10 Jahre Veldenstein – feierte letztes Jahr noch das Feuertanz wenige Kilometer südlich sein 10-jähriges Bestehen mit Subway to Sally als Co-Headliner, so fanden sich Eric Fish & seine Mitmusiker dieses Jahr in Neuhaus an der Pegnitz ein, um eine ganze Dekade mittelalterlicher Burgenmusik gebührend zu feiern. Im Line-Up waren darüber hinaus u.a. die Letzte Instanz, Eluveitie und Feuerschwanz zu finden.
Doch bevor die namhafteren Bands der Folkrock bzw. Folkmetal-Genres die Neuhauser Bühne enterten, stand erst einmal der traditionelle Irish Folk der SANDSACKS auf dem Programm. Für Szenekenner sind die Berliner Musiker längst kein unbeschriebenes (Klee-)Blatt mehr, so waren sie u.a. letztes Jahr auf dem Festival Mediaval in Selb zu sehen und zählten dort mittags zu den positiven Überraschungen. Dass sie als Opener quasi immer und überall funktionieren, bewiesen die vier in Zimmermannkluft gekleideten Herren auch auf dem Veldensteiner. Allerdings erreichte der Auftritt nicht ganz den Esprit von Selb 2010, dauerte es doch ein Weilchen, bis sich der Zuschauerraum füllte und flächendeckend zu „Drunken Sailor“, „Step It Out Mary“ oder „Foggy Dew“ getanzt und gesungen wurde. Dann bot sich allerdings besonders beim kollektiven Square Dance ein beeindruckendes Bild.
Lediglich „Loch Lommond“ funktionierte umgemodelt auf irisch-fröhliche Melodien nicht so stimmig wie die ruhigeren Interpretationen von Rapalje und anderen Marktkombos. Wer dennoch Gefallen am irischen Quartett fand, konnte die Sandsacks im weiteren Verlauf des Festivaltages noch mehrfach auf dem kleinen Markt neben der Festivalbühne sehen. Dort trat außerdem das sehenswerte Gauklerduo Mimikry mit seiner Feuershow und Stelzenlauf auf. Ein paar Minuten auf der Festivalbühne hätten sich die beiden Gaukler verdient gehabt, so blieben sie leider nur eine sehr gelungene Randnotiz.
Weniger folkig, dafür deutlich härter und rauer ging es bei NACHTGESCHREI zu. Mit gehörig Rückenwind von ihrer Clubtour legten die Frankfurter in Veldenstein wie gewohnt mit ihrem Instrumentalintro „Ad Astra“ vom dritten Studioalbum „Ardeo“ los, bevor bei „An mein Ende“ erstmals die Stimme des charismatischen Frontmannes Hotti erklang. Dieser sang jenes Stück ein wenig gefühlvoller als bei den Clubshows.
Ansonsten gingen Nachtgeschrei keine Kompromisse ein und rockten wie gewohnt. Trotz starker Songauswahl und viel Spielfreude erreichten die Newcomer aber scheinbar nur den vorderen Teil des Publikums, so dass einige ihrer stärksten Nummern wie „Niob“, „Räuber der Nacht“ und „Herzschlag“ am hinteren Ende des Zuschauerraums etwas untergingen. Als gegen Ende bei „Windstill“ bei der (rhetorischen) Frage „Hört ihr mich?“ schließlich lautstarke Publikumsinteraktion gefragt war, machten sich dann doch nicht nur wie sonst die vordersten Reihen vor der Bühne bemerkbar – was Nachtgeschrei sichtlich zufrieden (und sogar ein wenig überrascht) zur Kenntnis nahmen.
Nachdem sich die Hessen in der Vergangenheit manch guten Auftritt z.B. durch ausufernde Ansagen von zweifelhaftem Sinn selbst madig machten, konnte man ihnen dieses Mal keinen Vorwurf machen, abgesehen von kleineren Texthängern bei Sänger Holger. Es fehlte lediglich über weitere Strecke die Leidenschaft der Fans und insgesamt die intime Atmosphäre, die die Clubkonzerte 2011 zu einem unerwarteten Folkmetal-Highlight machten. Es wirkte beinahe so, als ob sich die energische Mischung aus Dudelsack- und E-Gitarrenklängen in der Weite des Burgengeländes verliefen.
FEUERSCHWANZ setzten in ihrer Heimat genau wie Nachtgeschrei dort an, wo sie bei ihrer ersten Headliner-Tour zu ihrem neuesten Werk „Wunsch ist Wunsch“ aufgehört hatten. In rund 60 Minuten feierten der Hauptmann, Prinz und der Rest der Band u.a. zum Klassiker „Met & Miezen“ sowie dem aktuellen Titeltrack „Wunsch ist Wunsch“ inkl. fragwürdiger Partnerchoreographie der beiden Vokalisten. Bei „Hurra Hurra die Pest ist da“ hoben und senkten sich beim gemeinsamen Tanz nicht nur die Körper der Bandmitglieder, sondern auch die des Publikums. Besonders bei diesen simplen Tanzeinlagen und Mitgröhlnummern wie „Wir lieben Dudelsack“ wurde wieder einmal deutlich, dass Feuerschwanz-Konzerte genau dann am besten funktionieren, wenn man sich vom kollektiven Wahnsinn – angeführt von Geige, E-Gitarre und Dudelsack – einfach anstecken lässt. Auf Veldenstein konnte sich jedoch nur ein Teil der Anwesenden dafür erwärmen. Vielleicht war auch der Alkoholpegel am frühen Nachmittag noch nicht ausgeprägt genug.
Fernab der Musik sorgte Prinz Hodenherz kurzzeitig für Aufsehen, als er einen der wackeligen Boxentürme am Bühnenrand erklomm und dort einige Zeit musizierte, bevor er aus rund drei Metern Höhe mit zweifelndem Gesichtsausdruck zurück auf die Bretter sprang. Frei von Überraschungen (und Bierduschen) verlief hingegen der Rest des Auftritts, der aus Feuerschwanzfan-Sicht durch die grün-gelbe Metmaschine MAMA beim gleichnamigen Song gekrönt wurde. Selbst die Securities beteiligten sich am kollektiven Metausschank, während die Musik für eine ganze Weile in den Hintergrund rückte. Eigentlich schade, denn mit „Symposium“ hatten sich Feuerschwanz ihr musikalisches Highlight bis zum Schluss aufgehoben.
Mit den sympathischen Schweizern ELUVEITIE folgte schließlich die musikalische Kehrtwende des Veldensteinerjubiläums. Angeführt von Sänger Chrigel als Rampensau schlug die Gruppe die härtesten Töne des Nachmittags an. Sogar noch härter als für gewöhnlich, denn Drehleierspielerin Anna Murphy musste an ihrem Paradeinstrument passen und war lediglich zwischenzeitlich an den Vocals zu hören. Dort gab sie zusammen mit Geigerin Meri Tedic ein gutes Bild ab und sorgte für stimmlichen Kontrast zu Chrigels gutturalem Gesang, der die rund 60 Minuten größtenteils dominierte. Bei „Slania’s Song“ versuchten Eluveitie, den Festivalbesuchern den gälischen Refrain beizubringen, doch diese reagierten nur zögerlich auf die ungewohnte Sprache. Auch die bandeigenen Vorzeigestücke wie „Inis Mona“ führten nicht zu kollektiver Ekstase, sondern bestenfalls an einigen Stellen zu wild fliegenden Mähnen und einzelnen Chören bei den eingefleischten Fans.
Unbeeindruckt davon entwickelte sich direkt vor der Bühne mehrfach ein beachtlicher Moshpit, u.a. direkt zu Beginn bei den ersten Takten von „Bloodstained Ground“. Insgesamt erinnerte der Auftritt von Eluveitie sehr an das Steiner Burg Festival 2010, wo sich die Energie und Power des Schweizer Folkmetalexports nur spärlich auf das Publikum übertrug. So endete das Stelldichein auf Veldenstein mit „Tegernako“ ebenfalls eher mäßig als mächtig.
Mit der LETZTEN INSTANZ als Semi-Headliner wurde schließlich das letzte Drittel des Festivals eingeläutet. „Dein Gott“ als stärkster Titel des aktuellen Albums „Heilig“ erwies sich als goldrichtige Wahl nach dem Intro, bevor bei „Neue Helden“ und dem unsäglichen „Atme!“ zumindest die musikalische Basisqualität der Brachialromantik nachließ. Doch da hatten sich (wie bei allen anderen Bands auch) die ersten Reihen vor dem Absperrgitter bereits auf die folgenden Tanznummern eingestimmt, so dass kleinere Song- und Soundausfälle (Geige…) weniger schwer ins Gewicht fielen, zumal sich die Instanz sehr spiel- und tanzfreudig zeigte.
Sänger Holly (ausnahmsweise mit Schuhen) agierte anfangs sogar ein klein wenig zu forsch und stieß unbeabsichtigt seinen Mikrofonständer in den Fotografengraben, wo dieser glücklicherweise keinen Schaden anrichtete. Mit „Flucht ins Glück“ und „Tanz“ ging es wieder folkig aufwärts und insgesamt schloss die Instanz qualitativ an ihren starken Auftritt als Headliner des letztjährigen Schlosshof Festivals an. Nur einmal wurde es plötzlich ungewohnt still: Vor „Mein Todestag“ erwähnte Holly in seiner Ansage beinahe beiläufig, dass Amy Winehouse heute verstorben war, was sich unter den Festivalbesuchern scheinbar noch nicht herumgesprochen hatte. Mit einer Widmung an die zu früh von uns gegangene Künstlerin setzte die Instanz ihren Auftritt fort. Ob bei „Der letzte Tag“ die Nachricht über Amys Tod noch zu schwer in den Gliedern des Publikums saß, um auf Kommando in die Knie zu gehen, vermochte man kaum zu sagen, doch insgesamt litt die Performance der Brachialromantiker nicht nur bei diesem Song unter einer besonders im Mittelteil eher trägen Festivalschar.
Obligatorisch war hingegen das Ende mit „Rapunzel“ und „Wir sind allein“ nebst Stagedive von Cellist Benni Cellini. Für Fans der sanften Folkrocker mit Sicherheit ein Muss, für alle anderen eher nicht, zumal „Rapunzel“ als wirkliche starke Eigenkomposition zum Mitsingen meistens totgespielt wird – so leider auch dieses Mal. Dennoch hinterließen Holly, M. Stolz und der Rest der Band unter dem Strich mit den besten Eindruck.
Im kommenden September wird das neue SUBWAY TO SALLY-Album „Schwarz in Schwarz“ erscheinen – nach Aussage von Eric Fish eine Rückbesinnung auf die wahren Fans der Band, die sich in der Schwarzen Szene finden. Von diesem „Back to the roots“-Ansatz war auf dem Veldensteiner Festival jedoch (noch) wenig zu spüren, denn Subway spielten noch ein letztes Mal ihre inzwischen hinlänglich bekannte Festivalsetliste der letzten Jahre mit minimalen Veränderungen. Dort finden sich neben Perlen längst vergangener Tage wie „Falscher Heiland“ oder „Ohne Liebe“ leider auch einige Menge Füller der letzten Studioalben „Bastard“ und „Kreuzfeuer“, die sehr in Richtung konventioneller Rockmusik tendieren. Aufgewertet wurde der teils fehlende musikalische Tiefgang durch die ebenfalls etablierte Pyroshow mit Feuer, Nebel und Licht. Dass sich der Großteil der Folkrockszene nicht nach Veränderung zu sehen scheint, bewies wiederum die mit Abstand größte Publikumsmenge an diesem Tag. Folglich konnten sich Subway entspannt durch ihre gut zweistündige Headlinershow rocken, ohne fernab einiger Songs wie „Besser du rennst“ und „Veitstanz“ für besondere Highlights zu sorgen. Die Menge hatten sie dennoch fest im Griff.
So hatten Eric Fish, Frau Schmitt, Bodenski und Co. die Bühne noch gar nicht betreten, als bereits lauthals „Julia und die Räuber“ angestimmt wurde, welches natürlich den krönenden Abschluss des Sets bildete und selbst beim gefühlten 1000. Mal nicht so richtig in die Jahre zu kommen scheint. Im Zugabenteil überzeugten StS darüber hinaus mit ihren größten Hits der letzten Jahre („Auf Kiel“ und „Sieben“), bevor das Festival schließlich mit der Hymne über die blutsaufenden Räuber zu Ende ging.
Ob der Abschied für ein Jahr oder gar für immer ist, steht derzeit noch nicht fest. So gibt es verschiedene Aussagen zur Fortsetzung des Veldensteiner Festivals in den kommenden Jahren. Während eine Fortsetzung 2012 noch als möglich bis wahrscheinlich bezeichnet wird, sieht es auf Grund ablaufender Pachtverträge danach mehr als nur ungewiss aus.
So könnte das Festival 2011 das zehnte und gleichzeitig letzte auf der stimmungsvollen Anlage gewesen sein. Etwas Wehmut kam auf, als während einer der Umbaupausen eine große Torte mit den Lineups der letzten zehn Jahre auf die Bühne geschoben wurde und die Veranstalter erst ein paar Worte an die Anwesenden richten, bevor der Kuchen in der Menge verteilt wurde. Zwischen den einzelnen Bands führte indes Donar von Rabenschrey durch das Festival, welcher sich angenehm zurückhielt und nur einmal Eigenwerbung betrieb, als er bei einer etwas längeren Unterbrechung kurz „Hey, wir sind Heiden“ anstimmte. Ansonsten bestand der einzige Berührungspunkt mit Rabenschrey in der Konservenmusik, welche über die Lautsprecher erklang, wenn auf der Bühne gerade hektische Betriebsamkeit bei den Roadies herrschte.
Musikalisch hielt das Veldensteiner 2011 exakt das, was es im Vorhinein versprach: Dies ist weder Kompliment noch Kritik, denn die Fans der einzelnen Gruppen wurden bestens unterhalten und selbst Neulinge konnten sich mühelos einen Überblick über die verschiedenen Facetten des weitläufigen Folkgenres verschaffen. Regelmäßigen Konzert- und Festivalbesuchern ohne bestimmte Präferenz für die eine oder andere Kapelle dürften hingegen die Highlights wie z.B. Coppelius 2010 gefehlt haben.