Konzertbericht: The Dillinger Escape Plan w/ The Hirsch Effekt & Maybeshewill

03.10.2013 München, Strom

dillinger escape plan tour

Dreieinhalb Jahre ist es her, dass THE DILLINGER ESCAPE PLAN sich das letzte Mal in München haben blicken lassen. Mit ihrem neuen Album „One Of Us Is The Killer“ im Gepäck kehren die Amerikaner nun zurück – mit dabei die Briten Maybeshewill und The Hirsch Effekt aus Hannover. In unmittelbarer Nähe zur Wiesn ist also für ein gediegenes Kontrastprogramm zum traditionsreichen Massenbesäufnis gesorgt.

 thehirscheffekt

Los geht es pünktlich um 21:00 mit THE HIRSCH EFFEKT. Das sympathische Trio legt auch gleich furios los und weiß das Publikum mit seinen vertrackten Rhythmen bei gutem Sound und spannend gestaltetem Licht zu begeistern. Dass die Band einiges drauf hat, bewiesen sie ja bereits auf Platte mehrfach – doch auch live wissen die drei Musiker, wie eine Show auszusehen hat. Hingebungsvoll und mit viel Leidenschaft präsentieren die Hannoveraner ihre Songs und verschwenden dabei nicht viel Zeit auf Ansagen, was der Atmosphäre durchaus dienlich ist. Weniger dienlich ist der Atmosphäre jedoch der Gesang von Fronter Nils Wittrock: Wer kein ausgeprägtes Faible für deutschen Punkrock mitbringt, ist hier außen vor. Wittrock trifft, vielleicht der Livesituation geschuldet, die Töne eher sporadisch und auch die deutschen, indielastigen Texte sind eher Geschmackssache. So ganz vermag mich diese Kombination nicht zu begeistern – instrumental hätten mir THE HIRSCH EFFEKT definitiv besser gefallen.

 maybeshewill-logo

Diesem Ansatz folgen auch die Briten von MAYBESHEWILL, die auf Gesang gleich ganz verzichten. Etwas weniger technisch vertrackt sondern eher auf flächige Post-Gitarren und -Atmosphäre ausgelegt, sorgt der Fünfer für eine willkommene Entspannungsphase vor dem großen Showdown mit The Dillinger Escape Plan. Als nach einer halben Stunde jedoch noch zwei weitere Songs angekündigt werden, wird es dann doch etwas sehr entspannt – um nicht zu sagen: ist die Spannung dann doch aufgebraucht. Denn wo MAYBESHEWILL als Hintergrundmusik sicher großartig funktionieren, kommt live doch irgendwo der Punkt, an dem die Songs sich zu wiederholen scheinen. Dramatisch ist das nicht und auch die letzten 15 Minuten der dreiviertelstündigen Show vergehen dann glücklicher Weise doch relativ schnell – etwas Erleichterung, dass das Warten auf den Headliner nun ein Ende hat, schwingt im Applaus dennoch mit.

[Moritz Grütz]

thedillingerescapeplanlogo

Nach einer etwas längeren Umbaupause, in der auch zwei kleine Leinwände hinter den Boxen aufgehängt werden – die dazugehörigen Beamer sind sicherheitshalber am hinteren Ende der Bühne verstaut – erlischt das Licht zu bedrohlichem Basswummern. Auf der Leinwand wird ein Stummfilm gezeigt, der immer wieder durch die plötzlich aufblitzenden Strobos am hinteren Bühnenrand erleuchtet wird, bis schließlich THE DILLINGER ESCAPE PLAN die Bühne betreten. Kurz ist es still, Fronter Greg Puciato schreit ein „One, Two, Three, Four“ in den Raum und schon erklingen die ersten Töne von „Prancer“, dem Opener des neuen Albums. Gleichzeitig verliert das Publikum und die Band jede Form von rationalem Denken und dreht vollständig durch. Bereits nach der Hälfte des ersten Songs springt Gitarrist und Songwriter Ben Weinman einem Fan auf die Schultern, klettert zurück auf die Bühne und fegt über diese wie ein Derwisch hinweg. Die Band verliert keine Zeit und brennt ein Hitfeuerwerk sondergleichen ab, die Fans stapeln sich vor der Bühne, geben sich exzessivem Pogo und Stagediven hin und immer wieder verwandelt sich das Strøm in einen beeindruckenden Background-Chor.

Immer wieder streut die Band auch „ruhigere“ Songs in ihr Set, wobei das bei THE DILLINGER ESCAPE PLAN eher ein irreführender Begriff ist. Zwar ermöglichen Songs wie „Black Bubblegum“ und „One Of Us Is The Killer“ kurzzeitiges Durchschnaufen – wenn allerdings direkt nach solchen Songs absolute Brecher wie „Sugar Coated Sour“ oder das manische „Panasonic Youth“ warten, ist es mit der Erholung schnell passé. Dass ein Stagediver von Ben Weinman kurz in den Arm genommen, anschließend allerdings von diesem eher unsanft auf den Bühnenboden geklatscht wird, passt in den puren Wahnsinn, der eine Show von THE DILLINGER ESCAPE PLAN ausmacht. Nach dem gnadenlos abgefeierten „Sunshine The Werewolf“ verlässt die Band nach einer knappen Stunde die Bühne, nur um kurz darauf wieder zurückzukommen. Auf einen Publikumswunsch spielt die Band das Aphex-Twin-Cover „Come To Daddy“ an, was für regelrechte Jubelstürme im Publikum sorgt, nur um anschließend mit „Gold Teeth On A Bum“ nachzulegen und die Show mit dem Übersong „43% Burnt“ abzuschließen – Zerlegung des Schlagzeugs und gegen die Wand geschmetterte Gitarre inklusive.

Setlist THE DILLINGER ESCAPE PLAN:
01. Prancer
02. Farewell, Mona Lisa
03. Milk Lizard
04. Panasonic Youth
05. Room Full Of Eyes
06. Black Bubblegum
07. Sugar Coated Sour
08. Hero Of The Soviet Union
09. Nothing’s Funny
10. One Of Us Is The Killer
11. Crossburner
12. Dead As History
13. Good Neighbor
14. When I Lost My Bet
15. Sunshine The Werewolf
——————–
16. Come To Daddy (angespielt)
17. Gold Teeth On A Bum
18.43% Burnt

FAZIT: Dieser Konzertbericht kann den Irrsinn und die große Klasse dieses Konzertabends nicht einmal geringfügig in Worte fassen. Nachdem die beiden Vorgruppen bereits überzeugen konnten, stellen THE DILLINGER ESCAPE PLAN einmal mehr unter Beweis, dass sie derzeit die wohl energetischste und mitreißendste Liveband des Planeten darstellen. Ein 75-minütiges Set, welches zu keiner Sekunde langweilt, trotz einer schier unfassbaren Bewegung auf der Bühne und kaum nachzuvollziehenden Taktwechseln aber immer auf den Punkt gespielt ist und das Publikum in ekstatische Raserei versetzt – was will man denn mehr?

[Bernhard Landkammer]

Publiziert am von und

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert