Konzertbericht: Van Canto /w Stimmgewalt, In Legend

12.12.2014 Hamburg, Markthalle

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Pünktlich zum Ende des Jahres wollen es die beinahe a-cappella-Metaller VAN CANTO noch einmal wissen: Zusammen mit dem Berliner Chor Stimmgewalt und den Nebenprojekt ihres Schlagzeugers, In Legend, machen sie sich auf, um eine Minitour zu absolvieren. Hier will die Band durch die Einbindung des Chors besonderes mächtig vokal was auf die Ohren geben, weshalb das Ganze unter den Titel „Voicefest“ gestellt wurde – wir waren in Hamburg dabei.

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Und ihr Ruf wird in der Hansestadt erhört: Trotz der für einen Freitag erstaunlich frühen Startzeit füllt sich die Markthalle pünktlich um 19 Uhr zu den ersten Tönen von IN LEGEND schon mehr als zur Hälfte. IN LEGEND sind in der Szene noch nicht übergreifend bekannt, haben aber ein Bühnenbild wie ein Headliner aufgebaut. Nicht nur nehmen die mächtigen Deko-Aufbauten der beiden (!) Keyboards der Band gut ein Drittel der Bühne ein, sie sind auch noch mit zwei Trommeln versehen, sodass die Keyboarder an zentralen Stellen rhythmisch den Drummer der Band unterstützen. Dafür verzichten IN LEGEND auf das üblichste aller Metal-Accessoirs: eine Gitarre.

Entsprechend dünn wirkt der Sound. Auch wenn die Band das bei ihren Studioalben durch Produktionshilfe überspielen kann, ist es live ein echtes Defizit. Aber wie sagt man so schön: „It’s not a bug, it’s a feature.“ Spieltechnisch geben sich die Jungs jedenfalls alle Mühe, die Meute anzuheizen. Für einen ersten Supportact gelingt das erstaunlich gut, wohl auch, weil das Debütalbum in der Halle wohlbekannt ist. Jedermanns Geschmack ist die Musik mit ihren kinderliedmäßigen „Lalalalalalalaaa“-Passagen aber bestimmt nicht und manch einer im Publikum guckt sich irritiert um, wo er da gerade hineingeraten ist. In der Breite aber wissen IN LEGEND den anwesenden Gästen zu gefallen.IMGP4486

Für einige Songs holen IN LEGEND sogar den Chor Stimmgewalt mit auf die Bühne, der seinen eigenen Auftritt erst danach haben soll. Die zwölf Sängerinnen und Sänger platzieren sich im Hintergrund der Bühne und sorgen für eine noch beeindruckendere optische Präsenz der Band – tragen zum eigentlichen Gesang aber fast nichts bei. Außer ein bisschen backing vocals im Refrain passiert da nämlich nichts. Eindeutig eine verpasste Chance, was noch dadurch versinnbildlicht wird, dass trotz des fetten Chors im Hintergrund immer noch ein paar Gesangspuren aus der Konserve kommen. Eine seltsame Entscheidung.

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Nachdem In Legend immerhin 45 Minuten Musik gemacht haben, kommt bald darauf der Berliner Chor STIMMGEWALT auf die Bühne – für sage und schreibe 18 Minuten. Mehr Material scheinen STIMMGEWALT nämlich nicht zu haben. Das verwundert wenig, ist ihr Hauptgeschäft doch, andere Bands live zu unterstützen, um einen fetteren Sound zu erzeugen. Warum die Jungs und Mädels auf der Voicefest-Tour also überhaupt einen eigenen Slot gekriegt haben – und dann auch noch den zweiten und nicht den ersten –, bleibt das eigentliche Mysterium.

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Musikalisch präsentieren sie es etwas sakralen Gesang, irischen Folk und zwei Coverversionen von bekannten deutschen NDH-Bands. Die Arrangements sind interessant und man merkt dem Auftritt an, dass STIMMGEWALT ein eingespielter Chor sind. Am Ende bauen sie zudem Beatboxing ein, was sehr gut funktioniert und vielleicht die Richtung sein könnte, mit der STIMMGEWALT auch eigenes Material entwickeln sollten. Die Kürze des Auftritts hin oder her: Das Publikum hat sich heute vorgenommen, richtig Spaß zu haben, und dankt auch STIMMGEWALT mit fast frenetischem Applaus.

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VC1Dennoch warten hier alle auf den Headliner, wie schon spontane „Rakkatakka“-Schreichöre über den ganzen Abend deutlich gemacht haben. Zu Beginn ihres Auftritts ist die Markthalle zu gut drei Vierteln gefüllt und die Stimmung hervorragend – eine Vorlage, die sich die Profis von VAN CANTO nicht entgehen lassen. Von den ersten Tönen an haben sie die Halle voll im Griff und feuern mit den Hits ihres aktuellen Albums eine Stimmungsgranate nach der anderen ab. Neben erwartbaren Songs wie „Badaboom“ oder „My Voice“ haben sie dieses Mal aber auch Zeit für seltener gespielte Lieder, wie das Angra-Cover „Carry On“.

Von manchen wird VAN CANTO immer noch der Vorwurf gemacht, ihr Konzept würde sich auf das Covern bekannter Songs beschränken und sich schnell totlaufen. Der heutige Konzertabend zeigt aber, dass es live für das Publikum kaum einen Unterschied macht, ob eine Coverversion gespielt wird oder ein eigener Song. Gute VAN-CANTO-Titel wie „Steelbreaker“ oder „Fight For Your Life“ zünden genauso gut wie die immer noch amüsanten Covers von „Rebellion“ oder „Wishmaster“. Insgesamt dominiert das eigene Material die Setlist, und das ist auch gut so.

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Neben der souveränen Präsentation der Songs stimmt besonders die Bühnenperformance. Mit sympathischen Ansagen und viel Bewegung auf der Bühne können VAN CANTO auch hier überzeugen. Lediglich die Sache mit dem Chor – erneut stehen alle zwölf Stimmgewalt-Leute auf der Bühne – funktioniert immer noch nicht. Alles, was die Berliner zu tun haben, ist das gelegentliche Unterstützen im Refrain. Wäre da nicht mehr möglich gewesen? So viel geschulte Stimmen hat man im Heavy Metal schließlich selten auf der Bühne. Wieder wirkt es so, als ob eine Chance unnötig vergeben wird. Warum nicht mal einen Kanon-Versuch oder einen Break mit darauf folgendem Choreinsatz?

So bleibt vor allem ein souveräner Auftritt von VAN CANTO in Erinnerung, Chor hin oder her. Gegen Ende erreicht der Gig mit einem kleinen Medley aus „The Mission“ vom Debütalbum dem Cover Master Of Puppets“ seinen Höhepunkt, bis sich die Band zügig zu einer Zugabe herausklatschen lässt. Mit „Fear Of The Dark“ und ordentlich Publikumspartizipation endet so der Konzertabend nach knapp 90 Minuten Headlinershow zur allgemeinen Zufriedenheit.

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Setlist VAN CANTO

01. Fight For Your Life
02. Badaboom
03. Unholy
04. Carry On (Angra-Cover)
05. My Voice
06. One To Ten
07. So Sing A Metal Song
08. Rebellion (The Clans Are Marching) (Grave-Digger-Cover)
09. Steelbreaker
10. To The Mountains
11. The Last Night Of The Kings
12. Wishmaster (Nightwish-Cover)
13. Neuer Wind
14. If I Die In Battle
15. The Mission / Master Of Puppets (Metallica-Cover)

16. Fear Of The Dark (Iron-Maiden-Cover)

Die Ankündigung als „Voicefest“ scheint im Nachhinein etwas hoch gegriffen. Von den versprochenen Choreffekten blieb in der Realität wenig übrig, zumal das Material nicht speziell dafür verändert worden war. So wirkten Stimmgewalt vor allem als Verstärker im Refrain. Davon völlig unbenommen gab es heute Abend einen hervorragenden Soloauftritt von VAN CANTO, der kaum einen Wunsch offen ließ.

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Alle Konzertfotos von Johanna Lange.

Publiziert am von Marc Lengowski

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