Konzertbericht: The Exploited w/ Rawside, Hot Waxing Action

19.11.2024 München, Backstage (Halle)

Die Geschichte von THE EXPLOITED war zuletzt vor allem eine Krankengeschichte: Immer wieder mussten Shows der Schotten aufgrund des Gesundheitszustands von Sänger und Bandkopf Wattie Buchan abgesagt werden – zuletzt erst im Mai. Doch THE EXPLOITED wären nicht THE EXPLOITED, hätte die Band nicht quasi im gleichen Atemzug weitere Shows angekündigt. Und so tourt die Hardcore-Punk-Legende im November nun doch endlich durch Europa.

Als Opener fungieren in München HOT WAXING ACTION. Die Band aus Freiburg wurde zwar erst 2021 gegründet, könnte aber aus diversen Gründen auch schon Szene-Urgestein sein. Zum einen ist da, unübersehbar, das vergleichsweise gehobene Alter der Bandmitglieder – vor allem aber jene Abgeklärtheit in der Performance und ein im besten Sinne als „klassisch“ zu beschreibender Stil: Auf dem Programm steht bodenständiger Power-Chord-Punk mit viel Scheiß-Drauf-Attitüde. Dass der Gesang oft nicht ganz den Ton trifft, gehört hier ebenso dazu wie eine grundstabile Haltung gegen rechts. Sympathisch – und für die heute gebotenen 30 Minuten auch unterhaltsam. Die einzige Überraschung im Set bleibt allerdings ein Konfettiregen.

Nach einem fixen Umbau stehen RAWSIDE auf der Bühne. Von der Urbesetzung der 1993 gegründeten und mehrfach aufgelösten und wiederformierten Truppe ist hier zwar nurmehr Sänger Henne übrig – dennoch merkt man auch RAWSIDE an, dass sie fest in der Szene verwurzelt sind: Thematisch bringen die Coburger wichtige Statements gegen Faschismus und für mehr Zusammenhalt an – aber auch für die eine oder andere eher skurrile Anekdote ist sich Henne nicht zu schade. Dazwischen gibt es Prügelpunk der rohen Machart. Entsprechend wild wird bereits gepogt – sieht man von einem bemerkenswert in sich ruhenden Dude ab, der die Show mittig vor der Bühne auf die Monitorbox gelehnt verschläft. Ab einem gewissen Punkt kann man den jungen Mann aber dann doch verstehen: 60 Minuten Spielzeit sind – bei aller Liebe – wirklich zu viel.

Immerhin: Als um kurz vor Zehn mit THE EXPLOITED der Headliner dran ist, sind wieder alle wach. Als „Intro“ versichert sich Wattie trotzdem in aller Kürze, wie die Lage so ist („What’s up!“), gefolgt vom dreimaligen trockenen Klopfen des Mikrophons gegen den Kopf (tock tock tock) und los geht der wilde Ritt: Passend zum an die Weltlage adaptierten Tourtitel „Let’s Stop A War“ geht es direkt mit dem Klassiker „Let’s Start A War“ vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1983 los. Dass das Set auch im Weiteren ausschließlich aus „Klassikern“ besteht, ist nicht weiter verwunderlich – ist das „aktuelle“ Album der Band doch nach wie vor „Fuck The System“ aus dem Jahr 2003.

Das macht heute weniger denn je, denn Wattie und die Band zeigen sich in Bestform: Während sich der neuerliche Wechsel am Drumkit – der erst im Januar eingestiegene Dominic Hardy wurde durch Gary „Gman“ Sullivan abgelöst – zumindest nicht negativ auswirkt, rocken Langzeit-Bassist Irish Rob und Gitarrist Steve Campbell den Gig mit viel Spielfreude. Vor allem aber Wattie ist überraschend fit, widmet Freunden im Publikum Songs – und allen Frauen im Raum mit den Worten „Next song is for you … it’s a punk love song!“ den Track „Porno Slut“. Komplexer darf es aber auch nicht werden: Als Wattie dem Volk der Palästinenser den Track „The Massacre“ widmet und „Fuck Israel“ nachschiebt, zeigt sich einmal mehr, dass sich das Weltgeschehen nicht mehr auf einfache Phrasen herunterbrechen lässt. So erntet Wattie für dieses streitbare Statement dann auch nur sehr verhaltenen Beifall – einen Fan, der diese einseitige Sicht der Dinge wohl nicht so stehen lassen will, muss der Stage-Tech mit Nachdruck vom Mikro fernhalten und von der Bühne befördern.

Von diesem kurzen Aufreger abgesehen, verläuft der Abend in völlig geregelten Bahnen chaotisch: Während THE EXPLOITED Hit um Hit abfeuern, wütet im Zuschauerraum ein wilder Moshpit. Zu „Sex And Violence“ werden in alter Tradition die Fans auf die Bühne geholt. Und zum Abschluss gibt es nach der Punk-Rock-Hymne „Punks Not Dead“ mit „Was It Me“ noch einen der besten Songs aus dem Repertoire der Schotten.

  1. Let’s Start A War (Said Maggie One Day)
  2. Fightback
  3. Dogs Of War
  4. Massacre Of Innocents
  5. UK 82
  6. Chaos Is My Life
  7. Dead Cities
  8. Alternative
  9. Noize Annoys
  10. Troops Of Tomorrow (The Vibrators Cover)
  11. Never Sell Out
  12. I Believe In Anarchy
  13. Holiday In The Sun
  14. Rival Leaders
  15. Beat The Bastards
  16. Cop Cars
  17. Disorder
  18. Don’t Forget The Chaos
  19. Fuck The System
  20. Porno Slut
  21. Army Life
  22. Fuck The USA
  23. Sex & Violence
  24. Punks Not Dead
  25. Was It Me

Mag der Gesundheitszustand von Szene-Ikone Wattie zuletzt immer wieder Grund zur Sorge gegeben haben – zumindest aktuell wirkt der kleine Mann mit dem feuerroten Irokesen fit wie ein Turnschuh. Wer THE EXPLOITED mag, sollte also keine Gelegenheit auslassen, sich von dem Quartett die Trommelfelle windelweich prügeln zu lassen – zumal bei dieser Tour auch bei den Vorbands die Qualität stimmt.

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