Konzertbericht: The Casualties w/ Excluded

Biergartenwetter, EM-Halbfinale und obendrein noch Dienstag – die Zeichen könnten besser stehen für das Gastspiel der CASUALTIES in München. Andererseits: Bier gibt es auch im Backstage, Fußball stellt so mancher Musikfan hinten an und Punk ist, auch an einem Dienstag ordentlich Party zu machen. So ist es am Ende doch gar nicht so überraschend, dass sich der Zuschauerraum schnell füllt. Sicherlich, es ist diesmal nicht, wie noch auf der letzten Tour, die Backstage Halle, sondern „nur“ der Club – also die kleinste der drei Backstage-Venues. Für eine schwitzige Punk-Party aber sind die Bedingungen perfekt.

Dazu tragen auch EXCLUDED bei, die als Vorband ran dürfen: Das Quartett aus Mexico City hat musikalisch vielleicht nicht den größten Wiedererkennungswert – sorgt aber für Stimmung und einen ersten, gepflegten Pogo. Und immerhin: Komplett stumpf ist die Musik von EXCLUDED auch nicht. Der nur leicht angezerrte Overdrive-Sound der Gitarre, kombiniert mit ein paar Soli und bisweilen gar einem vierten Akkord im Riff, fügt dem „Drei-Akkord-Punk“ der Mexikaner eine rockige Note bei. Ob EXCLUDED deswegen nun der neue Stern am Punk-Himmel sind, sei mal dahingestellt. Für eine gute halbe Stunde und als Einstimmung auf die Casualties geht der Auftritt aber definitiv in Ordnung.

Nach etwas Umbau, vor allem aber – wie es scheint – Warten auf Sänger David Rodriguez, der erst kurz vor knapp auftaucht, geht es um 21:15 Uhr medias in res – oder eben, etwas weniger hochtrabend formuliert: zur Sache. Neu ist Bassist Dough, der nicht nur Rick Lopez ersetzt, sondern auch die Frisur von Jorge Herrera zurück in die Band bringt – ansonsten ist bei THE CASUALTIES alles beim Alten: Während David Rodriguez und Gitarrist Jake Kolatis zusammen die drei (!) wohl schönsten Irokesenschnitte zur Schau tragen, die man im Jahr 2024 noch bei einer Punkband zu sehen bekommt, drücken THE CASUALTIES das Gaspedal musikalisch fast bis aufs Metall durch – oder eben: bis zum Metal. Nicht nur der 5150er-Amp und die Flying-V-Gitarre, sondern auch das Riffing von Kolatis geht klar in Richtung Hardcore/Metal. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass zu Hits wie „1312“, „We Are All We Have“ oder „Ya Basta“ nicht nur der Punk abgeht, sondern auch so mancher Metalhead.

THE CASUALTIES liefern aber auch richtig ab: Musikalisch sowieso, aber auch mit einer Power-Performance, die im schnell höllisch heißen Backstage Club (die „Klimaanlage“ ist ein Loch in der Wand) einem Workout gleichkommt: Mal springt David Rodriguez von der Bassdrum über den knienden Jake hinweg, der wiederum springt wie ein Flummi durch die Gegend, und lange dauert es nicht, da springen auch die Fans – und zwar nicht nur im Pogo herum, sondern auch von der Galerie hinunter in die Menge. Das ist natürlich genauso verrückt wie die Circlepits, die durch den eigentlich viel zu kleinen Club fegen, oder die wilde Wall of Death, die David Rodriguez im Publikum stehend eröffnet – macht aber eben auch großen Spaß. Entsprechend schnell ist eine Stunde dann auch rum. Dass die Snaredrum ihren Dienst mit dem angekündigten „last song“ quittiert, hält THE CASUALTIES nicht auf. Nachdem das Spielgerät ausgetauscht ist, gibt es mit „Unknown Soldier“ noch einen letzten Track, ehe Band und Fans an die frische Luft stürzen.

Viele große Namen gibt es im Hardcore-Punk nicht mehr – auf die verbliebenen aber kann man sich verlassen. So auch auf die CASUALTIES: Mit dem Sängerwechsel 2017 hat sich die Band erfolgreich verjüngt, ohne dabei an Authentizität einzubüßen. Auf zwei Alben konnte sich David Rodriguez seitdem beweisen – vor allem aber bei unzähligen Shows. Und auch der heutige Abend zeigt wieder einmal: Besser, als es THE CASUALTIES 2024 tun, kann man Hardcore-Punk nicht auf die Bühne bringen.

Publiziert am 12. Juli 2024 von Moritz Grütz

Fotos von: Afra Gethöffer-Grütz