abschwächt. Da VROUDENSPIL in absehbarer Zeit wohl kein Set mehr in dieser Länge spielen werden, kann dies zu den kleineren Makeln gezählt werden, wie die auch beim Headliner ebenfalls alles andere als einwandfreie Bühnentechnik. Doch Newcomerbands auf dem aufsteigenden Ast dürfen, ja müssen eventuell sogar solche Stolperstellen haben. Für andere Folkpiraten dieses Landes, wie Elmsfeuer oder Mr. Hurley & die Pulveraffen, sind und bleiben VROUDENSPIL die Referenz dafür, wie man es mit Beharrlichkeit und einem bunten Stilmix trotz stetig wachsender Konkurrenz national und international zu etwas bringen kann.

Setliste Vroudenspil
01. Ruf Der Seele
02. Küss Mich
03. Rum Für Die Welt
04. Stürz Den Becher
05. Wer Wind Sät
06. Hexenjammer
07. Spielmannsweise
08. Der Alte Sack
09. Weißes Rauschen
10. Der Fluch
11. Reise Nach Tortuga
12. In Den Hallen Des Dattelschnapskönigs
13. Meute Toter Narren
14. Tanzt!
15. Lebensglut
16. Willkommen An Bord
17. Plankentango
18. Zwölf Pfund
19. Sand Der Zeit

20. Kurs Aufs Leben
21. Ein Unwichtiger Bösehold
22. Lebenselixier
23. Land In Sicht

Publiziert am von und Uschi Joas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert