Konzertbericht: The Crazy World Of Arthur Brown

Für die einen war er ein „One-Hit-Wonder“, für die anderen nichts weniger als ein Pionier des Prog-Rock und Heavy Metal: ARTHUR BROWN. Mit dem selbstbetitelten Debüt seiner Band THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN, insbesondere der Single „Fire“, gelang dem Briten 1968 aus dem Nichts ein Welterfolg – bis heute sein einziger. Das hat BROWN allerdings ebenso wenig davon abgehalten, weiterzumachen, wie ein Schlaganfall, der ihn 1994 während eines Konzerts ereilte: Seit dem Jahr 2000 hat ARTHUR BROWN sieben Studioalben veröffentlicht, allein zwei davon 2022: „Monster’s Ball“ und „Long Long Road“ mit Rick Patten.

Mag deren musikalische Relevanz auch recht überschaubar sein – die eigentliche Stärke von ARTHUR BROWN ist seit jeher die Show. Mit seinen extravaganten Performances – mal nackt, mal kostümiert, und immer wieder mit brennendem Hut – hat der Brite das Konzept des Rock-Spektakels miterfunden und in den vergangenen 50 Jahren ganze Musiker-Generationen geprägt: Sein Einfluss auf Acts wie King Diamond, Kiss, Peter Gabriel oder Alice Cooper ist unbestritten.

Nachdem THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN in den letzten Jahren vornehmlich im Rahmen kleinerer Festivals wie dem Prophecy Fest (Balve) aufgetreten war, begibt sich der im Jahr 1942 geborenen Sänger nun nochmal auf Europatour. Dass die Shows extrem kurzfristig (zwei Wochen vor Tourstart) angekündigt wurden, wirkt in Zeiten des schlechten, aber auch immer früher angesetzten Ticket-Vorverkaufs fast naiv – andererseits plant man im zarten Alter von 80 Jahren vielleicht auch nicht mehr auf Jahre im voraus. Wohin das sonst führen kann, lässt sich schließlich an der seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen verschobenen Abschiedstour von Ozzy Osbourne beobachten, an die mittlerweile wohl nur noch glaubt, wer unbedingt daran glauben will. Und Ozzy ist, nebenbei bemerkt, erst 74.

Wer sich diesen Vergleich vor Augen hält, kann ebendiesen umso weniger trauen, als ARTHUR BROWN an diesem Sonntagabend die Bühne des Münchner Techno-Clubs Rote Sonne betritt. Agil wie der sprichwörtliche „junge Hüpfer“ und nach wie vor mit einer kraftvollen, mehrere Oktaven umfassenden Stimme gesegnet, weiß der Brite vom ersten Song an zu beeindrucken. Und dann sind da natürlich noch die Kostüme. Wie ein Dressman verschwindet BROWN nach jedem Song „backstage“, um sogleich mit einer noch wilderen Hutkreation oder einem noch schrilleren Outfit zurückzukommen. Geweih- und Blumenhüte, Pailleten-Umhänge und Engelsflügel, LED-beleuchtete Schwingen oder eine Drachenmaske – in Sachen Mode ist THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN wirklich crazy. Einzig der legendäre brennene Hut bleibt, der niedrigen Decke geschuldet, heute im Koffer … zumindest während des Auftritts: Ein rußiger Fleck an einem Rohr über ATHURS Platz sieht verdächtig danach aus, als hätte es der Künstler beim Soundcheck auf den Versuch ankommen lassen.

So viel Show könnte aufgesetzt wirken, oder wie ein plumper Versuch, von nachlassender musikalischer Qualität abzulenken. Nichts davon trifft hier zu – im Gegenteil: ARTHUR BROWN wirkt selbst so von der Musik vereinnahmt, so von seinen Outfits begeistert, dass seine kindlichen Freude ungemindert auf das Publikum überspringt. Da macht es für die Stimmung im Club dann auch nichts, dass das Publikum in der Roten Sonne (trotz Vorbesprechung in der Süddeutschen Zeitung!) gerade so die 50-Personen-Marke knackt.

Und die Musik? Überraschend früh im Set kommt der selbsternannte „God Of Hellfire“ feurigem Fransenkleid auf die Bühne, um „Fire“ zu bringen. Ein geschickter Schachzug – denn ist der Über-Hit erst abgehakt, können THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN gänzlich frei aufspielen: Insbesondere der 2019 zur Band gestoßene Multiinstrumentalist Dan Smith an Gitarre und Hammond-Orgel lässt dabei Prog- und Bluesrock-Herzen höher Schlagen – doch auch Jim Mortimore (Bass) und Sam Walker (Schlagzeug) fügen sich bis zum letzten Ton ihrer jeweiligen Solo-Parts stimmig ins musikalische Gesamtbild. Und zum Abschluss des gut 120-minütigen Trips gibt es doch noch ein paar echte Hits: „Time Captives“, „Future“ und das Screamin’-Jay-Hawkin-Cover „I Put A Spell On You“, allesamt aus seiner Zeit bei ARTHUR BROWN’S KINGDOM COME.

Dass diese faszinierende Zeitreise durch die Geschichte der Rockmusik am Ende nur rund 50 Zuschauern vorbehalten bleibt, ist schade – aber nur für die, die nicht gekommen sind. Denn während die Anwesenden davon unbeeinflusst ein unvergessliches Konzert erleben, wirkt auch ARTHUR BROWN zu keiner Zeit ob der geringen Besucherzahl bekümmert. Bei so viel Hingabe ist es aber auch völlig unvorstellbar, dass es dem 80-jährigen Rock-Vetaranen noch ums Geld geht.

Publiziert am 7. Dezember 2022 von Moritz Grütz

Fotos von: Afra Gethöffer-Grütz