Festivalbericht: Vienna Metal Meeting 2022

07.10.2022 - 08.10.2022 Wien, Arena

Im Pandemiejahr 2021 war das VIENNA METAL MEETING eines der wenigen Events, die sich von ihren Fans keinen indirekten Kredit in Form einer Verschiebung ins nächste Jahr nahmen: Das Festival wurde ersatzlos abgesagt und für 2022 von Grund auf neu konzipiert. Anstatt eines eintägigen Sommerfestivals mit Indoor- und Outdoor-Bühne findet das Event nun als zweitägige Veranstaltung und, der Jahreszeit entsprechend, auf zwei Indoor-Bühnen statt – der großen Arena-Stage mit Platz für gut 900 Fans und der „clubbigen“ D-19-Stage mit einer Kapazität von 240 Besuchern.

Freitag, 07.10.22

Den ersten der beiden Festivaltage eröffnen ALGEBRA auf der kleineren D-19-Stage. Schon anhand der von ihnen getragenen Bandshirts lässt sich erahnen, woher der Wind weht: Die Logos von Slayer, Municipal Waste und den Cavalera-Brüdern nehmen schon vorweg, dass hier nicht Matheunterricht, sondern Thrash Metal auf dem Plan steht. Ihre treibenden, aber nicht sonderlich interessanten Songs spielen die Schweizer ohne große Patzer, aber leider auch recht lustlos. Auch dröhnt der Bass deutlich zu laut aus den Boxen – wer keine Ohrstöpsel dabei hat, muss hier ernsthaft um seine Trommelfelle bangen. Dem Aufruf des Sängers, die Band doch am Merchstand zu unterstützen, werden nach diesem schwachen Opening-Set wohl nur Wenige Folge geleistet haben. [SR]

PARENTAL ADVISORY auf dem Vienna Metal Meeting 2022Mit PARENTAL ADVISORY fällt die Aufgabe, um 17:00 Uhr auch die Arena zu eröffnen, einem echten „Local Support“ zu. Dass die Wiener heute krankheitsbedingt als Trio mit nur einem Gitarristen auftreten können, tut ihrer Show keinen Abbruch: Der brachiale Florida-Death mit Six-Feet-Under-Reminiszenzen im Gesang zieht schnell erfreulich viele Fans in die Große Halle. Die gut 25 Minuten effektiver Spielzeit reichen dann aber auch – viel Neues kommt hier schon nach wenigen Songs nicht mehr. [MG]

Wie Algebra sind auch COMANIAC Schweizer, Thrash Metaller und gehören zum Tour-Tross von Vektor. Von diesen Gemeinsamkeiten abgesehen könnte der Unterschied zwischen den Bands jedoch kaum größer sein: Nicht nur gestaltet sich die Musik von COMANIAC um einiges dynamischer und melodischer (wenn auch kaum origineller), auch der Sound ist nun wesentlich besser. Vor allem aber gelingte es Frontmann Jonas Schmid, die Menge mit seinem Enthusiasmus anzustecken. Zwischen den Songs gibt sich der Sänger auf sympathische Weise selbstironisch und publikumsnah. Ihrer Rolle als frühabendliche Stimmungsmacher werden COMANIAC mit dieser energiegeladenen Show voll und ganz gerecht. [SR]

CARNATION auf dem Vienna Metal Meeting 2022Auf der Arena-Stage steht mit CARNATION nochmal Death Metal auf dem Programm, diesmal allerdings aus Dänemark. Die 2013 gegründete Band geht nach kurzem Intro medias in res: Bei perfekten Soundbedingungen schiebt der eher schwedische Death Metal ordentlich aus den Boxen – das Growling von Simon Duson ist für die Riffs allerdings etwas zu flach. Wie um das zu kompensieren, tritt Duson als einziger aus der Band mit blutrotem Facepaint auf. So richtig steigt das Publikum aber noch nicht ein: Wohl auch der noch angenehmen Außentemperatur wegen bleiben viele Fans vor der Halle. [MG]

NEKRODEUS bringen im Anschluss Death Metal der eher schwerfälligen Sorte auf die D-19-Stage. Entsprechend träge ist leider auch die Performance der Grazer. Zwar entreißt Sänger Stefan Rindler seiner Kehle markerschütternde Growls und gestikuliert dazu passend aggressiv, dies jedoch meist vom Publikum abgewandt. Ansonsten bleibt der Auftritt durchschnittlich: Sound und Performance sind Ordnung, Begeisterung will beim Zusehen und -hören jedoch keine aufkommen. Da ist es kein Wunder, dass sich einige Zuschauer*innen vorzeitig davonstehlen – obgleich es vielen vermutlich nur darum geht, es noch rechtzeitig zu den mit zeitlicher Überschneidung auf der Arena-Bühne auftretenden Harakiri For The Sky zu schaffen. [SR]

HARAKIRI FOR THE SKY auf dem Vienna Metal Meeting 2022Die erst spät als Ersatz für Destruction ins Billing des VIENNA METAL MEETING gerutschten HARAKIRI FOR THE SKY stellen mit ihrem Set als erster Act des Tages eine gewisse Verletzlichkeit zur Schau – nach dem bisherigen Geknüppel eine willkommene Abwechslung. So betritt die österreichische Post-Black-Metal-Vorzeigeband die in stimmungsvolles, dunkelblaues Licht getauchte Bühne zu den Klängen des sanften Intros von „Heroin Waltz“ und lässt in ihrem Set auch später noch Raum für Feinfühligkeit. Zwar sind es vor allem die drängenderen Tracks wie „Fire, Walk With Me“, die das Publikum mitreißen, diese entfalten jedoch gerade durch das Wechselspiel mit den luftigeren Passagen wie in „Sing For The Damage We‘ve Done“ eine umso stärkere Wirkung. Zudem kommt in diesen Parts weniger schlimm zum Tragen, dass der Bass und das Schlagzeug bisweilen die Gitarren und Vocals übertönen und Sänger J.J. stellenweise ein wenig die Stimme versagt. Dass die Leute im Konzertsaal auch ohne Aufforderung beherzt mitklatschen und -grölen, ist allerdings der beste Beweis dafür, dass HARAKIRI FOR THE SKY trotz kleinerer Mängel letztlich eine starke Show abliefern. [SR]

Mit CARONTE hält im Anschluss der Doom Metal Einzug in das VIENNA METAL MEETING. Dass es sich dabei um die obskur-okkulte Spielart des betont langsamen Metal-Subgenres handelt, zeigt sich schnell an den schaurigen Orgelaufnahmen und Kunstnebelschwaden, zu denen die italienische Band die Stage betritt. Die beschwörende Gestik und starre Mimik, mit denen Sänger Dorian Bones die Fans in seinen Bann zieht, sowie die nietenbesetzten Leder-Outfits der Musiker fügen sich da nur zu gut ins Gesamtbild ein. Einmal mehr ist es jedoch der Sound an der D-19-Stage, der dem ungetrübten Konzertgenuss einen Strich durch die Rechnung macht: Vom groovenden Doom Metal der Band hört man nämlich kaum mehr als ein ohrenbetäubendes Dröhnen, in dem bloß das kraftvolle Schlagzeugspiel sowie gelegentlich Bones‘ Schreigesang herauszuhören ist. Das Vergnügen hält sich bis zum abrupten Ende des 50-Minuten-Sets in Grenzen. [SR]

VEKTOR auf dem Vienna Metal Meeting 2022Stilistisch betrachtet sind VEKTOR die Exoten im diesjährigen Billing: Der proggige Thrash der erst 2020 wiedervereinten Band aus Phoenix, Arizona, findet bei den Besuchern des VIENNA METAL MEETING allerdings nur begrenzt Anklang. Wer jedoch auf den etwas verkopften Stil des Quartetts steht, bekommt hier eine engagierte Show bei perfekten Rahmenbedingungen geboten. Warum die Band allerdings nach den „Local Heroes“ von Harakiri For The Sky eingeplant wurde und auch noch mehr Spielzeit zugestanden bekommt, ist auch nach der Show noch nicht so ganz nachvollziehbar: Das Publikumsinteresse an VEKTOR untermauert diese Entscheidung jedenfalls nicht. [MG]

  1. Charging The Void
  2. Black Future
  3. Tetrastructural Minds
  4. Collapse
  5. Recharging The Void
  6. Asteroid

Auf der D-19-Stage steht anschließend mit IN APHELION eine Premiere an: Das Nebenprojekt von Sebastian Ramstedt (Necrophobic) gibt heute sein erstes Gastspiel außerhalb ihrer Heimat Schweden. Umso bedauerlicher, dass sich der Showbeginn wegen eines etwas chaotisch wirkenden Soundchecks um eine Viertelstunde nach hinten verschiebt und der Sound dann immer noch weit von „gut“ entfernt ist. So scheint leider nur in wenigen Momenten die Stärke des Songmaterials durch. Viel Nebel und wenig Licht machen die Show auch optisch nicht gerade zu einem Highlight. Immerhin dürfen IN APHELION die verlorene Zeit hinten anhängen und müssen ihr Set nicht auch noch einkürzen – dass die Überschneidung mit dem Headliner des heutigen Tages von 10 Minuten auf fast eine halbe Stunde anwächst, dürfte allerdings viele Fans vor ein Dilemma stellen. [MG]

TRIPTYKON auf dem Vienna Metal Meeting 2022Eine harsche Geräuschkulisse kündigt den namhaftesten Act des heutigen Abends und vielleicht sogar des gesamten Festivals an: TRIPTYKON. Ihrem Status als Nachfolger der legendären Celtic Frost wird die Band mit ihrer mächtigen Show heute voll und ganz gerecht – zumal sich die Setlist zur Hälfte aus Celtic-Frost-Material speist. Tom G. Warrior beeindruckt mit seinem charakteristisch gebrüllten Gesang, Bassistin Vanja Šlajh drischt mit der harten Hand einer Domina auf ihr Instrument ein und in ihrem brachialen Groove stehen die bandeigenen Nummern Warriors alten Großtaten wie „Procreation (Of The Wicked)“ in nichts nach.

TRIPTYKON auf dem Vienna Metal Meeting 2022Zugleich hat der Auftritt etwas angenehm Entmystifizierendes an sich: Obwohl Warrior den Extreme Metal in seinen verschiedenen Facetten wie kaum jemand sonst geprägt hat, gibt er sich einmal mehr als der nahbare Musiker von nebenan. So scherzt der Bandleader unbeschwert über ein paar kleine technische Probleme am Schlagzeug, erinnert sich wohlwollend an sein (inzwischen mehrere Dekaden zurückliegendes) erstes Konzert in Wien zurück und bekundet zu guter Letzt Solidarität mit den gegen ihre Unterdrückung kämpfenden Frauen im Iran, denen er im Anschluss einen Song widmet. Ihr „Requiem“ im Zuge des Roadburn Festivals 2019 werden TRIPTYKON so schnell zwar nicht mehr toppen können, dennoch lässt die Band ihre Fans auch am VIENNA METAL MEETING alles andere als enttäuscht zurück. [SR]

  1. Procreation (Of The Wicked) – (Celtic-Frost-Cover)
  2. Goetia
  3. Circle Of The Tyrants (Celtic-Frost-Cover)
  4. Altar Of Deceit
  5. Abyss Within My Soul
  6. The Usurper (Celtic-Frost-Cover)
  7. Mesmerized (Celtic-Frost-Cover)
  8. Necromantical Screams (Celtic-Frost-Cover)
  9. The Prolonging

Da CRYPTOSIS mit ihrem Set erst ein wenig später loslegen als geplant, kann man sie auch nach Ende der Triptykon-Show noch gut erwischen. Manch einem Fan des Festivals mögen die Niederländer indes bekannt vorkommen, waren die drei Musiker doch bereits im Jahr 2018 – damals noch unter dem Namen Distillator – in der Arena zu sehen. Als CRYPTOSIS spielt das Trio zwar immer noch Thrash Metal, allerdings inzwischen merklich komplexer und mit einer futuristischen Ästhetik. Das Konzept geht allerdings nicht ganz auf: Dass auf Bildschirmen von eher bescheidener Größe neben spacigen Animationen auch Aufnahmen der Band gezeigt werden, während diese selbst auf der Bühne steht (und dabei mitunter den Blick auf die Screens versperrt), erscheint etwas abstrus. Zudem ist die rasante Musik dem Publikum sichtlich zu vertrackt, um dieses zum Mitfiebern zu animieren oder auch nur vor der Bühne zu halten: Am Ende spielen CRYPTOSIS für gerade einmal 20 Fans. [SR]

VMOITORY auf dem Vienna Metal Meeting 2022Die zweifelhafte Ehre des Late-Night-Slots kommt heute VOMITORY zu: Obendrein noch mit 15 Minuten Verspätung betreten die Schweden erst um 0:15 Uhr die Bühne – zu diesem Zeitpunkt ist das Publikum zahlenmäßig bereits merklich ausgedünnt und, was die noch anwesenden Gäste angeht, vielfach vom Alkohol schon schwer gezeichnet. Das Geburtstagsständchen für Sänger Erik Rundqvist fällt entsprechend jämmerlich aus. Immerhin VOMITORY selbst liefern: Der lupenreine Death Metal der 1989 gegründeten, zwischen 2013 und 2018 allerdings quasi aufgelösten Band überzeugt mit der rohen Kraft einer Dampfwalze und mobilisiert die letzten Energiereserven der noch übrig gebliebenen Festivalbesucher. [MG]

Mit TRIPTYKON hat der erste Festival-Tag einen Headliner, der diesen Namen wirklich verdient und auch entsprechend abliefert. Das ist allerdings auch bitter nötig, da das restliche Tagesprogramm (insbesondere im direkten Vergleich mit dem des Folgetages) eher schwach ausgefallen ist. Sieht man von VOMITORY und HARAKIRI FOR THE SKY ab, gibt es wenig wirklich zwingend Sehenswertes. Insbesondere das Tourpackage aus VEKTOR, CRYPTOSIS, COMANIAC und ALGEBRA erweist sich im Ganzen eher als Lückenfüller. Dass der Sound in der kleinen Halle zudem viele Konzerte – etwa das von vielen mit Spannung erwartete Zentraleuropa-Debüt von IN APHELION – ruiniert, tut sein Übriges dazu, dass Tag 1 des VIENNA METAL MEETING vielen wohl eher als gemütlicher „socialize- & drinking day“ in Erinnerung bleiben wird.

TRIPTYKON auf dem Vienna Metal Meeting 2022
TRIPTYKON auf dem Vienna Metal Meeting 2022

Samstag, 08.10.22

Den zweiten Tag eröffnen in der Keinen Halle PLAGUEPREACHER. Die erst 2018 gegründeten Black-Metaller nehmen die Sache mit der Misanthropie sehr ernst: In breitem Dialekt beleidigt Sänger VX abwechselnd die Zuhörerschaft und seine Band als die jeweils denkbar schlechteste und wiederholt immer wieder aufrichtig verhärmt seine Ansage „Danke für nix!“ – der ewige Griesgram Thomas Bernhard wäre stolz auf seine oberösterreichischen Landsmänner gewesen. In Kombination mit dem klischeehaft truen Stil der Band wirkt ihr Auftreten insgesamt zwar eher humorig als „böse“ – einen gewissen Unterhaltungswert kann man dem 30-Minuten-Auftritt aber nicht absprechen. [MG]

GAEREA auf dem Vienna Metal Meeting 2022Der erste Act des Tages auf der Arena-Stage ist eine komplette Fehlbesetzung – allerdings im besten Sinn: GAEREA demonstrieren von der ersten Minute an eindrucksvoll, dass sie zu höherem als Opener-Slots berufen sind. Mit ihrer vergleichsweise individuellen Sturmhauben-Ästhetik, vor allem aber extrem agilem Stageacting bei spielerischer Tightness heben die Portugiesen ihre gute, aber nicht unbedingt außergewöhnliche Musik über die Schwelle zum Besonderen. Insbesondere Sänger Guilherme Henriques fasziniert mit einer Mischung aus Grazie und gollumhaftem Über-die-Monitorboxen-Kriechen. Die euphorischen Reaktionen des für die frühe Uhrzeit schon bemerkenswert großen Publikums sprechen für sich: Von dieser Band wird man noch viel hören – schon jetzt ist der heutige frühe Slot nur logistisch zu rechtfertigen: GAEREA nutzen als Teil der GAAHLS-WYRD-Tour deren Backline. [MG]

Während Gaerea auf der Arena-Stage noch dabei sind, ihre intensive Performance zu Ende zu führen, haben LICHTBLICK auf der D-19-Stage schon längst mit ihrer deutlich bedrückenderen Show begonnen. Mit ihrem Depressive Black Metal verpassen die Österreicher der allgemein eher aufgeheizten Stimmung (im positiven Sinne) einen gehörigen Dämpfer. Apathisch und mit kaum erkennbaren Gesichtsregungen schrei-schluchzt der Sänger der Band ins Mikro, während seine Mitmusiker trostlose Riffs mit fragilen, nicht minder schwermütigen Passagen kontrastieren. Zwar gerät das Schlagzeugspiel während eines heftigeren Parts ganz fürchterlich außer Kontrolle, davon abgesehen legen LICHTBLICK jedoch einen stimmungsvollen Auftritt hin – obgleich das teilnahmslos wirkende Stageacting gewiss nicht alle Anwesenden anspricht. [SR]

SAOR auf dem Vienna Metal Meeting 2022Wer bei Lichtblick trüben Gedanken anheim gefallen ist, wird im Anschluss von SAOR rasch wieder aufgerüttelt. Mit dem kraftstrotzenden Titeltrack des aktuellen Albums „Origins“ heizen Andy Marshall und seine Mitmusiker gleich zu Beginn die Stimmung an. Dass Marshall mit seinem Celtic-Metal-Soloprojekt ursprünglich gar keine Konzerte spielen wollte, ist angesichts der schieren Energie seiner Songs, die für ein Live-Setting wie gemacht sind, kaum zu fassen. Von den packenden Melodien und treibenden Rhythmen fühlt man sich das ganze Set hindurch tief ergriffen. Stimmlich ist Marshall in Höchstform und überzeugt sowohl mit seinen kriegerischen Growls als auch seinen hymnischen Gesängen. Einzig der teilweise seltsam klickende Drumsound und der Umstand, dass die Folk-Elemente der ausladenden Stücke allesamt lediglich vom Band mitlaufen, geben Anlass zur Kritik. Ansonsten liefern SAOR eine durch und durch packende Show ab, die zudem mit einer stimmigen Lightshow besticht und im erhabenen „Tears Of A Nation“ ein wunderbar schlüssiges Ende findet. [SR]

Etwas härtere Klänge bieten derweil INNERSPHERE – so lange Saor spielen, können sie allerdings nur rund 50 Fans vor die D19-Stage locken. Das ist zum Teil jedoch auch selbstverschuldet, haben die Tschechen mit ihrem melodischen Death-Thrash ziemlich durchschnittliche Kost zu bieten, die zudem optisch völlig uninspiriert umgesetzt ist. Nach dem Ende des Saor-Show füllt sich der Club noch etwas, sodass auch INNERSPHERE nicht ganz umsonst angereist sind. Die meisten Festivalbesucher nutzen die letzten hellen Minuten des Tages jedoch eher für gemütliches Beisammenstehen im Outdoor-Bereich. [MG]

GAAHLS WYRD auf dem Vienna Metal Meeting 2022Mit GAAHLS WYRD steht in der Arena anschließend nicht nur der Headliner des ins Billing gebuchten Tourpackages (Gaerea/Saor/Gaahls Wyrd) auf dem Programm, sondern auch der heimliche Headliner des Festivals: So voll wie hier war die Große Halle bislang noch nicht und – Spoiler – wird es an diesem Wochenende auch nicht mehr. Die Norweger um Sänger-Ikone Gaahl rechtfertigen das enorme Interesse mit einer rundum perfekten Show. Während der genau im richtigen Maß eingesetzte Nebel die Lichtshow toll zur Geltung kommen lässt, liefern GAAHLS WYRD selbst in jedem Belang ab. Während die Saiteninstrumentalisten in bester Power-Metal-Manier posen, verbreitet der ehemalige Gorgoroth-Fronter jene eiskalte Aura, die ihn berühmt gemacht hat. Dass sich der Norweger zudem stimmlich – und zwar den Klargesang wie die Screams betreffend – in Bestform präsentiert, sorgt dafür, dass die GAAHLS-WYRD-Songs wie auch die Versionen der alten Trelldom-, Gorgoroth– und God-Seed-Hits heute ihre volle Kraft entfalten können. [MG]

  1. Botox Implosion
  2. Molten Black Earth
  3. Death The Brutal Way
  4. Asphyx (Forgotten War)
  5. Deathhammer
  6. Knights Templar Stand
  7. Scorbutics
  8. Wasteland Of Terror
  9. The Nameless Elite
  10. Forerunners Of The Apocalypse
  11. The Rack
  12. Last One On Earth

Die Atmosphäre spielt bei MONUMENT OF MISANTHROPY eine untergeordnete Rolle, frönen die Österreicher doch dem Death Metal der betont brutalen Sorte. Während Sänger George Wilfinger mit seinen garstigen Screams und monströsen Growls eine Performance hinlegt, die an den verstorbenen Trevor Strnad (The Black Dahlia Murder) erinnert, malträtieren seine Bandkollegen ihre Instrumente mit der Schnelligkeit und Schlagkraft eines Presslufthammers. Von den Saiteninstrumenten hört man dabei leider – wenig überraschend – erneut kaum mehr als ein undefiniertes Lärmen, und auch die zwischen den Songs abgespielten Samples sind viel zu leise. Am Ende bleibt von MONUMENT OF MISANTHROPY darum bloß die rohe Gewalt ihrer Musik in Erinnerung. [SR]

Vienna Metal Meeting 2022
Vienna Metal Meeting 2022

Deutlich stimmungsvoller geht anschließend bei FUOCO FATUO weiter. Das Auftreten der Band mit ihrem schmutzigen Corpsepaint, die mit gehörnten Schädeln besetzten Mikroständer und die tiefrote Beleuchtung deuten zwar in Richtung Black Metal, tatsächlich spielt die italienische Band jedoch getragenen Death/Doom. Davon merkt man aber leider nahezu nichts, denn bei dieser Show handelt es sich zweifelsfrei um die soundtechnisch dürftigste der Veranstaltung. In dem lauten Klangchaos ist es praktisch unmöglich, etwas Konkretes auszumachen. So sehr sich FUOCO FATUO auch bemühen, ist die Performance in diesem Setting nicht atmosphärisch, sondern nur ermüdend. Da verwundert es nicht, dass es die meisten Festivalbesucher*innen vor die andere Bühne zu Asphyx zieht. [SR]

ASPHYX auf dem Vienna Metal Meeting 2022Dass dort zunächst vom Drumkit der Gaahls-Wyrd-Tour auf das von ASPHYX-Schlagzeuger Husky umgebaut werden muss, stellt die Crew vor eine Herausforderung – schließlich sind trotzdem nur 30 Minuten Umbaupause eingeplant. Als die Niederländer nach schlussendlich 45 Minuten ihr Set beginnen, ist die verlängerte Wartezeit jedoch sofort vergessen: Direkt mit dem ersten Song „Botox Implosion“ bricht ein Moshpit los, das folgende Set aus alten und neuen Hits von insgesamt sechs Alben lässt die Stimmung zu keiner Zeit abkühlen. Dass sich Reibeisen-Stimme Martin van Drunen zwischendurch die Zeit nimmt, nicht nur seine Bandkollegen der Reihe nach vorzustellen, sondern auch allen Verantwortlichen des VIENNA METAL MEETING zu danken, zeigt den Charakter dieser Band: Hier ist nicht nur die Musik noch „alte Schule“. Dass ASPHYX die Verzögerung nicht von der Spielzeit abgezogen wird, spricht wiederum für den Stagemanager – und ist bei dem Anklang, den die Niederländer hier und heute finden, die einzig richtige Entscheidung. [MG]

  1. Ghosts Invited
  2. Carving A Giant (Gorgoroth-Cover)
  3. Wound Upon Wound (Gorgoroth-Cover)
  4. The Humming Mountain
  5. The Dwell
  6. Awakening Remains – Before Leaving
  7. Carving The Voices
  8. Aldrande Tre (God-Seed-Cover)
  9. From The Spear
  10. Slave Til En Kommende Natt (Trelldom-Cover)
  11. Sannhet, Smerte Og Død (Trelldom-Cover)
  12. Through And Past And Past
  13. Exit – Through Carved Stones (Gorgoroth-Cover)
  14. Alt Liv (God-Seed-Cover)

Infolge der sich nach und nach angestauten Verzögerungen beginnen DIABOLICAL eine halbe Stunde später als geplant. Dann jedoch machen sie ihren leider parallel auf der Arena-Stage angesetzten Landsmännern von Necrophobic starke Konkurrenz. Die in Mönchskutten gekleideten Blackened-Death-Metaller bringen Stimmung, Abwechslungsreichtum und Publikumsnähe gelungen unter einen Hut. Die Songs wechseln fließend zwischen fett groovenden und abgründig melodischen, getragenen Passagen, in denen kräftige Growls beschwörendem Klargesang Platz machen – und diesmal gibt es auch am Sound nichts zu beanstanden. Einzig die Kommunikation mit dem Publikum nimmt dem Ganzen ewas die atmosphärische Stringenz. Letztlich machen DIABOLICAL damit jedoch einen sympathischen Eindruck, sodass die gelegentlichen Unterbrechungen nicht störend ins Gewicht fallen. Alles in allem eine der stärksten Shows des Festivals. [SR]

NECROPHOBIC auf dem Vienna Metal Meeting 2022Auf der Arena-Stage zieht sich unterdessen die 15-minütige Verspätung nun durch. Das eigentliche Problem bei NECROPHOBIC ist allerdings – erstmalig in der Großen Halle – der Sound. Mögen sich die leder- und nietenbewährten Black-Metaller in Sachen Show und Posing auch noch so ins Zeug legen – zunächst quasi ohne hörbare Gitarren und obendrein recht leise abgemischt funktionieren die an sich melodiereichen Kompositionen der Schweden leider eher mäßig. Dass die Halle zwar gut, aber auch nicht übermäßig gut gefüllt ist, erklärt sich aber wohl eher über die starke Konkurrenz durch Diabolical, die als seltener zu sehende Band viele Fans ziehen. Sich zwischen diesen beiden Bands entscheiden zu müssen, schmerzt. Als sich die Soundbedingungen in der zweiten Hälfte des Sets bessern, steht aber zumindest auch bei NECROPHOBIC einer mitreißenden Performance nichts mehr im Wege – zumal die Band technisch über jeden Zweifel erhaben ist. Hits wie „Devil’s Spawn Attack“, „Black Moon Rising“ oder schließlich das finale „The Nocturnal Silence“ lassen dann auch kleinere Moshpits aufkommen – sogar ein Crowdsurfer wird gesichtet. [MG]

  1. The Infernal Depths Of Eternity
  2. The Call
  3. Black Moon Rising
  4. Mirror Black
  5. Mark Of The Necrogram
  6. Devil’s Spawn Attack
  7. Tsar Bomba
  8. Blinded By Light, Enlightened By Darkness
  9. The Nocturnal Silence

Auf der D-19-Stage ist der Zeitplan derweil gänzlich hinfällig geworden. Der Auftritt der deutschen Death-Doomer THE RUINS OF BEVERAST beginnt mit 40 Minuten Verspätung um 23:00 Uhr – dafür aber zunächst ohne Überschneidung zu einer Arena-Show. Entsprechend voll und warm ist es dann auch beim vielleicht verschrobensten Act des Festivals. In Dunkelheit und Nebel gehüllt schrammeln Alexander von Meilenwald und Konsorten eine Stunde hypnotisierende Riffwalzen, die dank des ausgewogenen Sounds ihre fast meditative Wirkung nicht verfehlen. Weniger überzeugend ist hingegen der Gesang: Während die Growls leider nicht an das bedrohliche Grollen auf den Studioalben heranreichen, fehlt dem Klargesang gänzlich der Pathos. So verliert die Show über die Zeit leider an Drive – und einige Zuschauer. [MG]

SAMAEL auf dem Vienna Metal Meeting 2022Dass SAMAEL ihre Wurzeln im Black Metal haben, ist unbestreitbar – aber eben auch sehr lange her. Insofern verwundert es nicht weiter, dass sich die als Industrial-Metal-Band bekannt gewordenen Schweizer hier und heute schwer tun, der für sie angedachten Rolle des Tagesheadliners stimmungsmäßig gerecht zu werden. Beim Blick in die Große Halle drängt sich jedenfalls der Verdacht auf, dass so mancher Besucher des VIENNA METAL MEETING spätstens Angesichts der Schlagzeug-freien Bühne den Heimweg angetreten hat: Von einem Publikum wie Asphyx oder Necrophobic können SAMAEL nur träumen. Dabei macht die Band um das Brüderpaar Vorph und Xy eigentlich alles richtig: Die mitunter recht schwülstigen Keyboardklänge und pumpenden Beats des Drumcomputers sind natürlich Geschmackssache.

Dennoch stellen SAMAEL hier einmal mehr unter Beweis, dass sie sich damals zu Recht dafür entschieden haben, ihren eigenen Weg zu gehen, anstatt sich von den Gepflogenheiten des Black Metal einengen zu lassen. Nicht nur der unverwechselbare Stil der Band, sondern auch die detailreiche, gut auf die Musik abgestimmte Lightshow und die routinierte Performance der Schweizer sorgen für ein lohnendes Konzerterlebnis, das auch noch mit einem Special-Set aufwartet: Zum 25. Jubiläum ihres Durchbruchsalbums „Passage“ spielen SAMAEL dieses in voller Länge, ehe sie ihre größten Hits zum Besten geben. Vor der Abschlussnummer „Black Supremacy“ richtet Vorph mit der ungerührten Sachlichkeit und dem holprigen Deutsch einer Navi-Stimme noch ein paar letzte Worte an das Publikum: „Das ist Ihre Chance, verrückt zu werden.“ Ein durchaus zum mechanischen Wesen des Sets passender Aufruf und zugleich das Schlusswort zu einer gelungenen Außenseiter-Show. [SR]

  1. Rain
  2. Shining Kingdom
  3. Angel’s Decay
  4. My Saviour
  5. Jupiterian Vibe
  6. The Ones Who Came
  7. Before
  8. Liquid Soul Dimension
  9. Moonskin
  10. Born Under Saturn
  11. Chosen Race
  12. A Man In Your Head
  13. Samael
  14. Luxferre
  15. Son Of Earth
  16. … Until The Chaos
  17. Infra Galaxia
  18. Reign Of Light
  19. Baphomet’s Throne
  20. Black Supremacy

DARVAZA auf dem Vienna Metal Meeting 2022Waren bislang eher die Überschneidungen ein Problem, gereicht DARVAZA als letztem Act des VIENNA METAL MEETING 2022 eine Pause zum Nachteil: Da Fuoco Fatuo auf den Slot von Prllnkrchn vorverlegt wurden, ist auf der D19-Stage schon um 24:00 Uhr Schluss. Nach Samael und einer ungeplant langen Umbaupause können die Black Metaller jedoch erst um 1:15 Uhr loslegen. Dass die Große Halle dann immer noch gut gefüllt ist, ist an sich schon das größtmögliche Kompliment für die Band. Dass Fronter und Nidrosian-Black-Metal-Koryphäe Wraath (u. a. Mare, Beyond Man, ehem. One Tail, One Head) trotzdem mächtig angepisst wirkt, ist also eigentlich unerklärlich, gibt dem Auftritt aber jenes Quäntchen Extra-Energie, das aus einer guten eine mitreißende Show macht: Spätestens, als Wraath zum letzten Song auf die PA klettert und von dort oben seinen lodernden Hass herausschreit, ist klar: Die Beharrlichkeit, mit der die Fans auf diese letzte Show gewartet haben, hat sich gelohnt.

Dass die Arena mit dem Ende der Show um Punkt 2:00 Uhr vom Security-Team ungemütlich schnell geräumt wird, dürfte an städtischen Auflagen liegen. Schlussendlich ist es nach 13 Stunden Programm mit 14 Auftritten allein an diesem Tag aber auch mal gut – zumal der zweite Tag mit bärenstarken Auftritten etwa von GAEREA, GAAHLS WYRD, ASPHYX, DIABOLICAL und eben DARVAZA wirklich genug zu bieten hatte.

GAAHLS WYRD auf dem Vienna Metal Meeting 2022
GAAHLS WYRD auf dem Vienna Metal Meeting 2022

Fazit

Nach der Absage im Vorjahr kehrt das VIENNA METAL MEETING 2022 deutlich gewachsen zurück: Mit der Ausweitung auf zwei Tage bekommt das Event (auch ohne Camping) echten Festival-Charakter – ob es allerdings gleich 26 Bands hätten sein müssen, steht auf einem anderen Blatt: Die (planmäßigen) Überschneidungen von bis zu 20 Minuten sind lästig und kosten die kleineren Bands Zuschauer, während die bei einem so eng getakteten Zeitplan zwangsläufig knapp bemessenen Umbaupausen keinerlei Puffer beinhalten, weshalb der Zeitplan auf beiden Bühnen gerade am Samstag mit seinen 14 Shows schnell aus dem Takt kommt. Mit zwei, drei Bands weniger pro Tag hätte das leicht entzerrt werden können.

Auch im Hinblick auf die Ticketverkäufe geht der Plan, das Festival nach der Absage mit kompletter Rückabwickung der Ticketverkäufe für 2022 so deutlich zu vergrößern, wohl nicht ganz auf: Der aktuellen, allgemeinen Flaute bei den Ticketverkäufen folgend werden im Vorverkauf nur rund 700 2-Tages-Tickets abgesetzt, und auch mit den Abendkassen-Gästen bleibt die Besucherzahl an beiden Tagen weit unter den Kapazitäten von Österreichs größtem alternativen Kultur- und Kommunikationszentrum.

Über mangelnde Qualität lässt sich die verringerte Nachfrage jedenfalls nicht begründen: Insbesondere der Samstag ist mit internationalen Größen aus Black und Death Metal extrem stark besetzt – einzig SAMAEL sind, wenngleich aktuell in Bestform, als Headliner eine klare Fehlbesetzung: Als Band ohne (echtes) Schlagzeug kommt man auf einem Extreme-Metal-Festival einfach nicht weit … selbst mit Black-Metal-Wurzeln. Umso wichtiger, dass DARVAZA mit einer ultra-intensiven Show dem Festival zum Abschluss noch ein echtes Highlight spendieren.

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